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Ebbinghaus, Hermann: Über das Gedächtnis. Leipzig, 1885.

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wird also mit erheblicher Wahrscheinlichkeit behaupten dürfen,
dass das durch jene Kurven dargestellte Abhängigkeitsverhält-
nis zwar nur individuell ist, aber für das eine Individuum,
an dem es gefunden wurde, über grössere Zeiten hinweg
konstant bleibt und deshalb für dieses charakteristische Be-
deutung besitzt.

§ 21.
Steigerung der Schnelligkeit des Lernens bei sinn-
vollem Material.

Um auf die Gleichförmigkeiten und Verschiedenheiten
zwischen sinnlosem und sinnvollem Material aufmerksam zu
werden, habe ich gelegentlich, wie schon erwähnt, Lernver-
suche mit Byrons Don Juan (mit dem englischen Original)
angestellt. Dieselben gehören insofern nicht eigentlich hierher,
als ich bei ihnen die Länge des jedesmal zusammengefassten
Quantums nicht variiert habe, sondern immer nur einzelne
Stanzen auswendig lernte. Indes die Angabe der hierzu er-
forderlich gewesenen Anzahl von Wiederholungen ist durch
ihren Kontrast mit den eben mitgeteilten Zahlen auch an und
für sich interessant.

In Betracht kommen nur 7 Versuche (1884), deren jeder
6 Stanzen umfasste. Wurden diese, jede für sich, bis zur
erstmöglichen Reproduktion gelernt, so waren für alle 6 zu-
sammen durchschnittlich 52 Wiederholungen (wm = +/- 0,6)
nötig. Für jede Stanze ergiebt das knapp 9, oder, nach
Abzug der Wiederholung für das Hersagen, knapp 8 Wieder-
holungen*. Erwägt man, dass jede Stanze 80 Silben umfasst,

* Zur richtigen Würdigung der Zahlen und zum richtigen Anschluss
an etwaige eigene Beobachtungen wolle man das S. 33, 1 Gesagte beachten.
Die Stanzen wurden, der Gleichförmigkeit des Verfahrens halber, immer

wird also mit erheblicher Wahrscheinlichkeit behaupten dürfen,
daſs das durch jene Kurven dargestellte Abhängigkeitsverhält-
nis zwar nur individuell ist, aber für das eine Individuum,
an dem es gefunden wurde, über gröſsere Zeiten hinweg
konstant bleibt und deshalb für dieses charakteristische Be-
deutung besitzt.

§ 21.
Steigerung der Schnelligkeit des Lernens bei sinn-
vollem Material.

Um auf die Gleichförmigkeiten und Verschiedenheiten
zwischen sinnlosem und sinnvollem Material aufmerksam zu
werden, habe ich gelegentlich, wie schon erwähnt, Lernver-
suche mit Byrons Don Juan (mit dem englischen Original)
angestellt. Dieselben gehören insofern nicht eigentlich hierher,
als ich bei ihnen die Länge des jedesmal zusammengefaſsten
Quantums nicht variiert habe, sondern immer nur einzelne
Stanzen auswendig lernte. Indes die Angabe der hierzu er-
forderlich gewesenen Anzahl von Wiederholungen ist durch
ihren Kontrast mit den eben mitgeteilten Zahlen auch an und
für sich interessant.

In Betracht kommen nur 7 Versuche (1884), deren jeder
6 Stanzen umfaſste. Wurden diese, jede für sich, bis zur
erstmöglichen Reproduktion gelernt, so waren für alle 6 zu-
sammen durchschnittlich 52 Wiederholungen (wm = ± 0,6)
nötig. Für jede Stanze ergiebt das knapp 9, oder, nach
Abzug der Wiederholung für das Hersagen, knapp 8 Wieder-
holungen*. Erwägt man, daſs jede Stanze 80 Silben umfaſst,

* Zur richtigen Würdigung der Zahlen und zum richtigen Anschluſs
an etwaige eigene Beobachtungen wolle man das S. 33, 1 Gesagte beachten.
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[68/0084] wird also mit erheblicher Wahrscheinlichkeit behaupten dürfen, daſs das durch jene Kurven dargestellte Abhängigkeitsverhält- nis zwar nur individuell ist, aber für das eine Individuum, an dem es gefunden wurde, über gröſsere Zeiten hinweg konstant bleibt und deshalb für dieses charakteristische Be- deutung besitzt. § 21. Steigerung der Schnelligkeit des Lernens bei sinn- vollem Material. Um auf die Gleichförmigkeiten und Verschiedenheiten zwischen sinnlosem und sinnvollem Material aufmerksam zu werden, habe ich gelegentlich, wie schon erwähnt, Lernver- suche mit Byrons Don Juan (mit dem englischen Original) angestellt. Dieselben gehören insofern nicht eigentlich hierher, als ich bei ihnen die Länge des jedesmal zusammengefaſsten Quantums nicht variiert habe, sondern immer nur einzelne Stanzen auswendig lernte. Indes die Angabe der hierzu er- forderlich gewesenen Anzahl von Wiederholungen ist durch ihren Kontrast mit den eben mitgeteilten Zahlen auch an und für sich interessant. In Betracht kommen nur 7 Versuche (1884), deren jeder 6 Stanzen umfaſste. Wurden diese, jede für sich, bis zur erstmöglichen Reproduktion gelernt, so waren für alle 6 zu- sammen durchschnittlich 52 Wiederholungen (wm = ± 0,6) nötig. Für jede Stanze ergiebt das knapp 9, oder, nach Abzug der Wiederholung für das Hersagen, knapp 8 Wieder- holungen *. Erwägt man, daſs jede Stanze 80 Silben umfaſst, * Zur richtigen Würdigung der Zahlen und zum richtigen Anschluſs an etwaige eigene Beobachtungen wolle man das S. 33, 1 Gesagte beachten. Die Stanzen wurden, der Gleichförmigkeit des Verfahrens halber, immer

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Zitationshilfe: Ebbinghaus, Hermann: Über das Gedächtnis. Leipzig, 1885, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebbinghaus_gedaechtnis_1885/84>, abgerufen am 22.11.2024.