Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 1. Hildesheim, 1747.

Bild:
<< vorherige Seite
Die schöne Nelkenflor.
Die ein solches Mannigfalt wollgerathner Zeichnungs
Künste,
Durch die bildende Natur bringet auf ein Blat Ge-
spinste
Und wie unbegreiflich ist diese grosse Wundermacht,
Die aus kleinen Saamen Korn diese Florn herfür
gebracht,
Welche sich im andern Jahr aus den abgelegten
Zweigen,
Jn veränderter Gestalt neu gesprengter Blätter zei-
gen:
Und so geht es immer fort auch in einem dritten Jahr,
Stellet diese Nelkenflor ein verneutes Schauspiel dar,
Da sich ihrer Farben Pracht, durch des Schöpfers
weises Walten
Bald verschönert, bald verkehrt in noch andere Ge-
stalten.
Wenn ich dieses alles seh, wie im Reiche der Natur
Es so wundernswürdig geht; wie so schön die Kreatur,
So betrübet sich mein Geist, daß man GOtt so we-
nig rühmet;
Ja! fast gar nicht sieht noch merkt, der der Gar-
ten Grund beblümet.
Ach! wie unempfindlich ist vieler Menschen eitler
Sinn
Der nach den Geschöpfen gaft und sieht übern Schöp-
fer hin,
Und wie muß nicht manche Flor von dem allerschön-
sten Nelken,
Da man nicht an GOtt gedenkt, wie man billig
soll, verwelken!
Jedermann gestehet zwar, daß dieselben wunderschön
Wenn sie auf den schlanken Stamm in gezierter Rün-
de stehn;
Man
Die ſchoͤne Nelkenflor.
Die ein ſolches Mannigfalt wollgerathner Zeichnungs
Kuͤnſte,
Durch die bildende Natur bringet auf ein Blat Ge-
ſpinſte
Und wie unbegreiflich iſt dieſe groſſe Wundermacht,
Die aus kleinen Saamen Korn dieſe Florn herfuͤr
gebracht,
Welche ſich im andern Jahr aus den abgelegten
Zweigen,
Jn veraͤnderter Geſtalt neu geſprengter Blaͤtter zei-
gen:
Und ſo geht es immer fort auch in einem dritten Jahr,
Stellet dieſe Nelkenflor ein verneutes Schauſpiel dar,
Da ſich ihrer Farben Pracht, durch des Schoͤpfers
weiſes Walten
Bald verſchoͤnert, bald verkehrt in noch andere Ge-
ſtalten.
Wenn ich dieſes alles ſeh, wie im Reiche der Natur
Es ſo wundernswuͤrdig geht; wie ſo ſchoͤn die Kreatur,
So betruͤbet ſich mein Geiſt, daß man GOtt ſo we-
nig ruͤhmet;
Ja! faſt gar nicht ſieht noch merkt, der der Gar-
ten Grund bebluͤmet.
Ach! wie unempfindlich iſt vieler Menſchen eitler
Sinn
Der nach den Geſchoͤpfen gaft und ſieht uͤbern Schoͤp-
fer hin,
Und wie muß nicht manche Flor von dem allerſchoͤn-
ſten Nelken,
Da man nicht an GOtt gedenkt, wie man billig
ſoll, verwelken!
Jedermann geſtehet zwar, daß dieſelben wunderſchoͤn
Wenn ſie auf den ſchlanken Stamm in gezierter Ruͤn-
de ſtehn;
Man
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0110" n="95[94]"/>
          <fw place="top" type="header">Die &#x017F;cho&#x0364;ne Nelkenflor.</fw><lb/>
          <l>Die ein &#x017F;olches Mannigfalt wollgerathner Zeichnungs</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">Ku&#x0364;n&#x017F;te,</hi> </l><lb/>
          <l>Durch die bildende Natur bringet auf ein Blat Ge-</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">&#x017F;pin&#x017F;te</hi> </l><lb/>
          <l>Und wie unbegreiflich i&#x017F;t die&#x017F;e gro&#x017F;&#x017F;e Wundermacht,</l><lb/>
          <l>Die aus kleinen Saamen Korn die&#x017F;e Florn herfu&#x0364;r</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">gebracht,</hi> </l><lb/>
          <l>Welche &#x017F;ich im andern Jahr aus den abgelegten</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">Zweigen,</hi> </l><lb/>
          <l>Jn vera&#x0364;nderter Ge&#x017F;talt neu ge&#x017F;prengter Bla&#x0364;tter zei-</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">gen:</hi> </l><lb/>
          <l>Und &#x017F;o geht es immer fort auch in einem dritten Jahr,</l><lb/>
          <l>Stellet die&#x017F;e Nelkenflor ein verneutes Schau&#x017F;piel dar,</l><lb/>
          <l>Da &#x017F;ich ihrer Farben Pracht, durch des Scho&#x0364;pfers</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">wei&#x017F;es Walten</hi> </l><lb/>
          <l>Bald ver&#x017F;cho&#x0364;nert, bald verkehrt in noch andere Ge-</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">&#x017F;talten.</hi> </l><lb/>
          <l>Wenn ich die&#x017F;es alles &#x017F;eh, wie im Reiche der Natur</l><lb/>
          <l>Es &#x017F;o wundernswu&#x0364;rdig geht; wie &#x017F;o &#x017F;cho&#x0364;n die Kreatur,</l><lb/>
          <l>So betru&#x0364;bet &#x017F;ich mein Gei&#x017F;t, daß man <hi rendition="#fr">GOtt</hi> &#x017F;o we-</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">nig ru&#x0364;hmet;</hi> </l><lb/>
          <l>Ja! fa&#x017F;t gar nicht &#x017F;ieht noch merkt, der der Gar-</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">ten Grund beblu&#x0364;met.</hi> </l><lb/>
          <l>Ach! wie unempfindlich i&#x017F;t vieler Men&#x017F;chen eitler</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">Sinn</hi> </l><lb/>
          <l>Der nach den Ge&#x017F;cho&#x0364;pfen gaft und &#x017F;ieht u&#x0364;bern Scho&#x0364;p-</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">fer hin,</hi> </l><lb/>
          <l>Und wie muß nicht manche Flor von dem aller&#x017F;cho&#x0364;n-</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">&#x017F;ten Nelken,</hi> </l><lb/>
          <l>Da man nicht an <hi rendition="#fr">GOtt</hi> gedenkt, wie man billig</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">&#x017F;oll, verwelken!</hi> </l><lb/>
          <l>Jedermann ge&#x017F;tehet zwar, daß die&#x017F;elben wunder&#x017F;cho&#x0364;n</l><lb/>
          <l>Wenn &#x017F;ie auf den &#x017F;chlanken Stamm in gezierter Ru&#x0364;n-</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">de &#x017F;tehn;</hi> </l><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Man</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[95[94]/0110] Die ſchoͤne Nelkenflor. Die ein ſolches Mannigfalt wollgerathner Zeichnungs Kuͤnſte, Durch die bildende Natur bringet auf ein Blat Ge- ſpinſte Und wie unbegreiflich iſt dieſe groſſe Wundermacht, Die aus kleinen Saamen Korn dieſe Florn herfuͤr gebracht, Welche ſich im andern Jahr aus den abgelegten Zweigen, Jn veraͤnderter Geſtalt neu geſprengter Blaͤtter zei- gen: Und ſo geht es immer fort auch in einem dritten Jahr, Stellet dieſe Nelkenflor ein verneutes Schauſpiel dar, Da ſich ihrer Farben Pracht, durch des Schoͤpfers weiſes Walten Bald verſchoͤnert, bald verkehrt in noch andere Ge- ſtalten. Wenn ich dieſes alles ſeh, wie im Reiche der Natur Es ſo wundernswuͤrdig geht; wie ſo ſchoͤn die Kreatur, So betruͤbet ſich mein Geiſt, daß man GOtt ſo we- nig ruͤhmet; Ja! faſt gar nicht ſieht noch merkt, der der Gar- ten Grund bebluͤmet. Ach! wie unempfindlich iſt vieler Menſchen eitler Sinn Der nach den Geſchoͤpfen gaft und ſieht uͤbern Schoͤp- fer hin, Und wie muß nicht manche Flor von dem allerſchoͤn- ſten Nelken, Da man nicht an GOtt gedenkt, wie man billig ſoll, verwelken! Jedermann geſtehet zwar, daß dieſelben wunderſchoͤn Wenn ſie auf den ſchlanken Stamm in gezierter Ruͤn- de ſtehn; Man

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen01_1747
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen01_1747/110
Zitationshilfe: Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 1. Hildesheim, 1747, S. 95[94]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen01_1747/110>, abgerufen am 28.11.2024.