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Ebbinghaus, Hermann: Über das Gedächtnis. Leipzig, 1885.

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VIII.
Das Behalten als Funktion wiederholten
Erlernens.


§ 31.
Fragestellung und Untersuchung.

Auswendig gelernte, dann sich selbst überlassene und
später aufs neue gelernte Silbenreihen befinden sich, wie man
annehmen muss, in den Momenten, in denen sie gerade her-
gesagt werden können, in gleichen inneren Zuständen. Die
Energie der auf sie gerichteten und sie abbildenden Vorstel-
lungsthätigkeit ist in beiden Fällen gerade so weit gesteigert,
dass bestimmte gleiche Bewegungskombinationen sich an sie
anschliessen. Für die Zeiten nach dem Hersagen hört jene
innere Gleichheit bald auf. Die Reihen werden allmählich
vergessen, aber -- wie man im allgemeinen genügend sicher
weiss -- die zweimal gelernten erheblich langsamer als die
einmal gelernten. Geschieht das Wiederlernen nach einiger
Zeit zum zweiten, dann zum dritten Male u. s. f., so graben
sich die Reihen immer fester ein, sie weichen immer schwerer
und könnten schliesslich, wie man voraussieht, ganz ebenso
zu einem stets bereiten Besitz der Seele gemacht werden
wie andere, sinnvolle und nützliche, Vorstellungsreihen.


VIII.
Das Behalten als Funktion wiederholten
Erlernens.


§ 31.
Fragestellung und Untersuchung.

Auswendig gelernte, dann sich selbst überlassene und
später aufs neue gelernte Silbenreihen befinden sich, wie man
annehmen muſs, in den Momenten, in denen sie gerade her-
gesagt werden können, in gleichen inneren Zuständen. Die
Energie der auf sie gerichteten und sie abbildenden Vorstel-
lungsthätigkeit ist in beiden Fällen gerade so weit gesteigert,
daſs bestimmte gleiche Bewegungskombinationen sich an sie
anschlieſsen. Für die Zeiten nach dem Hersagen hört jene
innere Gleichheit bald auf. Die Reihen werden allmählich
vergessen, aber — wie man im allgemeinen genügend sicher
weiſs — die zweimal gelernten erheblich langsamer als die
einmal gelernten. Geschieht das Wiederlernen nach einiger
Zeit zum zweiten, dann zum dritten Male u. s. f., so graben
sich die Reihen immer fester ein, sie weichen immer schwerer
und könnten schlieſslich, wie man voraussieht, ganz ebenso
zu einem stets bereiten Besitz der Seele gemacht werden
wie andere, sinnvolle und nützliche, Vorstellungsreihen.


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[[110]/0126] VIII. Das Behalten als Funktion wiederholten Erlernens. § 31. Fragestellung und Untersuchung. Auswendig gelernte, dann sich selbst überlassene und später aufs neue gelernte Silbenreihen befinden sich, wie man annehmen muſs, in den Momenten, in denen sie gerade her- gesagt werden können, in gleichen inneren Zuständen. Die Energie der auf sie gerichteten und sie abbildenden Vorstel- lungsthätigkeit ist in beiden Fällen gerade so weit gesteigert, daſs bestimmte gleiche Bewegungskombinationen sich an sie anschlieſsen. Für die Zeiten nach dem Hersagen hört jene innere Gleichheit bald auf. Die Reihen werden allmählich vergessen, aber — wie man im allgemeinen genügend sicher weiſs — die zweimal gelernten erheblich langsamer als die einmal gelernten. Geschieht das Wiederlernen nach einiger Zeit zum zweiten, dann zum dritten Male u. s. f., so graben sich die Reihen immer fester ein, sie weichen immer schwerer und könnten schlieſslich, wie man voraussieht, ganz ebenso zu einem stets bereiten Besitz der Seele gemacht werden wie andere, sinnvolle und nützliche, Vorstellungsreihen.

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Zitationshilfe: Ebbinghaus, Hermann: Über das Gedächtnis. Leipzig, 1885, S. [110]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebbinghaus_gedaechtnis_1885/126>, abgerufen am 27.11.2024.