"ben nicht immer so gedacht", sagte ich zu ihr, "und Sie tragen die Zeichen langer Leiden an "sich." "Es ist wahr", erwiederte sie, "ich habe "die Ruhe meines Herzens sehr spät gefunden; "doch jetzo bin ich glücklich." -- "Wohlan, wenn "es so ist; so muß man das Vergangene heilen, "wir wollen hoffen, daß es uns gelingt; allein "dieses Vergangene kann ich nicht heilen, ohne "es zu kennen." -- "Ach!" erwiederte sie, "es "sind Thorheiten!" Bei diesen Worten benetzte eine Thräne ihre Wimper. "Und Sie sagen, "daß Sie glücklich sind!" rief ich. -- "Ja, ich "bin's", erwiederte sie mit Entschlossenheit, "und "ich möchte mein Glück nicht mit dem Loose ver- "tauschen, welches ich einst so sehr beneidete. "Jch habe kein Geheimniß; mein Unglück ist die
„ben nicht immer ſo gedacht‟, ſagte ich zu ihr, „und Sie tragen die Zeichen langer Leiden an „ſich.‟ „Es iſt wahr‟, erwiederte ſie, „ich habe „die Ruhe meines Herzens ſehr ſpät gefunden; „doch jetzo bin ich glücklich.‟ — „Wohlan, wenn „es ſo iſt; ſo muß man das Vergangene heilen, „wir wollen hoffen, daß es uns gelingt; allein „dieſes Vergangene kann ich nicht heilen, ohne „es zu kennen.‟ — „Ach!‟ erwiederte ſie, „es „ſind Thorheiten!‟ Bei dieſen Worten benetzte eine Thräne ihre Wimper. „Und Sie ſagen, „daß Sie glücklich ſind!‟ rief ich. — „Ja, ich „bin’s‟, erwiederte ſie mit Entſchloſſenheit, „und „ich möchte mein Glück nicht mit dem Looſe ver- „tauſchen, welches ich einſt ſo ſehr beneidete. „Jch habe kein Geheimniß; mein Unglück iſt die
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„ben nicht immer ſo gedacht‟, ſagte ich zu ihr,
„und Sie tragen die Zeichen langer Leiden an
„ſich.‟ „Es iſt wahr‟, erwiederte ſie, „ich habe
„die Ruhe meines Herzens ſehr ſpät gefunden;
„doch jetzo bin ich glücklich.‟ — „Wohlan, wenn
„es ſo iſt; ſo muß man das Vergangene heilen,
„wir wollen hoffen, daß es uns gelingt; allein
„dieſes Vergangene kann ich nicht heilen, ohne
„es zu kennen.‟ — „Ach!‟ erwiederte ſie, „es
„ſind Thorheiten!‟ Bei dieſen Worten benetzte
eine Thräne ihre Wimper. „Und Sie ſagen,
„daß Sie glücklich ſind!‟ rief ich. — „Ja, ich
„bin’s‟, erwiederte ſie mit Entſchloſſenheit, „und
„ich möchte mein Glück nicht mit dem Looſe ver-
„tauſchen, welches ich einſt ſo ſehr beneidete.
„Jch habe kein Geheimniß; mein Unglück iſt die
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Duras, Claire de Durfort de: Urika, die Negerin. Übers. v. [Ehrenfried Stöber]. Frankfurt (Main), 1824, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/duras_urika_1824/12>, abgerufen am 17.02.2025.
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