Reihe und der dadurch gewonnenen immer festeren Einprä- gung derselben habe ich demnach die Frage so gestellt: wenn gleichartige Reihen durch verschieden häufige Wieder- holungen verschieden fest eingeprägt und dann 24 Stunden später bis zur erstmöglichen Reproduktion auswendig gelernt werden, wie verhalten sich die hierbei hervortretenden Ar- beitsersparnisse zu einander und zu den jedesmal voran- gegangenen einprägenden Wiederholungen?
§ 23. Die Versuche und ihre Resultate.
Um über die eben formulierte Frage zu orientieren, habe ich 70 Doppelversuche, je mit sechs 16 silbigen Reihen, an- gestellt. Jeder Doppelversuch bestand darin, dass die ein- zelnen Reihen -- jede für sich -- erst eine bestimmte An- zahl von Malen aufmerksam gelesen (resp. nach häufig wieder- holtem Lesen auch auswendig hergesagt) wurden, und dass ich dann 24 Stunden später die so eingeprägten und halbwegs wieder vergessenen Reihen bis zur erstmöglichen Reproduktion auswendig lernte. Das erstmalige Lesen der Reihen geschah entweder 8 oder 16, 24, 32, 42, 53, 64 mal.
Eine Steigerung der einprägenden Wiederholungen über 64 hinaus erwies sich, wenigstens für sechs Reihen dieser Länge, als schwer thunlich. Denn bei dieser Zahl nimmt jeder Ver- such eine Dauer von etwa 3/4 Stunden in Anspruch und gegen das Ende dieser Zeit stellten sich manchmal Abspannung, Eingenommenheit des Kopfes u. s. w. ein, welche bei weiterer Steigerung die Versuchsumstände kompliciert hätten.
Die Versuche waren regelmässig auf die untersuchten sieben Anzahlen von Wiederholungen verteilt, sodass also auf jede derselben 10 Doppelversuche kommen. Die Resultate
Reihe und der dadurch gewonnenen immer festeren Einprä- gung derselben habe ich demnach die Frage so gestellt: wenn gleichartige Reihen durch verschieden häufige Wieder- holungen verschieden fest eingeprägt und dann 24 Stunden später bis zur erstmöglichen Reproduktion auswendig gelernt werden, wie verhalten sich die hierbei hervortretenden Ar- beitsersparnisse zu einander und zu den jedesmal voran- gegangenen einprägenden Wiederholungen?
§ 23. Die Versuche und ihre Resultate.
Um über die eben formulierte Frage zu orientieren, habe ich 70 Doppelversuche, je mit sechs 16 silbigen Reihen, an- gestellt. Jeder Doppelversuch bestand darin, daſs die ein- zelnen Reihen — jede für sich — erst eine bestimmte An- zahl von Malen aufmerksam gelesen (resp. nach häufig wieder- holtem Lesen auch auswendig hergesagt) wurden, und daſs ich dann 24 Stunden später die so eingeprägten und halbwegs wieder vergessenen Reihen bis zur erstmöglichen Reproduktion auswendig lernte. Das erstmalige Lesen der Reihen geschah entweder 8 oder 16, 24, 32, 42, 53, 64 mal.
Eine Steigerung der einprägenden Wiederholungen über 64 hinaus erwies sich, wenigstens für sechs Reihen dieser Länge, als schwer thunlich. Denn bei dieser Zahl nimmt jeder Ver- such eine Dauer von etwa ¾ Stunden in Anspruch und gegen das Ende dieser Zeit stellten sich manchmal Abspannung, Eingenommenheit des Kopfes u. s. w. ein, welche bei weiterer Steigerung die Versuchsumstände kompliciert hätten.
Die Versuche waren regelmäſsig auf die untersuchten sieben Anzahlen von Wiederholungen verteilt, sodaſs also auf jede derselben 10 Doppelversuche kommen. Die Resultate
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Reihe und der dadurch gewonnenen immer festeren Einprä-
gung derselben habe ich demnach die Frage so gestellt:
wenn gleichartige Reihen durch verschieden häufige Wieder-
holungen verschieden fest eingeprägt und dann 24 Stunden
später bis zur erstmöglichen Reproduktion auswendig gelernt
werden, wie verhalten sich die hierbei hervortretenden Ar-
beitsersparnisse zu einander und zu den jedesmal voran-
gegangenen einprägenden Wiederholungen?
§ 23.
Die Versuche und ihre Resultate.
Um über die eben formulierte Frage zu orientieren, habe
ich 70 Doppelversuche, je mit sechs 16 silbigen Reihen, an-
gestellt. Jeder Doppelversuch bestand darin, daſs die ein-
zelnen Reihen — jede für sich — erst eine bestimmte An-
zahl von Malen aufmerksam gelesen (resp. nach häufig wieder-
holtem Lesen auch auswendig hergesagt) wurden, und daſs ich
dann 24 Stunden später die so eingeprägten und halbwegs
wieder vergessenen Reihen bis zur erstmöglichen Reproduktion
auswendig lernte. Das erstmalige Lesen der Reihen geschah
entweder 8 oder 16, 24, 32, 42, 53, 64 mal.
Eine Steigerung der einprägenden Wiederholungen über 64
hinaus erwies sich, wenigstens für sechs Reihen dieser Länge,
als schwer thunlich. Denn bei dieser Zahl nimmt jeder Ver-
such eine Dauer von etwa ¾ Stunden in Anspruch und gegen
das Ende dieser Zeit stellten sich manchmal Abspannung,
Eingenommenheit des Kopfes u. s. w. ein, welche bei weiterer
Steigerung die Versuchsumstände kompliciert hätten.
Die Versuche waren regelmäſsig auf die untersuchten
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Ebbinghaus, Hermann: Über das Gedächtnis. Leipzig, 1885, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebbinghaus_gedaechtnis_1885/90>, abgerufen am 16.07.2024.
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