Theilnahme anderswo gefesselt sey; ich zog meine Hand zurück, die er noch hielt, und versuchte ruhig zu seyn.
Karl reisete, wie gewöhnlich, um fünf Uhr ab; dieß verwundete mich; ich hätte wünschen mögen, daß er meinethalben unruhig gewesen wäre; ich litt ja so viel. Er wäre dennoch ab- gereiset, ich hätte ihn dazu gezwungen; allein, ich würde mir gesagt haben, daß er das Glück des Abends mir verdanke, und dieser Gedanke hätte mich getröstet. Jch hütete mich wohl, Karln diese Bewegung meines Herzens sehen zu lassen. Zarte Gefühle haben eine Art Scham- haftigkeit, sie bleiben unvollständig, wenn sie nicht errathen werden. Man möchte sagen, man kann sie nicht empfinden, als nur zu zwei.
Theilnahme anderswo gefeſſelt ſey; ich zog meine Hand zurück, die er noch hielt, und verſuchte ruhig zu ſeyn.
Karl reiſete, wie gewöhnlich, um fünf Uhr ab; dieß verwundete mich; ich hätte wünſchen mögen, daß er meinethalben unruhig geweſen wäre; ich litt ja ſo viel. Er wäre dennoch ab- gereiſet, ich hätte ihn dazu gezwungen; allein, ich würde mir geſagt haben, daß er das Glück des Abends mir verdanke, und dieſer Gedanke hätte mich getröſtet. Jch hütete mich wohl, Karln dieſe Bewegung meines Herzens ſehen zu laſſen. Zarte Gefühle haben eine Art Scham- haftigkeit, ſie bleiben unvollſtändig, wenn ſie nicht errathen werden. Man möchte ſagen, man kann ſie nicht empfinden, als nur zu zwei.
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Theilnahme anderswo gefeſſelt ſey; ich zog meine
Hand zurück, die er noch hielt, und verſuchte
ruhig zu ſeyn.
Karl reiſete, wie gewöhnlich, um fünf Uhr
ab; dieß verwundete mich; ich hätte wünſchen
mögen, daß er meinethalben unruhig geweſen
wäre; ich litt ja ſo viel. Er wäre dennoch ab-
gereiſet, ich hätte ihn dazu gezwungen; allein,
ich würde mir geſagt haben, daß er das Glück
des Abends mir verdanke, und dieſer Gedanke
hätte mich getröſtet. Jch hütete mich wohl,
Karln dieſe Bewegung meines Herzens ſehen zu
laſſen. Zarte Gefühle haben eine Art Scham-
haftigkeit, ſie bleiben unvollſtändig, wenn ſie
nicht errathen werden. Man möchte ſagen, man
kann ſie nicht empfinden, als nur zu zwei.
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Duras, Claire de Durfort de: Urika, die Negerin. Übers. v. [Ehrenfried Stöber]. Frankfurt (Main), 1824, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/duras_urika_1824/85>, abgerufen am 16.02.2025.
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