Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 3. Hildesheim, 1747.Gedanken bei einem bebbrütetem Ey. Gedanken bei einem bebrütetem Ey. Wo GOtt das Leben giebt, da giebt er Nahrung auch, Versorgt die Kreatur; wenn sie noch in dem Schlauch Der sie gebiehrt, verstekt: Wie solt er uns das Leben, Da er der Vater ist, ohn Lebens Nahrung geben? Das thut der Schöpfer nicht, der mächtig, gütig, treu; Wo er das Leben giebt, legt er die Nahrung bei. Wir können dieses klar an denen Eyern sehen, Woraus die junge Brut der Küchelein entstehen. Seh ich ein Ey recht an, und was darinnen stekt, So wird in meiner Seel Bewunderung erwekt: Man kan nicht ohne Lust die Theile all erwegen, Die sich in einem Ey, uns vor die Augen legen. Ein gelber Dotter der recht in der Mitte liegt, Jst an den Enden fest ins Weisse angefügt Durch Bänder welche man, die Hagelknötchen heisset, Und die verlieren sich, wo sich das Weiß ergeusset. Ein doppelt Eyerweiß füllt denn die Schalen an, Wie man im Augenblik mit Lust ansehen kan, Wenn man sie nur zerbricht. Das eine ist verdün- net, Das
Gedanken bei einem bebbruͤtetem Ey. Gedanken bei einem bebruͤtetem Ey. Wo GOtt das Leben giebt, da giebt er Nahrung auch, Verſorgt die Kreatur; wenn ſie noch in dem Schlauch Der ſie gebiehrt, verſtekt: Wie ſolt er uns das Leben, Da er der Vater iſt, ohn Lebens Nahrung geben? Das thut der Schoͤpfer nicht, der maͤchtig, guͤtig, treu; Wo er das Leben giebt, legt er die Nahrung bei. Wir koͤnnen dieſes klar an denen Eyern ſehen, Woraus die junge Brut der Kuͤchelein entſtehen. Seh ich ein Ey recht an, und was darinnen ſtekt, So wird in meiner Seel Bewunderung erwekt: Man kan nicht ohne Luſt die Theile all erwegen, Die ſich in einem Ey, uns vor die Augen legen. Ein gelber Dotter der recht in der Mitte liegt, Jſt an den Enden feſt ins Weiſſe angefuͤgt Durch Baͤnder welche man, die Hagelknoͤtchen heiſſet, Und die verlieren ſich, wo ſich das Weiß ergeuſſet. Ein doppelt Eyerweiß fuͤllt denn die Schalen an, Wie man im Augenblik mit Luſt anſehen kan, Wenn man ſie nur zerbricht. Das eine iſt verduͤn- net, Das
<TEI> <text> <body> <pb facs="#f0198" n="186"/> <fw place="top" type="header">Gedanken bei einem bebbruͤtetem Ey.</fw><lb/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Gedanken</hi><lb/> bei einem bebruͤtetem Ey.</hi> </head><lb/> <lg type="poem"> <l><hi rendition="#in">W</hi>o <hi rendition="#fr">GOtt</hi> das Leben giebt, da giebt<lb/><hi rendition="#et">er Nahrung auch,</hi></l><lb/> <l>Verſorgt die Kreatur; wenn ſie<lb/><hi rendition="#et">noch in dem Schlauch</hi></l><lb/> <l>Der ſie gebiehrt, verſtekt: Wie ſolt er uns das<lb/><hi rendition="#et">Leben,</hi></l><lb/> <l>Da er der Vater iſt, ohn Lebens Nahrung geben?</l><lb/> <l>Das thut der Schoͤpfer nicht, der maͤchtig, guͤtig,<lb/><hi rendition="#et">treu;</hi></l><lb/> <l>Wo er das Leben giebt, legt er die Nahrung bei.</l><lb/> <l>Wir koͤnnen dieſes klar an denen Eyern ſehen,</l><lb/> <l>Woraus die junge Brut der Kuͤchelein entſtehen.</l><lb/> <l>Seh ich ein Ey recht an, und was darinnen ſtekt,</l><lb/> <l>So wird in meiner Seel Bewunderung erwekt:</l><lb/> <l>Man kan nicht ohne Luſt die Theile all erwegen,</l><lb/> <l>Die ſich in einem Ey, uns vor die Augen legen.</l><lb/> <l>Ein gelber Dotter der recht in der Mitte liegt,</l><lb/> <l>Jſt an den Enden feſt ins Weiſſe angefuͤgt</l><lb/> <l>Durch Baͤnder welche man, die Hagelknoͤtchen<lb/><hi rendition="#et">heiſſet,</hi></l><lb/> <l>Und die verlieren ſich, wo ſich das Weiß ergeuſſet.</l><lb/> <l>Ein doppelt Eyerweiß fuͤllt denn die Schalen an,</l><lb/> <l>Wie man im Augenblik mit Luſt anſehen kan,</l><lb/> <l>Wenn man ſie nur zerbricht. Das eine iſt verduͤn-<lb/><hi rendition="#et">net,</hi></l><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Das</fw><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [186/0198]
Gedanken bei einem bebbruͤtetem Ey.
Gedanken
bei einem bebruͤtetem Ey.
Wo GOtt das Leben giebt, da giebt
er Nahrung auch,
Verſorgt die Kreatur; wenn ſie
noch in dem Schlauch
Der ſie gebiehrt, verſtekt: Wie ſolt er uns das
Leben,
Da er der Vater iſt, ohn Lebens Nahrung geben?
Das thut der Schoͤpfer nicht, der maͤchtig, guͤtig,
treu;
Wo er das Leben giebt, legt er die Nahrung bei.
Wir koͤnnen dieſes klar an denen Eyern ſehen,
Woraus die junge Brut der Kuͤchelein entſtehen.
Seh ich ein Ey recht an, und was darinnen ſtekt,
So wird in meiner Seel Bewunderung erwekt:
Man kan nicht ohne Luſt die Theile all erwegen,
Die ſich in einem Ey, uns vor die Augen legen.
Ein gelber Dotter der recht in der Mitte liegt,
Jſt an den Enden feſt ins Weiſſe angefuͤgt
Durch Baͤnder welche man, die Hagelknoͤtchen
heiſſet,
Und die verlieren ſich, wo ſich das Weiß ergeuſſet.
Ein doppelt Eyerweiß fuͤllt denn die Schalen an,
Wie man im Augenblik mit Luſt anſehen kan,
Wenn man ſie nur zerbricht. Das eine iſt verduͤn-
net,
Das
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |