Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 2. Hildesheim, 1747.Die künstliche Spinne So werden wir vielleicht, dieselben höher achten,Als sonsten nicht geschieht. Sie hat noch überdem Zwei Füsse, die zwar nicht zum Gehen sind bequem, Doch ebenfals sehr nüz, damit greift sie im Streite, Den Feind im Grimme an, damit faßt sie die Beute, Wornach sie hungrig ist, und sie so gierig sucht, Wornach sie eifrig strebt, wenn sie auf ihrer Flucht, Die sie im Raub erjagt, wenn es ihr ist geglükket, Daß sie in ihren Garn ein andres Thier bestrikket. So künstlich als dies Thier durch eine weise Macht, Nach seinen Zwek gelenkt, und gut herfürgebracht; So künstlich ist der Trieb, den wir an Spinnen finden, Auch sich ein dünn Geweb, das schön geformmt, zu winden. Wenn man ein Spinngeweb, mit Achtsamkeit an- sieht, Wie seine Fädgens gehn, wie es sich dreht und zieht, So sieht man eine Kunst, die warlich sonder glei- chen, Und Menschen Hände nicht an Zärtlichkeit erreichen. Wer dieses überdenkt, daß ein so dummes Thier, Ein Regelmäßiges Gespinste bring herfür, Der muß Verwundrungs-voll dabei gleich einge- stehen, Er habe, GOttes Macht und Weisheit dran ersehen. Auf lasset uns mit Lust, darauf die Augen kehrn, Wie sie die Faden dreh, zum Ruhm des Schöpfers hörn. Wir wissen daß das Garn, was sie aus sich herspin- nen, Maß aus dem Bauche gehn, und daraus gleichsam rinnen. Man
Die kuͤnſtliche Spinne So werden wir vielleicht, dieſelben hoͤher achten,Als ſonſten nicht geſchieht. Sie hat noch uͤberdem Zwei Fuͤſſe, die zwar nicht zum Gehen ſind bequem, Doch ebenfals ſehr nuͤz, damit greift ſie im Streite, Den Feind im Grimme an, damit faßt ſie die Beute, Wornach ſie hungrig iſt, und ſie ſo gierig ſucht, Wornach ſie eifrig ſtrebt, wenn ſie auf ihrer Flucht, Die ſie im Raub erjagt, wenn es ihr iſt gegluͤkket, Daß ſie in ihren Garn ein andres Thier beſtrikket. So kuͤnſtlich als dies Thier durch eine weiſe Macht, Nach ſeinen Zwek gelenkt, und gut herfuͤrgebracht; So kuͤnſtlich iſt der Trieb, den wir an Spinnen finden, Auch ſich ein duͤnn Geweb, das ſchoͤn geformmt, zu winden. Wenn man ein Spinngeweb, mit Achtſamkeit an- ſieht, Wie ſeine Faͤdgens gehn, wie es ſich dreht und zieht, So ſieht man eine Kunſt, die warlich ſonder glei- chen, Und Menſchen Haͤnde nicht an Zaͤrtlichkeit erreichen. Wer dieſes uͤberdenkt, daß ein ſo dummes Thier, Ein Regelmaͤßiges Geſpinſte bring herfuͤr, Der muß Verwundrungs-voll dabei gleich einge- ſtehen, Er habe, GOttes Macht und Weisheit dran erſehen. Auf laſſet uns mit Luſt, darauf die Augen kehrn, Wie ſie die Faden dreh, zum Ruhm des Schoͤpfers hoͤrn. Wir wiſſen daß das Garn, was ſie aus ſich herſpin- nen, Maß aus dem Bauche gehn, und daraus gleichſam rinnen. Man
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Die kuͤnſtliche Spinne
So werden wir vielleicht, dieſelben hoͤher achten,
Als ſonſten nicht geſchieht. Sie hat noch uͤberdem
Zwei Fuͤſſe, die zwar nicht zum Gehen ſind bequem,
Doch ebenfals ſehr nuͤz, damit greift ſie im Streite,
Den Feind im Grimme an, damit faßt ſie die
Beute,
Wornach ſie hungrig iſt, und ſie ſo gierig ſucht,
Wornach ſie eifrig ſtrebt, wenn ſie auf ihrer Flucht,
Die ſie im Raub erjagt, wenn es ihr iſt gegluͤkket,
Daß ſie in ihren Garn ein andres Thier beſtrikket.
So kuͤnſtlich als dies Thier durch eine weiſe Macht,
Nach ſeinen Zwek gelenkt, und gut herfuͤrgebracht;
So kuͤnſtlich iſt der Trieb, den wir an Spinnen
finden,
Auch ſich ein duͤnn Geweb, das ſchoͤn geformmt,
zu winden.
Wenn man ein Spinngeweb, mit Achtſamkeit an-
ſieht,
Wie ſeine Faͤdgens gehn, wie es ſich dreht und
zieht,
So ſieht man eine Kunſt, die warlich ſonder glei-
chen,
Und Menſchen Haͤnde nicht an Zaͤrtlichkeit erreichen.
Wer dieſes uͤberdenkt, daß ein ſo dummes Thier,
Ein Regelmaͤßiges Geſpinſte bring herfuͤr,
Der muß Verwundrungs-voll dabei gleich einge-
ſtehen,
Er habe, GOttes Macht und Weisheit dran erſehen.
Auf laſſet uns mit Luſt, darauf die Augen kehrn,
Wie ſie die Faden dreh, zum Ruhm des Schoͤpfers
hoͤrn.
Wir wiſſen daß das Garn, was ſie aus ſich herſpin-
nen,
Maß aus dem Bauche gehn, und daraus gleichſam
rinnen.
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