Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 3. Hildesheim, 1747.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Lehrreiche Kirchhoff.

So leicht vergehen auch die Schönen
Die sich mit Rosenschmuk bekrönen.

Wie viele sind in langer Zeit,
Als Rosen hier im Staub vergangen,
Ein gleiches Schiksahl wird gedräut
Den, die in ihrer Blüte prangen:
Bedenket dieses die ihr meint,
Daß euer Antliz herlich scheint;
Wie leicht ist es nicht auch geschehen,
Daß ihr hier müst erblaßt verwehen.
Drum lernet eure Eitelkeit,
Auf diesen Sammelplaz erkennen;
Der Raum ist kaum ein Spannebreit,
Die Todt und Leben bei uns trennen;
Wie mannigfaltig ist die Noth,
Die uns mit der Verwesung droht;
Die uns auf denen Sterbgefilden,
Die Gräber vor die Augen bilden.
Seht was da sey die Leidenschaft
Die uns hat Lebenslang gequälet,
Wenn uns der Todt von hinnen raft
Wo bleibt das Ziel das wir erwählet?
O! möchte also jederman,
Der den Affect nicht zwingen kan,
Nur auf dem Kirchhof das an hören,
Was uns die stummen Todten lehren!
Sie machen mit verschlossnen Mund,
Das was ein jeder zu bedenken
An ihrer eignen Beispiel kund:
Daß Sterbliche sich nur versenken
Jn

Der Lehrreiche Kirchhoff.

So leicht vergehen auch die Schoͤnen
Die ſich mit Roſenſchmuk bekroͤnen.

Wie viele ſind in langer Zeit,
Als Roſen hier im Staub vergangen,
Ein gleiches Schikſahl wird gedraͤut
Den, die in ihrer Bluͤte prangen:
Bedenket dieſes die ihr meint,
Daß euer Antliz herlich ſcheint;
Wie leicht iſt es nicht auch geſchehen,
Daß ihr hier muͤſt erblaßt verwehen.
Drum lernet eure Eitelkeit,
Auf dieſen Sammelplaz erkennen;
Der Raum iſt kaum ein Spannebreit,
Die Todt und Leben bei uns trennen;
Wie mannigfaltig iſt die Noth,
Die uns mit der Verweſung droht;
Die uns auf denen Sterbgefilden,
Die Graͤber vor die Augen bilden.
Seht was da ſey die Leidenſchaft
Die uns hat Lebenslang gequaͤlet,
Wenn uns der Todt von hinnen raft
Wo bleibt das Ziel das wir erwaͤhlet?
O! moͤchte alſo jederman,
Der den Affect nicht zwingen kan,
Nur auf dem Kirchhof das an hoͤren,
Was uns die ſtummen Todten lehren!
Sie machen mit verſchloſſnen Mund,
Das was ein jeder zu bedenken
An ihrer eignen Beiſpiel kund:
Daß Sterbliche ſich nur verſenken
Jn
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <lg n="25">
            <l>
              <pb facs="#f0328" n="316"/>
              <fw place="top" type="header">Der Lehrreiche Kirchhoff.</fw>
            </l><lb/>
            <l>So leicht vergehen auch die Scho&#x0364;nen</l><lb/>
            <l>Die &#x017F;ich mit Ro&#x017F;en&#x017F;chmuk bekro&#x0364;nen.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="26">
            <l><hi rendition="#in">W</hi>ie viele &#x017F;ind in langer Zeit,</l><lb/>
            <l>Als Ro&#x017F;en hier im Staub vergangen,</l><lb/>
            <l>Ein gleiches Schik&#x017F;ahl wird gedra&#x0364;ut</l><lb/>
            <l>Den, die in ihrer Blu&#x0364;te prangen:</l><lb/>
            <l>Bedenket die&#x017F;es die ihr meint,</l><lb/>
            <l>Daß euer Antliz herlich &#x017F;cheint;</l><lb/>
            <l>Wie leicht i&#x017F;t es nicht auch ge&#x017F;chehen,</l><lb/>
            <l>Daß ihr hier mu&#x0364;&#x017F;t erblaßt verwehen.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="27">
            <l><hi rendition="#in">D</hi>rum lernet eure Eitelkeit,</l><lb/>
            <l>Auf die&#x017F;en Sammelplaz erkennen;</l><lb/>
            <l>Der Raum i&#x017F;t kaum ein Spannebreit,</l><lb/>
            <l>Die Todt und Leben bei uns trennen;</l><lb/>
            <l>Wie mannigfaltig i&#x017F;t die Noth,</l><lb/>
            <l>Die uns mit der Verwe&#x017F;ung droht;</l><lb/>
            <l>Die uns auf denen Sterbgefilden,</l><lb/>
            <l>Die Gra&#x0364;ber vor die Augen bilden.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="28">
            <l><hi rendition="#in">S</hi>eht was da &#x017F;ey die Leiden&#x017F;chaft</l><lb/>
            <l>Die uns hat Lebenslang gequa&#x0364;let,</l><lb/>
            <l>Wenn uns der Todt von hinnen raft</l><lb/>
            <l>Wo bleibt das Ziel das wir erwa&#x0364;hlet?</l><lb/>
            <l>O! mo&#x0364;chte al&#x017F;o jederman,</l><lb/>
            <l>Der den Affect nicht zwingen kan,</l><lb/>
            <l>Nur auf dem Kirchhof das an ho&#x0364;ren,</l><lb/>
            <l>Was uns die &#x017F;tummen Todten lehren!</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="29">
            <l><hi rendition="#in">S</hi>ie machen mit ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;nen Mund,</l><lb/>
            <l>Das was ein jeder zu bedenken</l><lb/>
            <l>An ihrer eignen Bei&#x017F;piel kund:</l><lb/>
            <l>Daß Sterbliche &#x017F;ich nur ver&#x017F;enken<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Jn</fw><lb/></l>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[316/0328] Der Lehrreiche Kirchhoff. So leicht vergehen auch die Schoͤnen Die ſich mit Roſenſchmuk bekroͤnen. Wie viele ſind in langer Zeit, Als Roſen hier im Staub vergangen, Ein gleiches Schikſahl wird gedraͤut Den, die in ihrer Bluͤte prangen: Bedenket dieſes die ihr meint, Daß euer Antliz herlich ſcheint; Wie leicht iſt es nicht auch geſchehen, Daß ihr hier muͤſt erblaßt verwehen. Drum lernet eure Eitelkeit, Auf dieſen Sammelplaz erkennen; Der Raum iſt kaum ein Spannebreit, Die Todt und Leben bei uns trennen; Wie mannigfaltig iſt die Noth, Die uns mit der Verweſung droht; Die uns auf denen Sterbgefilden, Die Graͤber vor die Augen bilden. Seht was da ſey die Leidenſchaft Die uns hat Lebenslang gequaͤlet, Wenn uns der Todt von hinnen raft Wo bleibt das Ziel das wir erwaͤhlet? O! moͤchte alſo jederman, Der den Affect nicht zwingen kan, Nur auf dem Kirchhof das an hoͤren, Was uns die ſtummen Todten lehren! Sie machen mit verſchloſſnen Mund, Das was ein jeder zu bedenken An ihrer eignen Beiſpiel kund: Daß Sterbliche ſich nur verſenken Jn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen03_1747
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen03_1747/328
Zitationshilfe: Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 3. Hildesheim, 1747, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen03_1747/328>, abgerufen am 11.10.2024.