Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 1. Hildesheim, 1747.eines Kirschbaums. Wie jeder der ins Grüne schaut, aus eigener Er-fahrung merket. Als ich dies grüne Laubwerk sah, der Hofnung ste- te Liverei, Dacht ich daß nun allmählig auch, die Kirschen Zeit zu hoffen sei; Der Ansaz kam auch schon hervor, der unter Blät- tern schön verstekket, Und vor der rauhen Frühlings Luft, als wie mit einem Schirm bedekket. Und da bekam der Kirschen Baum, auch wieder ei- nen neuen Glanz Die wollgeformte grüne Frucht, die schmükte seines Gipfels Kranz, Mit hangenden Smaragden aus, die von der Son- nenstrahl berühret, Ein achtsam Auge recht vergnügt, das Herz zu ih- ren Schöpfer führet. Wie wunderbarlich scheint es nicht, das diese zar- ten Kügelein Jn ihren Wachsthum sich vermehrn, und Früchte harter Zweige sein? Wie sich ihr zarter Nahrungs Saft, so reichlich durch die Reiser seiget, Und durch den Trieb stets weiter dringt, bis zu der Stiele Röhren steiget, Und endlich in die Beer ergiest. Wer kan dies al- les übersehn, Und nicht durch regen Andachts Trieb, des Schöp- fers Wunderwerk erhöhn? Wenn diese Kirschen ihre Größ, durch himmlisches Gedein erlanget, So sieht man die Veränderung, da jede wieder an- ders pranget. Nach- Q 5
eines Kirſchbaums. Wie jeder der ins Gruͤne ſchaut, aus eigener Er-fahrung merket. Als ich dies gruͤne Laubwerk ſah, der Hofnung ſte- te Liverei, Dacht ich daß nun allmaͤhlig auch, die Kirſchen Zeit zu hoffen ſei; Der Anſaz kam auch ſchon hervor, der unter Blaͤt- tern ſchoͤn verſtekket, Und vor der rauhen Fruͤhlings Luft, als wie mit einem Schirm bedekket. Und da bekam der Kirſchen Baum, auch wieder ei- nen neuen Glanz Die wollgeformte gruͤne Frucht, die ſchmuͤkte ſeines Gipfels Kranz, Mit hangenden Smaragden aus, die von der Son- nenſtrahl beruͤhret, Ein achtſam Auge recht vergnuͤgt, das Herz zu ih- ren Schoͤpfer fuͤhret. Wie wunderbarlich ſcheint es nicht, das dieſe zar- ten Kuͤgelein Jn ihren Wachsthum ſich vermehrn, und Fruͤchte harter Zweige ſein? Wie ſich ihr zarter Nahrungs Saft, ſo reichlich durch die Reiſer ſeiget, Und durch den Trieb ſtets weiter dringt, bis zu der Stiele Roͤhren ſteiget, Und endlich in die Beer ergieſt. Wer kan dies al- les uͤberſehn, Und nicht durch regen Andachts Trieb, des Schoͤp- fers Wunderwerk erhoͤhn? Wenn dieſe Kirſchen ihre Groͤß, durch himmliſches Gedein erlanget, So ſieht man die Veraͤnderung, da jede wieder an- ders pranget. Nach- Q 5
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eines Kirſchbaums.
Wie jeder der ins Gruͤne ſchaut, aus eigener Er-
fahrung merket.
Als ich dies gruͤne Laubwerk ſah, der Hofnung ſte-
te Liverei,
Dacht ich daß nun allmaͤhlig auch, die Kirſchen Zeit
zu hoffen ſei;
Der Anſaz kam auch ſchon hervor, der unter Blaͤt-
tern ſchoͤn verſtekket,
Und vor der rauhen Fruͤhlings Luft, als wie mit
einem Schirm bedekket.
Und da bekam der Kirſchen Baum, auch wieder ei-
nen neuen Glanz
Die wollgeformte gruͤne Frucht, die ſchmuͤkte ſeines
Gipfels Kranz,
Mit hangenden Smaragden aus, die von der Son-
nenſtrahl beruͤhret,
Ein achtſam Auge recht vergnuͤgt, das Herz zu ih-
ren Schoͤpfer fuͤhret.
Wie wunderbarlich ſcheint es nicht, das dieſe zar-
ten Kuͤgelein
Jn ihren Wachsthum ſich vermehrn, und Fruͤchte
harter Zweige ſein?
Wie ſich ihr zarter Nahrungs Saft, ſo reichlich
durch die Reiſer ſeiget,
Und durch den Trieb ſtets weiter dringt, bis zu der
Stiele Roͤhren ſteiget,
Und endlich in die Beer ergieſt. Wer kan dies al-
les uͤberſehn,
Und nicht durch regen Andachts Trieb, des Schoͤp-
fers Wunderwerk erhoͤhn?
Wenn dieſe Kirſchen ihre Groͤß, durch himmliſches
Gedein erlanget,
So ſieht man die Veraͤnderung, da jede wieder an-
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