einer bis dahin ganz unbekannten Folge von Silben das Bewusstsein nur etwa 7 Glieder in einem Akte zu umspan- nen vermöge, dass aber bei häufigerer Wiederholung und all- mählichem Bekanntwerden der Reihe auch diese Capacität des Bewusstseins eine Steigerung erfahre, und dass z. B. eine Reihe von 16 Silben, die vollständig auswendig gewusst werde, auch in einem Akt des Bewusstseins gegenwärtig sei. Dann ist die "Erklärung" ohne Zwang wieder herstellbar; diejenigen, denen sie etwas wert war für die Association der Gleich- zeitigkeit und der unmittelbaren Folge, können sie ganz ebenso verwerten für unsere Associationen der mittelbaren Folge. Und bei den mässigen Ansprüchen, welche man in der Psychologie an Erklärungen zu stellen sich vielfach be- scheidet, wird sie zweifellos noch lange fortfahren, den Blick für die unbefangene Anerkennung eines der wunderbarsten Rätsel alles Geschehens als eines solchen zu trüben und dem Suchen nach seinem wahrhaften Verständnis hinderlich zu sein.
§ 40. Rückläufige Associationen.
Von den mannigfachen Fragen, welche sich an die bis- herigen Ergebnisse anschliessen, habe ich einstweilen nur wenige untersuchen können und auch diese nur mit einer geringen Zahl von Experimenten.
Durch häufige Wiederholung einer Reihe a b c d . . bilden sich gewisse Verknüpfungen ab, ac, ad, bd u. s. w. Die Vorstellung a bekommt gewisse, verschieden starke Ten- denzen, bei ihrem irgendwie veranlassten Wiedereintritt ins Bewusstsein auch die Vorstellungen b, c, d wieder zu be- wussten zu machen. Beruhen nun diese Verknüpfungen und Tendenzen auf Gegenseitigkeit? Das heisst, wenn einmal c
einer bis dahin ganz unbekannten Folge von Silben das Bewuſstsein nur etwa 7 Glieder in einem Akte zu umspan- nen vermöge, daſs aber bei häufigerer Wiederholung und all- mählichem Bekanntwerden der Reihe auch diese Capacität des Bewuſstseins eine Steigerung erfahre, und daſs z. B. eine Reihe von 16 Silben, die vollständig auswendig gewuſst werde, auch in einem Akt des Bewuſstseins gegenwärtig sei. Dann ist die „Erklärung“ ohne Zwang wieder herstellbar; diejenigen, denen sie etwas wert war für die Association der Gleich- zeitigkeit und der unmittelbaren Folge, können sie ganz ebenso verwerten für unsere Associationen der mittelbaren Folge. Und bei den mäſsigen Ansprüchen, welche man in der Psychologie an Erklärungen zu stellen sich vielfach be- scheidet, wird sie zweifellos noch lange fortfahren, den Blick für die unbefangene Anerkennung eines der wunderbarsten Rätsel alles Geschehens als eines solchen zu trüben und dem Suchen nach seinem wahrhaften Verständnis hinderlich zu sein.
§ 40. Rückläufige Associationen.
Von den mannigfachen Fragen, welche sich an die bis- herigen Ergebnisse anschlieſsen, habe ich einstweilen nur wenige untersuchen können und auch diese nur mit einer geringen Zahl von Experimenten.
Durch häufige Wiederholung einer Reihe a b c d . . bilden sich gewisse Verknüpfungen ab, ac, ad, bd u. s. w. Die Vorstellung a bekommt gewisse, verschieden starke Ten- denzen, bei ihrem irgendwie veranlaſsten Wiedereintritt ins Bewuſstsein auch die Vorstellungen b, c, d wieder zu be- wuſsten zu machen. Beruhen nun diese Verknüpfungen und Tendenzen auf Gegenseitigkeit? Das heiſst, wenn einmal c
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einer bis dahin ganz unbekannten Folge von Silben das
Bewuſstsein nur etwa 7 Glieder in einem Akte zu umspan-
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des Bewuſstseins eine Steigerung erfahre, und daſs z. B. eine
Reihe von 16 Silben, die vollständig auswendig gewuſst werde,
auch in einem Akt des Bewuſstseins gegenwärtig sei. Dann
ist die „Erklärung“ ohne Zwang wieder herstellbar; diejenigen,
denen sie etwas wert war für die Association der Gleich-
zeitigkeit und der unmittelbaren Folge, können sie ganz
ebenso verwerten für unsere Associationen der mittelbaren
Folge. Und bei den mäſsigen Ansprüchen, welche man in
der Psychologie an Erklärungen zu stellen sich vielfach be-
scheidet, wird sie zweifellos noch lange fortfahren, den Blick
für die unbefangene Anerkennung eines der wunderbarsten
Rätsel alles Geschehens als eines solchen zu trüben und dem
Suchen nach seinem wahrhaften Verständnis hinderlich zu sein.
§ 40.
Rückläufige Associationen.
Von den mannigfachen Fragen, welche sich an die bis-
herigen Ergebnisse anschlieſsen, habe ich einstweilen nur
wenige untersuchen können und auch diese nur mit einer
geringen Zahl von Experimenten.
Durch häufige Wiederholung einer Reihe a b c d . .
bilden sich gewisse Verknüpfungen ab, ac, ad, bd u. s. w.
Die Vorstellung a bekommt gewisse, verschieden starke Ten-
denzen, bei ihrem irgendwie veranlaſsten Wiedereintritt ins
Bewuſstsein auch die Vorstellungen b, c, d wieder zu be-
wuſsten zu machen. Beruhen nun diese Verknüpfungen und
Tendenzen auf Gegenseitigkeit? Das heiſst, wenn einmal c
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Ebbinghaus, Hermann: Über das Gedächtnis. Leipzig, 1885, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebbinghaus_gedaechtnis_1885/167>, abgerufen am 16.02.2025.
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