immer aber auf solche Dinge, die den weiblichen Kreisen in ihrem bisherigen Bildungsgange bereits nahe gerückt waren. Nun verstreute man aber in ganz zufälliger Gestalt, wie es eben jedem angeworbenen Docenten beliebte, Ankündigungen von allerlei Vorlesungscursen buntester Mischung und oft genug unzweck- mässigster Art. Von mittelalterlichen Geschichtsliebhabereien gar nicht zu reden, mag nur als auf ein besonders humorerregendes Beispiel darauf hingewiesen sein, dass auch griechische Literatur- geschichte unter den angebotenen, wenn auch grade nicht nach- gefragten Vorlesungen figurirt hat. Irgend ein leitendes Princip ist niemals vorhanden gewesen, und um Ernst in die Sache zu bringen, hätte selbst ein theoretisch noch so guter, aber blos all- gemeiner Bildungsplan nicht genügt, solange keine praktischen Berufsfolgen daran geknüpft worden wären. Ganz nebenbei und sozusagen abseits von den eher besuchten Hauptvorlesungen hat man auch kleine Gelegenheiten eingerichtet, ein paar Brocken Elementarmathematik sowie etwas Physik und Chemie anzusehen und "anzuhören", ja auch, damit es am Allerbesten nicht fehle, für die lateinischen Sextanerkünste durch das Angebot einer Vorlesungseinweihung in die heilige Gelehrtensprache gesorgt, und sich sogar bis zum Griechischen verirrt. Natürlich ist mit all solchem zersplitterten Nebenwerk wenig oder so gut wie nichts geworden. Die Theilnahme dafür blieb äusserst spärlich oder versagte ganz, was am allerwenigsten dem Frauenpublicum selbst zur Last fällt, welches mit Recht danach fragt, wozu und mit welcher schliesslichen Frucht es solche unzusammenhängende und an sich unzulängliche Halbgelegenheiten überhaupt noch benutzen soll. Wie sich die Leitung des Lyceums künstlich Publicum zu verschaffen und die sonst nicht zu Stande kommenden Vorlesungen ein wenig zu füllen gesucht hat, ist in der vorletzten Nummer dieser Schrift angegeben, und es würde uns überhaupt von be- deutenden Gegenständen ablenken, wenn auf den vorliegenden Bogen auch noch eine ausführliche Kritik der form- und princip- losen Berliner Anstalt mit ihren später immer chaotischer ge- rathenden Abänderungsversuchen platzfinden sollte. Elementare Geographievorlesungen und Aehnliches, was zur Fortbildung von Lehrerinnen auf Kosten der Stadt nachträglich hineingepfropft worden ist, dürfte sicherlich nicht die Zerfahrenheit und fast völlige Undefinirbarkeit des Charakters der Anstalt gemindert haben. In der That weiss letztere nicht, was sie eigentlich will,
immer aber auf solche Dinge, die den weiblichen Kreisen in ihrem bisherigen Bildungsgange bereits nahe gerückt waren. Nun verstreute man aber in ganz zufälliger Gestalt, wie es eben jedem angeworbenen Docenten beliebte, Ankündigungen von allerlei Vorlesungscursen buntester Mischung und oft genug unzweck- mässigster Art. Von mittelalterlichen Geschichtsliebhabereien gar nicht zu reden, mag nur als auf ein besonders humorerregendes Beispiel darauf hingewiesen sein, dass auch griechische Literatur- geschichte unter den angebotenen, wenn auch grade nicht nach- gefragten Vorlesungen figurirt hat. Irgend ein leitendes Princip ist niemals vorhanden gewesen, und um Ernst in die Sache zu bringen, hätte selbst ein theoretisch noch so guter, aber blos all- gemeiner Bildungsplan nicht genügt, solange keine praktischen Berufsfolgen daran geknüpft worden wären. Ganz nebenbei und sozusagen abseits von den eher besuchten Hauptvorlesungen hat man auch kleine Gelegenheiten eingerichtet, ein paar Brocken Elementarmathematik sowie etwas Physik und Chemie anzusehen und „anzuhören“, ja auch, damit es am Allerbesten nicht fehle, für die lateinischen Sextanerkünste durch das Angebot einer Vorlesungseinweihung in die heilige Gelehrtensprache gesorgt, und sich sogar bis zum Griechischen verirrt. Natürlich ist mit all solchem zersplitterten Nebenwerk wenig oder so gut wie nichts geworden. Die Theilnahme dafür blieb äusserst spärlich oder versagte ganz, was am allerwenigsten dem Frauenpublicum selbst zur Last fällt, welches mit Recht danach fragt, wozu und mit welcher schliesslichen Frucht es solche unzusammenhängende und an sich unzulängliche Halbgelegenheiten überhaupt noch benutzen soll. Wie sich die Leitung des Lyceums künstlich Publicum zu verschaffen und die sonst nicht zu Stande kommenden Vorlesungen ein wenig zu füllen gesucht hat, ist in der vorletzten Nummer dieser Schrift angegeben, und es würde uns überhaupt von be- deutenden Gegenständen ablenken, wenn auf den vorliegenden Bogen auch noch eine ausführliche Kritik der form- und princip- losen Berliner Anstalt mit ihren später immer chaotischer ge- rathenden Abänderungsversuchen platzfinden sollte. Elementare Geographievorlesungen und Aehnliches, was zur Fortbildung von Lehrerinnen auf Kosten der Stadt nachträglich hineingepfropft worden ist, dürfte sicherlich nicht die Zerfahrenheit und fast völlige Undefinirbarkeit des Charakters der Anstalt gemindert haben. In der That weiss letztere nicht, was sie eigentlich will,
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[31/0040]
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verstreute man aber in ganz zufälliger Gestalt, wie es eben jedem
angeworbenen Docenten beliebte, Ankündigungen von allerlei
Vorlesungscursen buntester Mischung und oft genug unzweck-
mässigster Art. Von mittelalterlichen Geschichtsliebhabereien gar
nicht zu reden, mag nur als auf ein besonders humorerregendes
Beispiel darauf hingewiesen sein, dass auch griechische Literatur-
geschichte unter den angebotenen, wenn auch grade nicht nach-
gefragten Vorlesungen figurirt hat. Irgend ein leitendes Princip
ist niemals vorhanden gewesen, und um Ernst in die Sache zu
bringen, hätte selbst ein theoretisch noch so guter, aber blos all-
gemeiner Bildungsplan nicht genügt, solange keine praktischen
Berufsfolgen daran geknüpft worden wären. Ganz nebenbei und
sozusagen abseits von den eher besuchten Hauptvorlesungen hat
man auch kleine Gelegenheiten eingerichtet, ein paar Brocken
Elementarmathematik sowie etwas Physik und Chemie anzusehen
und „anzuhören“, ja auch, damit es am Allerbesten nicht fehle,
für die lateinischen Sextanerkünste durch das Angebot einer
Vorlesungseinweihung in die heilige Gelehrtensprache gesorgt,
und sich sogar bis zum Griechischen verirrt. Natürlich ist mit
all solchem zersplitterten Nebenwerk wenig oder so gut wie nichts
geworden. Die Theilnahme dafür blieb äusserst spärlich oder
versagte ganz, was am allerwenigsten dem Frauenpublicum selbst
zur Last fällt, welches mit Recht danach fragt, wozu und mit
welcher schliesslichen Frucht es solche unzusammenhängende und
an sich unzulängliche Halbgelegenheiten überhaupt noch benutzen
soll. Wie sich die Leitung des Lyceums künstlich Publicum zu
verschaffen und die sonst nicht zu Stande kommenden Vorlesungen
ein wenig zu füllen gesucht hat, ist in der vorletzten Nummer
dieser Schrift angegeben, und es würde uns überhaupt von be-
deutenden Gegenständen ablenken, wenn auf den vorliegenden
Bogen auch noch eine ausführliche Kritik der form- und princip-
losen Berliner Anstalt mit ihren später immer chaotischer ge-
rathenden Abänderungsversuchen platzfinden sollte. Elementare
Geographievorlesungen und Aehnliches, was zur Fortbildung von
Lehrerinnen auf Kosten der Stadt nachträglich hineingepfropft
worden ist, dürfte sicherlich nicht die Zerfahrenheit und fast
völlige Undefinirbarkeit des Charakters der Anstalt gemindert
haben. In der That weiss letztere nicht, was sie eigentlich will,
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Projekt: Texte zur Frauenfrage um 1900 Gießen/Kassel: Bereitstellung der Texttranskription.
(2013-06-13T16:46:57Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Thomas Gloning, Melanie Henß, Hannah Glaum: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2013-06-13T16:46:57Z)
Internet Archive: Bereitstellung der Bilddigitalisate.
(2013-06-13T16:46:57Z)
Dühring, Eugen: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten. 2. Aufl. Leipzig, 1885, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/duehring_berufsbildung_1885/40>, abgerufen am 16.02.2025.
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