Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 3. Hildesheim, 1747.Die Völlerei. Ein solches Lasterthier, ein Mensch der immerschwimmt Jm nassen Element, das er stets zu sich nimmt; Gedenkt nicht an die Pflicht, die andre Menschen fodern, Noch an das ewge Feur, darin er dreinst wird lodern. Er lebet ganz verstokt, als wie der reiche Mann, Sieht keinen Lazarus in seinen Jammer an, Der Anblik stört die Lust, erwekt ein Misvergnü- gen, Drum läst er ihn gekrümmt vor seiner Thüre lie- gen; Er liebt nur die Music, ein muntres Saitenspiel, Kein klägliches Gethön, und wenn er opfern will, Dem Bachus, seinen Bauch, läst er Posaunen blasen, Um bei dem Klang und Lerm nur feuriger zu rasen, Wie die Bachanten thun. Wenn er ein Jubelfest, Dem Abgott seinem Bauch mit Freuden feiren läst, Wie täglich fast geschieht; so ist nur sein Bemühen, Durch heissen Wein und Bier den Weirauch an- zuglühen, Den er zum Opfer bringt. Das Opfer wird ge- schlacht, Den Priester den er braucht, der es zu rechte macht, Jst ein erfahrner Koch, der alles kan bereiten, Mit Fett es woll begiest, damit es müsse gleiten Durch einen engen Schlund, da es den dahin dringt, Wo es der Abgott Bell, der Magen gleich ver- schlingt, Der sich so weit ausspannt, als jener Hals des Drachen, Den sie in Babilon zu einen Gözen machen. So geht es täglich fort; kaum ist der Schlauch geleert; So
Die Voͤllerei. Ein ſolches Laſterthier, ein Menſch der immerſchwimmt Jm naſſen Element, das er ſtets zu ſich nimmt; Gedenkt nicht an die Pflicht, die andre Menſchen fodern, Noch an das ewge Feur, darin er dreinſt wird lodern. Er lebet ganz verſtokt, als wie der reiche Mann, Sieht keinen Lazarus in ſeinen Jammer an, Der Anblik ſtoͤrt die Luſt, erwekt ein Misvergnuͤ- gen, Drum laͤſt er ihn gekruͤmmt vor ſeiner Thuͤre lie- gen; Er liebt nur die Muſic, ein muntres Saitenſpiel, Kein klaͤgliches Gethoͤn, und wenn er opfern will, Dem Bachus, ſeinen Bauch, laͤſt er Poſaunen blaſen, Um bei dem Klang und Lerm nur feuriger zu raſen, Wie die Bachanten thun. Wenn er ein Jubelfeſt, Dem Abgott ſeinem Bauch mit Freuden feiren laͤſt, Wie taͤglich faſt geſchieht; ſo iſt nur ſein Bemuͤhen, Durch heiſſen Wein und Bier den Weirauch an- zugluͤhen, Den er zum Opfer bringt. Das Opfer wird ge- ſchlacht, Den Prieſter den er braucht, der es zu rechte macht, Jſt ein erfahrner Koch, der alles kan bereiten, Mit Fett es woll begieſt, damit es muͤſſe gleiten Durch einen engen Schlund, da es den dahin dringt, Wo es der Abgott Bell, der Magen gleich ver- ſchlingt, Der ſich ſo weit ausſpannt, als jener Hals des Drachen, Den ſie in Babilon zu einen Goͤzen machen. So geht es taͤglich fort; kaum iſt der Schlauch geleert; So
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Die Voͤllerei.
Ein ſolches Laſterthier, ein Menſch der immer
ſchwimmt
Jm naſſen Element, das er ſtets zu ſich nimmt;
Gedenkt nicht an die Pflicht, die andre Menſchen
fodern,
Noch an das ewge Feur, darin er dreinſt wird
lodern.
Er lebet ganz verſtokt, als wie der reiche Mann,
Sieht keinen Lazarus in ſeinen Jammer an,
Der Anblik ſtoͤrt die Luſt, erwekt ein Misvergnuͤ-
gen,
Drum laͤſt er ihn gekruͤmmt vor ſeiner Thuͤre lie-
gen;
Er liebt nur die Muſic, ein muntres Saitenſpiel,
Kein klaͤgliches Gethoͤn, und wenn er opfern will,
Dem Bachus, ſeinen Bauch, laͤſt er Poſaunen blaſen,
Um bei dem Klang und Lerm nur feuriger zu raſen,
Wie die Bachanten thun. Wenn er ein Jubelfeſt,
Dem Abgott ſeinem Bauch mit Freuden feiren laͤſt,
Wie taͤglich faſt geſchieht; ſo iſt nur ſein Bemuͤhen,
Durch heiſſen Wein und Bier den Weirauch an-
zugluͤhen,
Den er zum Opfer bringt. Das Opfer wird ge-
ſchlacht,
Den Prieſter den er braucht, der es zu rechte macht,
Jſt ein erfahrner Koch, der alles kan bereiten,
Mit Fett es woll begieſt, damit es muͤſſe gleiten
Durch einen engen Schlund, da es den dahin dringt,
Wo es der Abgott Bell, der Magen gleich ver-
ſchlingt,
Der ſich ſo weit ausſpannt, als jener Hals des
Drachen,
Den ſie in Babilon zu einen Goͤzen machen.
So geht es taͤglich fort; kaum iſt der Schlauch
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