Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 2. Hildesheim, 1747.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Tieffen der Gottheit.
Ohne schwindelnd banges Grauen,
Kan mein Geist dich nicht ansehn:
Und mein ich dich anzuschauen
Muß er gleich zurükke gehn:
Jezt deucht mir das ich entzükket,
Deiner Hoheit Glanz erblikket:
Doch es fliegt des Geistes Blik
Starrend wiederum zurük.
Wil ich mich gleich selbst vergessen,
Und mit reger Denkungs-Kraft,
Wagen an die tieffen Grössen
Einer einzgen Eigenschaft:
O! so merken die Gedanken,
Jhre eingespannten Schranken.
Und gestehn daß du ein Geist,
Der ganz unbegreiflich heist.
Da erkennet meine Seele,
Und der tief verschlungne Sinn,
Wenn ich dich zum Vorwurf wähle,
Nicht was du, nur was ich bin:
Wil ich HErr! an dich gedenken,
Und den Geist von Körpern lenken;
So trift er den Abgrund an,
Darin er nichts sehen kan.
Ehrfurchtsvolle Dunkelheiten
Sind um deiner Majestät;
Deren unermesne Weiten
Sind für uns zu sehr erhöht.
Waget sich das arme Wissen,
Zu den heilgen Finsternissen:
So
Die Tieffen der Gottheit.
Ohne ſchwindelnd banges Grauen,
Kan mein Geiſt dich nicht anſehn:
Und mein ich dich anzuſchauen
Muß er gleich zuruͤkke gehn:
Jezt deucht mir das ich entzuͤkket,
Deiner Hoheit Glanz erblikket:
Doch es fliegt des Geiſtes Blik
Starrend wiederum zuruͤk.
Wil ich mich gleich ſelbſt vergeſſen,
Und mit reger Denkungs-Kraft,
Wagen an die tieffen Groͤſſen
Einer einzgen Eigenſchaft:
O! ſo merken die Gedanken,
Jhre eingeſpannten Schranken.
Und geſtehn daß du ein Geiſt,
Der ganz unbegreiflich heiſt.
Da erkennet meine Seele,
Und der tief verſchlungne Sinn,
Wenn ich dich zum Vorwurf waͤhle,
Nicht was du, nur was ich bin:
Wil ich HErr! an dich gedenken,
Und den Geiſt von Koͤrpern lenken;
So trift er den Abgrund an,
Darin er nichts ſehen kan.
Ehrfurchtsvolle Dunkelheiten
Sind um deiner Majeſtaͤt;
Deren unermesne Weiten
Sind fuͤr uns zu ſehr erhoͤht.
Waget ſich das arme Wiſſen,
Zu den heilgen Finſterniſſen:
So
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0346" n="334"/>
          <fw place="top" type="header">Die Tieffen der Gottheit.</fw><lb/>
          <lg>
            <l><hi rendition="#in">O</hi>hne &#x017F;chwindelnd banges Grauen,</l><lb/>
            <l>Kan mein Gei&#x017F;t dich nicht an&#x017F;ehn:</l><lb/>
            <l>Und mein ich dich anzu&#x017F;chauen</l><lb/>
            <l>Muß er gleich zuru&#x0364;kke gehn:</l><lb/>
            <l>Jezt deucht mir das ich entzu&#x0364;kket,</l><lb/>
            <l>Deiner Hoheit Glanz erblikket:</l><lb/>
            <l>Doch es fliegt des Gei&#x017F;tes Blik</l><lb/>
            <l>Starrend wiederum zuru&#x0364;k.</l>
          </lg><lb/>
          <lg>
            <l><hi rendition="#in">W</hi>il ich mich gleich &#x017F;elb&#x017F;t verge&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Und mit reger Denkungs-Kraft,</l><lb/>
            <l>Wagen an die tieffen Gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;en</l><lb/>
            <l>Einer einzgen Eigen&#x017F;chaft:</l><lb/>
            <l>O! &#x017F;o merken die Gedanken,</l><lb/>
            <l>Jhre einge&#x017F;pannten Schranken.</l><lb/>
            <l>Und ge&#x017F;tehn daß du ein Gei&#x017F;t,</l><lb/>
            <l>Der ganz unbegreiflich hei&#x017F;t.</l>
          </lg><lb/>
          <lg>
            <l><hi rendition="#in">D</hi>a erkennet meine Seele,</l><lb/>
            <l>Und der tief ver&#x017F;chlungne Sinn,</l><lb/>
            <l>Wenn ich dich zum Vorwurf wa&#x0364;hle,</l><lb/>
            <l>Nicht was du, nur was ich bin:</l><lb/>
            <l>Wil ich HErr! an dich gedenken,</l><lb/>
            <l>Und den Gei&#x017F;t von Ko&#x0364;rpern lenken;</l><lb/>
            <l>So trift er den Abgrund an,</l><lb/>
            <l>Darin er nichts &#x017F;ehen kan.</l>
          </lg><lb/>
          <lg>
            <l><hi rendition="#in">E</hi>hrfurchtsvolle Dunkelheiten</l><lb/>
            <l>Sind um deiner Maje&#x017F;ta&#x0364;t;</l><lb/>
            <l>Deren unermesne Weiten</l><lb/>
            <l>Sind fu&#x0364;r uns zu &#x017F;ehr erho&#x0364;ht.</l><lb/>
            <l>Waget &#x017F;ich das arme Wi&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Zu den heilgen Fin&#x017F;terni&#x017F;&#x017F;en:<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">So</fw><lb/></l>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[334/0346] Die Tieffen der Gottheit. Ohne ſchwindelnd banges Grauen, Kan mein Geiſt dich nicht anſehn: Und mein ich dich anzuſchauen Muß er gleich zuruͤkke gehn: Jezt deucht mir das ich entzuͤkket, Deiner Hoheit Glanz erblikket: Doch es fliegt des Geiſtes Blik Starrend wiederum zuruͤk. Wil ich mich gleich ſelbſt vergeſſen, Und mit reger Denkungs-Kraft, Wagen an die tieffen Groͤſſen Einer einzgen Eigenſchaft: O! ſo merken die Gedanken, Jhre eingeſpannten Schranken. Und geſtehn daß du ein Geiſt, Der ganz unbegreiflich heiſt. Da erkennet meine Seele, Und der tief verſchlungne Sinn, Wenn ich dich zum Vorwurf waͤhle, Nicht was du, nur was ich bin: Wil ich HErr! an dich gedenken, Und den Geiſt von Koͤrpern lenken; So trift er den Abgrund an, Darin er nichts ſehen kan. Ehrfurchtsvolle Dunkelheiten Sind um deiner Majeſtaͤt; Deren unermesne Weiten Sind fuͤr uns zu ſehr erhoͤht. Waget ſich das arme Wiſſen, Zu den heilgen Finſterniſſen: So

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen02_1747
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen02_1747/346
Zitationshilfe: Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 2. Hildesheim, 1747, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen02_1747/346>, abgerufen am 24.11.2024.