Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 1. Hildesheim, 1747.Die künstlichen Laubblätter. Alsdenn kann man klärlich sehn, wie der Stiel mitseinen Zweigen, Uns die Aeste eines Baums in sehr kleinen Abris zeigen. Dieser Stiel ist ein Canal; und ein jedes Aederlein, Das ein zartes Spinn-Geweb und fast unbegreiflich fein, Jst doch einer Röhre gleich dadurch Nahrungssäfte fliessen, Die sich nachher in die Frucht zu den fernern Wachs- thum giessen. Andre Adern sind dazu daß dadurch der Nahrungs- saft, Der dem Früchten nicht recht dient wiederum wird weggeschaft. Welche Weisheit, welche Macht, zeigt sich, wenn man es bedenket Die durch ein so kleines Blat so viel Röhren hat ge- lenket, Die den Stiel durchs ganze Blat ausgespant und fest gestellt, Und dadurch die Ausdehnung aller Fäserchen erhält. Damit jedes Blat ein Schirm der den Früchten herr- lich nüzzet, Wenn es sie vor Sonnen Brand und vor faulen Naß beschüzzet. Wenn die Dürre alles welkt und den Saft der Frucht verzehrt, So erhält sie doch das Laub, das dieselbe dekt und nährt Durch die feuchte Abend-Luft durch den Thau im frü- hen Morgen, Denn es reichlich in sich saugt seine Frucht doch zu versorgen. Lie-
Die kuͤnſtlichen Laubblaͤtter. Alsdenn kann man klaͤrlich ſehn, wie der Stiel mitſeinen Zweigen, Uns die Aeſte eines Baums in ſehr kleinen Abris zeigen. Dieſer Stiel iſt ein Canal; und ein jedes Aederlein, Das ein zartes Spinn-Geweb und faſt unbegreiflich fein, Jſt doch einer Roͤhre gleich dadurch Nahrungsſaͤfte flieſſen, Die ſich nachher in die Frucht zu den fernern Wachs- thum gieſſen. Andre Adern ſind dazu daß dadurch der Nahrungs- ſaft, Der dem Fruͤchten nicht recht dient wiederum wird weggeſchaft. Welche Weisheit, welche Macht, zeigt ſich, wenn man es bedenket Die durch ein ſo kleines Blat ſo viel Roͤhren hat ge- lenket, Die den Stiel durchs ganze Blat ausgeſpant und feſt geſtellt, Und dadurch die Ausdehnung aller Faͤſerchen erhaͤlt. Damit jedes Blat ein Schirm der den Fruͤchten herr- lich nuͤzzet, Wenn es ſie vor Sonnen Brand und vor faulen Naß beſchuͤzzet. Wenn die Duͤrre alles welkt und den Saft der Frucht verzehrt, So erhaͤlt ſie doch das Laub, das dieſelbe dekt und naͤhrt Durch die feuchte Abend-Luft durch den Thau im fruͤ- hen Morgen, Denn es reichlich in ſich ſaugt ſeine Frucht doch zu verſorgen. Lie-
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Die kuͤnſtlichen Laubblaͤtter.
Alsdenn kann man klaͤrlich ſehn, wie der Stiel mit
ſeinen Zweigen,
Uns die Aeſte eines Baums in ſehr kleinen Abris
zeigen.
Dieſer Stiel iſt ein Canal; und ein jedes Aederlein,
Das ein zartes Spinn-Geweb und faſt unbegreiflich
fein,
Jſt doch einer Roͤhre gleich dadurch Nahrungsſaͤfte
flieſſen,
Die ſich nachher in die Frucht zu den fernern Wachs-
thum gieſſen.
Andre Adern ſind dazu daß dadurch der Nahrungs-
ſaft,
Der dem Fruͤchten nicht recht dient wiederum wird
weggeſchaft.
Welche Weisheit, welche Macht, zeigt ſich, wenn
man es bedenket
Die durch ein ſo kleines Blat ſo viel Roͤhren hat ge-
lenket,
Die den Stiel durchs ganze Blat ausgeſpant und feſt
geſtellt,
Und dadurch die Ausdehnung aller Faͤſerchen erhaͤlt.
Damit jedes Blat ein Schirm der den Fruͤchten herr-
lich nuͤzzet,
Wenn es ſie vor Sonnen Brand und vor faulen
Naß beſchuͤzzet.
Wenn die Duͤrre alles welkt und den Saft der Frucht
verzehrt,
So erhaͤlt ſie doch das Laub, das dieſelbe dekt und
naͤhrt
Durch die feuchte Abend-Luft durch den Thau im fruͤ-
hen Morgen,
Denn es reichlich in ſich ſaugt ſeine Frucht doch zu
verſorgen.
Lie-
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