Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 2. Hildesheim, 1747.Die unerkandte Wollthat GOttes. Wie wunderbar ist es, wenn man ein Körnchensieht, Daß durch den Nahrungssaft sich auseinander schliesset, Jn einem schlanken Halm durch seinen Boden zieht, Und in der Aehren-Kopf zu vielen Körnern spriesset! Muß man die weise Macht nicht daran sichtbahr sehn, Wenn man nur aufmerksam dies alles überdenket? Muß man nicht Ehrfurchtsvoll und überzeugt ge- stehn, Daß GOtt uns nur allein der Felder Frucht ge- schenket? Die ewge Gütigkeit, die das was lebt, ernährt, Die überschüttet uns mit Seegensreichen Halmen, Drum Menschen danket dem, der euch dies hat be- schert, Mit Herzen und mit Mund, preißt ihn mit Lob und Psalmen. Allein so sichtbahrlich das Seegensreiche Feld Den Brunnen alles Guts den Schöpfer abgedrük- ket; So deutlich er darauf sein Daseyn vorgestellt; So wird er dennoch nicht wie sichs gebührt, erblik- ket. Man sieht gemeiniglich die Feldfrucht darum an, Ob ihre Körner schon in denen Aehren reiffen: Und ist dies erst geschehn; so geht der Akkersman Die fette Halmenfrucht in Mandeln aufzuhäuffen. Er denkt, daß komme her von seinem sauren Schweis Den er beim Akkerbau, bei vieler Müh vergos- sen: Die Halmen wären nur von seinem regen Fleis, Und
Die unerkandte Wollthat GOttes. Wie wunderbar iſt es, wenn man ein Koͤrnchenſieht, Daß durch den Nahrungsſaft ſich auseinander ſchlieſſet, Jn einem ſchlanken Halm durch ſeinen Boden zieht, Und in der Aehren-Kopf zu vielen Koͤrnern ſprieſſet! Muß man die weiſe Macht nicht daran ſichtbahr ſehn, Wenn man nur aufmerkſam dies alles uͤberdenket? Muß man nicht Ehrfurchtsvoll und uͤberzeugt ge- ſtehn, Daß GOtt uns nur allein der Felder Frucht ge- ſchenket? Die ewge Guͤtigkeit, die das was lebt, ernaͤhrt, Die uͤberſchuͤttet uns mit Seegensreichen Halmen, Drum Menſchen danket dem, der euch dies hat be- ſchert, Mit Herzen und mit Mund, preißt ihn mit Lob und Pſalmen. Allein ſo ſichtbahrlich das Seegensreiche Feld Den Brunnen alles Guts den Schoͤpfer abgedruͤk- ket; So deutlich er darauf ſein Daſeyn vorgeſtellt; So wird er dennoch nicht wie ſichs gebuͤhrt, erblik- ket. Man ſieht gemeiniglich die Feldfrucht darum an, Ob ihre Koͤrner ſchon in denen Aehren reiffen: Und iſt dies erſt geſchehn; ſo geht der Akkersman Die fette Halmenfrucht in Mandeln aufzuhaͤuffen. Er denkt, daß komme her von ſeinem ſauren Schweis Den er beim Akkerbau, bei vieler Muͤh vergoſ- ſen: Die Halmen waͤren nur von ſeinem regen Fleis, Und
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0272" n="260"/> <fw place="top" type="header">Die unerkandte Wollthat GOttes.</fw><lb/> <l>Wie wunderbar iſt es, wenn man ein Koͤrnchen<lb/><hi rendition="#et">ſieht,</hi></l><lb/> <l>Daß durch den Nahrungsſaft ſich auseinander<lb/><hi rendition="#et">ſchlieſſet,</hi></l><lb/> <l>Jn einem ſchlanken Halm durch ſeinen Boden zieht,</l><lb/> <l>Und in der Aehren-Kopf zu vielen Koͤrnern ſprieſſet!</l><lb/> <l>Muß man die weiſe Macht nicht daran ſichtbahr<lb/><hi rendition="#et">ſehn,</hi></l><lb/> <l>Wenn man nur aufmerkſam dies alles uͤberdenket?</l><lb/> <l>Muß man nicht Ehrfurchtsvoll und uͤberzeugt ge-<lb/><hi rendition="#et">ſtehn,</hi></l><lb/> <l>Daß <hi rendition="#fr">GOtt</hi> uns nur allein der Felder Frucht ge-<lb/><hi rendition="#et">ſchenket?</hi></l><lb/> <l>Die ewge Guͤtigkeit, die das was lebt, ernaͤhrt,</l><lb/> <l>Die uͤberſchuͤttet uns mit Seegensreichen Halmen,</l><lb/> <l>Drum Menſchen danket dem, der euch dies hat be-<lb/><hi rendition="#et">ſchert,</hi></l><lb/> <l>Mit Herzen und mit Mund, preißt ihn mit Lob und<lb/><hi rendition="#et">Pſalmen.</hi></l><lb/> <l>Allein ſo ſichtbahrlich das Seegensreiche Feld</l><lb/> <l>Den Brunnen alles Guts den Schoͤpfer abgedruͤk-<lb/><hi rendition="#et">ket;</hi></l><lb/> <l>So deutlich er darauf ſein Daſeyn vorgeſtellt;</l><lb/> <l>So wird er dennoch nicht wie ſichs gebuͤhrt, erblik-<lb/><hi rendition="#et">ket.</hi></l><lb/> <l>Man ſieht gemeiniglich die Feldfrucht darum an,</l><lb/> <l>Ob ihre Koͤrner ſchon in denen Aehren reiffen:</l><lb/> <l>Und iſt dies erſt geſchehn; ſo geht der Akkersman</l><lb/> <l>Die fette Halmenfrucht in Mandeln aufzuhaͤuffen.</l><lb/> <l>Er denkt, daß komme her von ſeinem ſauren<lb/><hi rendition="#et">Schweis</hi></l><lb/> <l>Den er beim Akkerbau, bei vieler Muͤh vergoſ-<lb/><hi rendition="#et">ſen:</hi></l><lb/> <l>Die Halmen waͤren nur von ſeinem regen Fleis,</l><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Und</fw><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [260/0272]
Die unerkandte Wollthat GOttes.
Wie wunderbar iſt es, wenn man ein Koͤrnchen
ſieht,
Daß durch den Nahrungsſaft ſich auseinander
ſchlieſſet,
Jn einem ſchlanken Halm durch ſeinen Boden zieht,
Und in der Aehren-Kopf zu vielen Koͤrnern ſprieſſet!
Muß man die weiſe Macht nicht daran ſichtbahr
ſehn,
Wenn man nur aufmerkſam dies alles uͤberdenket?
Muß man nicht Ehrfurchtsvoll und uͤberzeugt ge-
ſtehn,
Daß GOtt uns nur allein der Felder Frucht ge-
ſchenket?
Die ewge Guͤtigkeit, die das was lebt, ernaͤhrt,
Die uͤberſchuͤttet uns mit Seegensreichen Halmen,
Drum Menſchen danket dem, der euch dies hat be-
ſchert,
Mit Herzen und mit Mund, preißt ihn mit Lob und
Pſalmen.
Allein ſo ſichtbahrlich das Seegensreiche Feld
Den Brunnen alles Guts den Schoͤpfer abgedruͤk-
ket;
So deutlich er darauf ſein Daſeyn vorgeſtellt;
So wird er dennoch nicht wie ſichs gebuͤhrt, erblik-
ket.
Man ſieht gemeiniglich die Feldfrucht darum an,
Ob ihre Koͤrner ſchon in denen Aehren reiffen:
Und iſt dies erſt geſchehn; ſo geht der Akkersman
Die fette Halmenfrucht in Mandeln aufzuhaͤuffen.
Er denkt, daß komme her von ſeinem ſauren
Schweis
Den er beim Akkerbau, bei vieler Muͤh vergoſ-
ſen:
Die Halmen waͤren nur von ſeinem regen Fleis,
Und
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |