festere Einprägung von Silbenreihen untersucht. Nur wur- den dort die sämtlichen Wiederholungen unmittelbar hinter einander vorgenommen, ohne Rücksicht darauf, ob und wie das spontane Hersagen der Reihen durch sie erreicht wurde; hier waren sie über mehrere aufeinanderfolgende Tage ver- teilt, und für ihre Zumessung an die einzelnen Tage war die jedesmalige Erreichung der erstmöglichen Reproduktion massgebend. Haben nun die in beiden Fällen gefundenen Resultate, wenigstens für meine eigene Individualität, eine allgemeinere Gültigkeit, so wird man erwarten, dass sie, so- weit eine Vergleichung möglich ist, auch mit einander har- monieren. D. h. man wird erwarten, dass auch hier, so wie es oben gefunden wurde, die Wirkung der späteren Wieder- holungen (also derjenigen des IIten, IIIten u. s. w. Tages) zuerst ungefähr eben so gross ist wie diejenige der früheren, um weiterhin mehr und mehr abzunehmen.
Eine genauere Vergleichung ist nun allerdings nicht möglich. Zunächst haben die Reihen des VIten Abschnitts und die jetzt besprochenen verschiedene Länge. Dann aber wäre das, worauf es ankommt, die abgesonderte Ermittelung des reinen Einflusses der an den einzelnen Tagen stattfindenden Wiederholungen, nur durch Annahmen möglich, die an sich plausibel sein möchten auf Grund der vorliegenden Daten, aber wegen der Unsicherheit dieser Daten allzu anfechtbar bleiben würden.
Wir fanden z. B., dass neun 12silbige Reihen an sechs aufeinanderfolgenden Tagen gelernt wurden mit 158, 109, 75, 56, 37, 31 Wiederholungen. Der Effekt der ersten 158 Wieder- holungen ist hier unmittelbar gegeben in den 109 Wieder- holungen des zweiten Tages, resp. in der Differenz 158--109. Aber wenn wir nun weiter den reinen Effekt dieser hinzu- getretenen 109 Wiederholungen wissen wollen, die durch sie
festere Einprägung von Silbenreihen untersucht. Nur wur- den dort die sämtlichen Wiederholungen unmittelbar hinter einander vorgenommen, ohne Rücksicht darauf, ob und wie das spontane Hersagen der Reihen durch sie erreicht wurde; hier waren sie über mehrere aufeinanderfolgende Tage ver- teilt, und für ihre Zumessung an die einzelnen Tage war die jedesmalige Erreichung der erstmöglichen Reproduktion maſsgebend. Haben nun die in beiden Fällen gefundenen Resultate, wenigstens für meine eigene Individualität, eine allgemeinere Gültigkeit, so wird man erwarten, daſs sie, so- weit eine Vergleichung möglich ist, auch mit einander har- monieren. D. h. man wird erwarten, daſs auch hier, so wie es oben gefunden wurde, die Wirkung der späteren Wieder- holungen (also derjenigen des IIten, IIIten u. s. w. Tages) zuerst ungefähr eben so groſs ist wie diejenige der früheren, um weiterhin mehr und mehr abzunehmen.
Eine genauere Vergleichung ist nun allerdings nicht möglich. Zunächst haben die Reihen des VIten Abschnitts und die jetzt besprochenen verschiedene Länge. Dann aber wäre das, worauf es ankommt, die abgesonderte Ermittelung des reinen Einflusses der an den einzelnen Tagen stattfindenden Wiederholungen, nur durch Annahmen möglich, die an sich plausibel sein möchten auf Grund der vorliegenden Daten, aber wegen der Unsicherheit dieser Daten allzu anfechtbar bleiben würden.
Wir fanden z. B., dass neun 12silbige Reihen an sechs aufeinanderfolgenden Tagen gelernt wurden mit 158, 109, 75, 56, 37, 31 Wiederholungen. Der Effekt der ersten 158 Wieder- holungen ist hier unmittelbar gegeben in den 109 Wieder- holungen des zweiten Tages, resp. in der Differenz 158—109. Aber wenn wir nun weiter den reinen Effekt dieser hinzu- getretenen 109 Wiederholungen wissen wollen, die durch sie
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festere Einprägung von Silbenreihen untersucht. Nur wur-
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einander vorgenommen, ohne Rücksicht darauf, ob und wie
das spontane Hersagen der Reihen durch sie erreicht wurde;
hier waren sie über mehrere aufeinanderfolgende Tage ver-
teilt, und für ihre Zumessung an die einzelnen Tage war
die jedesmalige Erreichung der erstmöglichen Reproduktion
maſsgebend. Haben nun die in beiden Fällen gefundenen
Resultate, wenigstens für meine eigene Individualität, eine
allgemeinere Gültigkeit, so wird man erwarten, daſs sie, so-
weit eine Vergleichung möglich ist, auch mit einander har-
monieren. D. h. man wird erwarten, daſs auch hier, so wie
es oben gefunden wurde, die Wirkung der späteren Wieder-
holungen (also derjenigen des IIten, IIIten u. s. w. Tages) zuerst
ungefähr eben so groſs ist wie diejenige der früheren, um
weiterhin mehr und mehr abzunehmen.
Eine genauere Vergleichung ist nun allerdings nicht
möglich. Zunächst haben die Reihen des VIten Abschnitts und
die jetzt besprochenen verschiedene Länge. Dann aber wäre
das, worauf es ankommt, die abgesonderte Ermittelung des
reinen Einflusses der an den einzelnen Tagen stattfindenden
Wiederholungen, nur durch Annahmen möglich, die an sich
plausibel sein möchten auf Grund der vorliegenden Daten,
aber wegen der Unsicherheit dieser Daten allzu anfechtbar
bleiben würden.
Wir fanden z. B., dass neun 12silbige Reihen an sechs
aufeinanderfolgenden Tagen gelernt wurden mit 158, 109, 75,
56, 37, 31 Wiederholungen. Der Effekt der ersten 158 Wieder-
holungen ist hier unmittelbar gegeben in den 109 Wieder-
holungen des zweiten Tages, resp. in der Differenz 158—109.
Aber wenn wir nun weiter den reinen Effekt dieser hinzu-
getretenen 109 Wiederholungen wissen wollen, die durch sie
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Ebbinghaus, Hermann: Über das Gedächtnis. Leipzig, 1885, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebbinghaus_gedaechtnis_1885/135>, abgerufen am 16.07.2024.
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