anstalten werden stofflich und der Lehrart nach den Charakter der höhern Vorschule an sich tragen müssen und vor allen Dingen nicht Vorlesungsanstalten sein dürfen. Der universitär verzopfte Lehrstil mit der einseitigen Vorleserei ist an sich schon ein Uebel; er wird aber vollends zur Caricatur, wenn er in einen zwerghaften Rahmen gefasst, auf ganz elementare Gegenstände übertragen und überdies einem mit modernen Ansprüchen auf- tretenden, nach frischen Anregungen und gesunder Geistesnahrung ausschauenden Publicum aufgetischt wird. Die vorbereitende Lehre blosser Bildungswissenschaften muss ein wirklicher Unter- richt und demgemäss eine Mittheilung von Kenntnissen mit gegen- seitigem Gedankenaustausch sein. Passt auch die Form der gemeinen Schulung nicht einmal mehr für den Fall "höherer Vor- schulen", wie ich sie auffasse, so darf doch niemals das universitäre Vorleserthum platzgreifen. Anregungen zur Selbstthätigkeit, zum Selbststudium nach gedruckten Lehrhülfen und je nach Bedürf- niss bereite persönliche Aushülfe bei Verlegenheiten sowie einige eigentliche Uebungen oder Bethätigungen des geläufig gemachten Wissens und Könnens werden die Hauptbestandtheile einer bessern, über das ganz unselbständige Stadium rein autoritärer Art hinausgelangten höhern Vorschulung bilden, an welche sich später das eigentliche Berufsstadium knüpfen soll. Vorträge aber, die nicht mit Vorlesungen universitären Stils zu verwechseln sind, mögen allenfalls dazu dienen, als anregende Auseinandersetzungen auf die Hauptfragen eines Studiengebiets aufmerksam zu machen und auf das, was selbstthätig zu thun ist, eindringlich hinzuweisen. Sie können Programme des Selbststudiums und Erläuterungen dieser Programme liefern; sie können einen mächtig leitenden Einfluss üben; aber sie dürfen nicht, wie die herkömmlichen Vorlesungen, detaillirte Mittheilungen und sozusagen Abhaspelungen ganzer Wissenschaften sein wollen.
Wie wirkliche Hochschulen für Frauen beschaffen sein müssen, lässt sich erst im Gegensatz zu den Universitäten gehörig auseinandersetzen. Hier sei nur bemerkt, dass sie als Ueberbau der höheren Vorschulen nicht blos die speciellen Berufsfächer, wie die Medicin, sondern eben auch die technische Ausbildung von Lehrerinnen für jene höhern Vorschulen zum Gegenstande haben und in dieser Eigenschaft als Pflanz- oder Normalschulen fungiren werden. Die zweistufige Organisation, die den Gymna- sien und sogenannten philosophischen Facultäten, also dem Lehren
anstalten werden stofflich und der Lehrart nach den Charakter der höhern Vorschule an sich tragen müssen und vor allen Dingen nicht Vorlesungsanstalten sein dürfen. Der universitär verzopfte Lehrstil mit der einseitigen Vorleserei ist an sich schon ein Uebel; er wird aber vollends zur Caricatur, wenn er in einen zwerghaften Rahmen gefasst, auf ganz elementare Gegenstände übertragen und überdies einem mit modernen Ansprüchen auf- tretenden, nach frischen Anregungen und gesunder Geistesnahrung ausschauenden Publicum aufgetischt wird. Die vorbereitende Lehre blosser Bildungswissenschaften muss ein wirklicher Unter- richt und demgemäss eine Mittheilung von Kenntnissen mit gegen- seitigem Gedankenaustausch sein. Passt auch die Form der gemeinen Schulung nicht einmal mehr für den Fall „höherer Vor- schulen“, wie ich sie auffasse, so darf doch niemals das universitäre Vorleserthum platzgreifen. Anregungen zur Selbstthätigkeit, zum Selbststudium nach gedruckten Lehrhülfen und je nach Bedürf- niss bereite persönliche Aushülfe bei Verlegenheiten sowie einige eigentliche Uebungen oder Bethätigungen des geläufig gemachten Wissens und Könnens werden die Hauptbestandtheile einer bessern, über das ganz unselbständige Stadium rein autoritärer Art hinausgelangten höhern Vorschulung bilden, an welche sich später das eigentliche Berufsstadium knüpfen soll. Vorträge aber, die nicht mit Vorlesungen universitären Stils zu verwechseln sind, mögen allenfalls dazu dienen, als anregende Auseinandersetzungen auf die Hauptfragen eines Studiengebiets aufmerksam zu machen und auf das, was selbstthätig zu thun ist, eindringlich hinzuweisen. Sie können Programme des Selbststudiums und Erläuterungen dieser Programme liefern; sie können einen mächtig leitenden Einfluss üben; aber sie dürfen nicht, wie die herkömmlichen Vorlesungen, detaillirte Mittheilungen und sozusagen Abhaspelungen ganzer Wissenschaften sein wollen.
Wie wirkliche Hochschulen für Frauen beschaffen sein müssen, lässt sich erst im Gegensatz zu den Universitäten gehörig auseinandersetzen. Hier sei nur bemerkt, dass sie als Ueberbau der höheren Vorschulen nicht blos die speciellen Berufsfächer, wie die Medicin, sondern eben auch die technische Ausbildung von Lehrerinnen für jene höhern Vorschulen zum Gegenstande haben und in dieser Eigenschaft als Pflanz- oder Normalschulen fungiren werden. Die zweistufige Organisation, die den Gymna- sien und sogenannten philosophischen Facultäten, also dem Lehren
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anstalten werden stofflich und der Lehrart nach den Charakter
der höhern Vorschule an sich tragen müssen und vor allen
Dingen nicht Vorlesungsanstalten sein dürfen. Der universitär
verzopfte Lehrstil mit der einseitigen Vorleserei ist an sich schon
ein Uebel; er wird aber vollends zur Caricatur, wenn er in einen
zwerghaften Rahmen gefasst, auf ganz elementare Gegenstände
übertragen und überdies einem mit modernen Ansprüchen auf-
tretenden, nach frischen Anregungen und gesunder Geistesnahrung
ausschauenden Publicum aufgetischt wird. Die vorbereitende
Lehre blosser Bildungswissenschaften muss ein wirklicher Unter-
richt und demgemäss eine Mittheilung von Kenntnissen mit gegen-
seitigem Gedankenaustausch sein. Passt auch die Form der
gemeinen Schulung nicht einmal mehr für den Fall „höherer Vor-
schulen“, wie ich sie auffasse, so darf doch niemals das universitäre
Vorleserthum platzgreifen. Anregungen zur Selbstthätigkeit, zum
Selbststudium nach gedruckten Lehrhülfen und je nach Bedürf-
niss bereite persönliche Aushülfe bei Verlegenheiten sowie einige
eigentliche Uebungen oder Bethätigungen des geläufig gemachten
Wissens und Könnens werden die Hauptbestandtheile einer
bessern, über das ganz unselbständige Stadium rein autoritärer
Art hinausgelangten höhern Vorschulung bilden, an welche sich
später das eigentliche Berufsstadium knüpfen soll. Vorträge aber,
die nicht mit Vorlesungen universitären Stils zu verwechseln sind,
mögen allenfalls dazu dienen, als anregende Auseinandersetzungen
auf die Hauptfragen eines Studiengebiets aufmerksam zu machen
und auf das, was selbstthätig zu thun ist, eindringlich hinzuweisen.
Sie können Programme des Selbststudiums und Erläuterungen dieser
Programme liefern; sie können einen mächtig leitenden Einfluss
üben; aber sie dürfen nicht, wie die herkömmlichen Vorlesungen,
detaillirte Mittheilungen und sozusagen Abhaspelungen ganzer
Wissenschaften sein wollen.
Wie wirkliche Hochschulen für Frauen beschaffen sein
müssen, lässt sich erst im Gegensatz zu den Universitäten gehörig
auseinandersetzen. Hier sei nur bemerkt, dass sie als Ueberbau
der höheren Vorschulen nicht blos die speciellen Berufsfächer,
wie die Medicin, sondern eben auch die technische Ausbildung
von Lehrerinnen für jene höhern Vorschulen zum Gegenstande
haben und in dieser Eigenschaft als Pflanz- oder
Normalschulen fungiren werden. Die zweistufige Organisation, die den Gymna-
sien und sogenannten philosophischen Facultäten, also dem Lehren
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Projekt: Texte zur Frauenfrage um 1900 Gießen/Kassel: Bereitstellung der Texttranskription.
(2013-06-13T16:46:57Z)
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Thomas Gloning, Melanie Henß, Hannah Glaum: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2013-06-13T16:46:57Z)
Internet Archive: Bereitstellung der Bilddigitalisate.
(2013-06-13T16:46:57Z)
Dühring, Eugen: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten. 2. Aufl. Leipzig, 1885, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/duehring_berufsbildung_1885/42>, abgerufen am 19.02.2025.
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