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Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 2. Hildesheim, 1747.

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Die künstliche Spinne
Die Menschen sind oft selbst den Spinnen würklich
gleich,

Jhr Thun ist eitles Nichts; ob es an Kunst schon
reich:

Man seh Gelehrte an, ihr fleißiges Bestreben,
Bringt öfters nichts hervor als schöne Spinneweben,
Wenn sie bey Tag und Nacht durch forschendes
Bemühn

Aus ihren feuchten Hirn, so zarte Grillen ziehn,
Die keiner nutzen kan, da sie doch ängstlich kreißen,
Bei einer Misgeburth, die leichtlich zu zerreissen.
Diejenigen die nichts als Torheit ausgedacht,
Und sich darüber doch so viele Müh gemacht,
Sind denen Spinnen gleich, die schön doch nichts
gesponnen:

So kommen mir die vor, die Lehren ausgesonnen,
Die weiter zu nichts nuz, als daß man sie vergißt,
Wenn man aus Neubegier, ihr leeres Räthsel ließt.
Die Spinne macht Geweb, die Mükken zu bestrik-
ken,

Da sie mit ihrer List die Einfalt auch berükken.
So machen es die auch, die mit Spizfindigkeit,
Als Spötter voller Gift Lehrsäzze ausgestreut,
Die durch die falsche Kunst des aufgeblähten Wissen,
Durch blendende Vernunft und durch verwirrtes
Schliessen,

Die Einfalt oft bethörn. Die so die Welt verführn,
Und sich mit einem Lob der starken Geister ziern,
Die rühmen ihre Kunst und des Verstandes Gaben,
Die sie vor anderen von GOtt empfangen haben.
Sie sagen: wer darf sich, wie wir woll unterstehn,
Ein solches Lehr-Gebäu so künstlich auszusehn?
Die GOttes-Lehrer seyn, das sind nur dumme Köpfe:
Wir aber sind allein recht wizzige Geschöpfe.
Jhr
Die kuͤnſtliche Spinne
Die Menſchen ſind oft ſelbſt den Spinnen wuͤrklich
gleich,

Jhr Thun iſt eitles Nichts; ob es an Kunſt ſchon
reich:

Man ſeh Gelehrte an, ihr fleißiges Beſtreben,
Bringt oͤfters nichts hervor als ſchoͤne Spinneweben,
Wenn ſie bey Tag und Nacht durch forſchendes
Bemuͤhn

Aus ihren feuchten Hirn, ſo zarte Grillen ziehn,
Die keiner nutzen kan, da ſie doch aͤngſtlich kreißen,
Bei einer Misgeburth, die leichtlich zu zerreiſſen.
Diejenigen die nichts als Torheit ausgedacht,
Und ſich daruͤber doch ſo viele Muͤh gemacht,
Sind denen Spinnen gleich, die ſchoͤn doch nichts
geſponnen:

So kommen mir die vor, die Lehren ausgeſonnen,
Die weiter zu nichts nuz, als daß man ſie vergißt,
Wenn man aus Neubegier, ihr leeres Raͤthſel ließt.
Die Spinne macht Geweb, die Muͤkken zu beſtrik-
ken,

Da ſie mit ihrer Liſt die Einfalt auch beruͤkken.
So machen es die auch, die mit Spizfindigkeit,
Als Spoͤtter voller Gift Lehrſaͤzze ausgeſtreut,
Die durch die falſche Kunſt des aufgeblaͤhten Wiſſen,
Durch blendende Vernunft und durch verwirrtes
Schlieſſen,

Die Einfalt oft bethoͤrn. Die ſo die Welt verfuͤhrn,
Und ſich mit einem Lob der ſtarken Geiſter ziern,
Die ruͤhmen ihre Kunſt und des Verſtandes Gaben,
Die ſie vor anderen von GOtt empfangen haben.
Sie ſagen: wer darf ſich, wie wir woll unterſtehn,
Ein ſolches Lehr-Gebaͤu ſo kuͤnſtlich auszuſehn?
Die GOttes-Lehrer ſeyn, das ſind nur dumme Koͤpfe:
Wir aber ſind allein recht wizzige Geſchoͤpfe.
Jhr
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[144/0156] Die kuͤnſtliche Spinne Die Menſchen ſind oft ſelbſt den Spinnen wuͤrklich gleich, Jhr Thun iſt eitles Nichts; ob es an Kunſt ſchon reich: Man ſeh Gelehrte an, ihr fleißiges Beſtreben, Bringt oͤfters nichts hervor als ſchoͤne Spinneweben, Wenn ſie bey Tag und Nacht durch forſchendes Bemuͤhn Aus ihren feuchten Hirn, ſo zarte Grillen ziehn, Die keiner nutzen kan, da ſie doch aͤngſtlich kreißen, Bei einer Misgeburth, die leichtlich zu zerreiſſen. Diejenigen die nichts als Torheit ausgedacht, Und ſich daruͤber doch ſo viele Muͤh gemacht, Sind denen Spinnen gleich, die ſchoͤn doch nichts geſponnen: So kommen mir die vor, die Lehren ausgeſonnen, Die weiter zu nichts nuz, als daß man ſie vergißt, Wenn man aus Neubegier, ihr leeres Raͤthſel ließt. Die Spinne macht Geweb, die Muͤkken zu beſtrik- ken, Da ſie mit ihrer Liſt die Einfalt auch beruͤkken. So machen es die auch, die mit Spizfindigkeit, Als Spoͤtter voller Gift Lehrſaͤzze ausgeſtreut, Die durch die falſche Kunſt des aufgeblaͤhten Wiſſen, Durch blendende Vernunft und durch verwirrtes Schlieſſen, Die Einfalt oft bethoͤrn. Die ſo die Welt verfuͤhrn, Und ſich mit einem Lob der ſtarken Geiſter ziern, Die ruͤhmen ihre Kunſt und des Verſtandes Gaben, Die ſie vor anderen von GOtt empfangen haben. Sie ſagen: wer darf ſich, wie wir woll unterſtehn, Ein ſolches Lehr-Gebaͤu ſo kuͤnſtlich auszuſehn? Die GOttes-Lehrer ſeyn, das ſind nur dumme Koͤpfe: Wir aber ſind allein recht wizzige Geſchoͤpfe. Jhr

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Zitationshilfe: Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 2. Hildesheim, 1747, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen02_1747/156>, abgerufen am 22.11.2024.