Wenn wir aber nun in solcher Weise die uns erreichbare grösstmögliche Konstanz der Umstände verwirklicht haben, woran wollen wir erkennen, ob dieselbe für unsere Zwecke praktisch hinreicht? Wann sind die Umstände, die ja doch der schärferen Betrachtung immer noch genug Verschieden- heiten darbieten werden, genügend konstant? Man wird antworten: dann, wenn bei Wiederholung der Untersuchungen die Resultate konstant bleiben. Dies letztere scheint einfach genug zu sein, um sich unmittelbar und von selbst zu er- kennen zu geben. Aber der Sache näher tretend stösst man doch auf eine Schwierigkeit.
§ 7. Konstante Durchschnittszahlen.
Wann sollen die unter möglichst gleichen Umständen aus wiederholten Untersuchungen gewonnenen Resultate als kon- stant oder als genügend konstant gelten? Wenn eines den- selben Wert hat wie das andere, oder doch so wenig davon abweicht, dass die Differenz im Verhältnis zu seiner eigenen Grösse und zu unseren Zwecken nicht in Betracht kommt?
Offenbar nicht. Das wäre zu viel verlangt und wird auch von den Naturwissenschaften nicht überall geleistet. Also wohl dann, wenn die Durchschnittszahlen aus grösseren Grup- pen von Versuchen jenes Verhalten zeigen?
Offenbar auch nicht. Das wäre zu wenig verlangt. Denn wenn Beobachtungen von Vorgängen, die nur unter irgend einem Gesichtspunkt eine Ähnlichkeit zeigen, in genügend grosser Zahl zusammengeworfen werden, so kommt man fast überall zu leidlich konstanten Durchschnittszahlen, die doch für solche weiteren Zwecke, wie wir sie hier im Auge haben, keine oder nur geringe Bedeutung besitzen. Die genaue Ent-
Ebbinghaus, Über das Gedächtnis. 2
Wenn wir aber nun in solcher Weise die uns erreichbare gröſstmögliche Konstanz der Umstände verwirklicht haben, woran wollen wir erkennen, ob dieselbe für unsere Zwecke praktisch hinreicht? Wann sind die Umstände, die ja doch der schärferen Betrachtung immer noch genug Verschieden- heiten darbieten werden, genügend konstant? Man wird antworten: dann, wenn bei Wiederholung der Untersuchungen die Resultate konstant bleiben. Dies letztere scheint einfach genug zu sein, um sich unmittelbar und von selbst zu er- kennen zu geben. Aber der Sache näher tretend stöſst man doch auf eine Schwierigkeit.
§ 7. Konstante Durchschnittszahlen.
Wann sollen die unter möglichst gleichen Umständen aus wiederholten Untersuchungen gewonnenen Resultate als kon- stant oder als genügend konstant gelten? Wenn eines den- selben Wert hat wie das andere, oder doch so wenig davon abweicht, daſs die Differenz im Verhältnis zu seiner eigenen Gröſse und zu unseren Zwecken nicht in Betracht kommt?
Offenbar nicht. Das wäre zu viel verlangt und wird auch von den Naturwissenschaften nicht überall geleistet. Also wohl dann, wenn die Durchschnittszahlen aus gröſseren Grup- pen von Versuchen jenes Verhalten zeigen?
Offenbar auch nicht. Das wäre zu wenig verlangt. Denn wenn Beobachtungen von Vorgängen, die nur unter irgend einem Gesichtspunkt eine Ähnlichkeit zeigen, in genügend groſser Zahl zusammengeworfen werden, so kommt man fast überall zu leidlich konstanten Durchschnittszahlen, die doch für solche weiteren Zwecke, wie wir sie hier im Auge haben, keine oder nur geringe Bedeutung besitzen. Die genaue Ent-
Ebbinghaus, Über das Gedächtnis. 2
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Wenn wir aber nun in solcher Weise die uns erreichbare
gröſstmögliche Konstanz der Umstände verwirklicht haben,
woran wollen wir erkennen, ob dieselbe für unsere Zwecke
praktisch hinreicht? Wann sind die Umstände, die ja doch
der schärferen Betrachtung immer noch genug Verschieden-
heiten darbieten werden, genügend konstant? Man wird
antworten: dann, wenn bei Wiederholung der Untersuchungen
die Resultate konstant bleiben. Dies letztere scheint einfach
genug zu sein, um sich unmittelbar und von selbst zu er-
kennen zu geben. Aber der Sache näher tretend stöſst man
doch auf eine Schwierigkeit.
§ 7.
Konstante Durchschnittszahlen.
Wann sollen die unter möglichst gleichen Umständen aus
wiederholten Untersuchungen gewonnenen Resultate als kon-
stant oder als genügend konstant gelten? Wenn eines den-
selben Wert hat wie das andere, oder doch so wenig davon
abweicht, daſs die Differenz im Verhältnis zu seiner eigenen
Gröſse und zu unseren Zwecken nicht in Betracht kommt?
Offenbar nicht. Das wäre zu viel verlangt und wird auch
von den Naturwissenschaften nicht überall geleistet. Also
wohl dann, wenn die Durchschnittszahlen aus gröſseren Grup-
pen von Versuchen jenes Verhalten zeigen?
Offenbar auch nicht. Das wäre zu wenig verlangt. Denn
wenn Beobachtungen von Vorgängen, die nur unter irgend
einem Gesichtspunkt eine Ähnlichkeit zeigen, in genügend
groſser Zahl zusammengeworfen werden, so kommt man fast
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Ebbinghaus, Hermann: Über das Gedächtnis. Leipzig, 1885, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebbinghaus_gedaechtnis_1885/33>, abgerufen am 23.02.2025.
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