thümlichen und ausschliesslich angehörigen Art von Täuschung. Sie
übt daher vielfach einen Trug, welcher zu dem der Religion und dem der Metaphysik als ein
Drittes hinzutritt, was man bis- her noch nicht ins Auge gefasst hat. Bei der Herausgabe
meiner Arbeit über die Grössen der modernen Literatur wird sich grade dieser
Trugbestandtheil in der Poesie als ein wesentlicher Gegen- stand durchgreifender Kritik
offengelegt finden. Hier aber kann keine Untersuchung angestellt, sondern es kann nur darauf
hin- gewiesen werden, wie ein Compass für die Befassung mit dem belletristischen
Gebiet unentbehrlich sei. Die Ruhe des Gemüths und die Klarheit des Verstandes werden in der
Ueberlassung an die poetischen Eindrücke nur dadurch gewahrt, dass man an die dichterischen Affecte und Phantasien das Maass der Wahrheit und zwar der Wahrheit aus allen
Gesichtspunkten anlegt. Es giebt mehrere Seiten, von denen die modernen Literaturgrössen noch nicht betrachtet worden sind, und grade auf diese Seiten habe ich seit ein paar
Jahrzehnten besonders geachtet. So bin ich schliesslich zu der Ueberzeugung gelangt, dass eine
Darstellung und Kritik des Wesentlichen der schönen Literatur, wenn dabei alle Mittel des
Wissens, Strebens und Empfindens vereinigt zu Hülfe genommen werden, einen wesentlichen
Fortschritt der Selbstausbildung bewirken muss. Einerseits wird ein neues und populär sehr
weittragendes Stück Emancipation von solchen Bildungsfesseln durchgeführt, die man als solche
noch am wenig- sten erkannt hat. Andererseits aber wird die Möglichkeit eröffnet, unter Meidung des Schadens und mit gehöriger Unterscheidung an das wirklich Wohlthätige
heranzutreten, was für Sinn und Herz zur Verfügung steht.
thümlichen und ausschliesslich angehörigen Art von Täuschung. Sie
übt daher vielfach einen Trug, welcher zu dem der Religion und dem der Metaphysik als ein
Drittes hinzutritt, was man bis- her noch nicht ins Auge gefasst hat. Bei der Herausgabe
meiner Arbeit über die Grössen der modernen Literatur wird sich grade dieser
Trugbestandtheil in der Poesie als ein wesentlicher Gegen- stand durchgreifender Kritik
offengelegt finden. Hier aber kann keine Untersuchung angestellt, sondern es kann nur darauf
hin- gewiesen werden, wie ein Compass für die Befassung mit dem belletristischen
Gebiet unentbehrlich sei. Die Ruhe des Gemüths und die Klarheit des Verstandes werden in der
Ueberlassung an die poetischen Eindrücke nur dadurch gewahrt, dass man an die dichterischen Affecte und Phantasien das Maass der Wahrheit und zwar der Wahrheit aus allen
Gesichtspunkten anlegt. Es giebt mehrere Seiten, von denen die modernen Literaturgrössen noch nicht betrachtet worden sind, und grade auf diese Seiten habe ich seit ein paar
Jahrzehnten besonders geachtet. So bin ich schliesslich zu der Ueberzeugung gelangt, dass eine
Darstellung und Kritik des Wesentlichen der schönen Literatur, wenn dabei alle Mittel des
Wissens, Strebens und Empfindens vereinigt zu Hülfe genommen werden, einen wesentlichen
Fortschritt der Selbstausbildung bewirken muss. Einerseits wird ein neues und populär sehr
weittragendes Stück Emancipation von solchen Bildungsfesseln durchgeführt, die man als solche
noch am wenig- sten erkannt hat. Andererseits aber wird die Möglichkeit eröffnet, unter Meidung des Schadens und mit gehöriger Unterscheidung an das wirklich Wohlthätige
heranzutreten, was für Sinn und Herz zur Verfügung steht.
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[107/0116]
thümlichen und ausschliesslich angehörigen Art von Täuschung.
Sie übt daher vielfach einen Trug, welcher zu dem der Religion
und dem der Metaphysik als ein Drittes hinzutritt, was man bis-
her noch nicht ins Auge gefasst hat. Bei der Herausgabe meiner
Arbeit über die Grössen der modernen Literatur wird sich grade
dieser Trugbestandtheil in der Poesie als ein wesentlicher Gegen-
stand durchgreifender Kritik offengelegt finden. Hier aber kann
keine Untersuchung angestellt, sondern es kann nur darauf hin-
gewiesen werden, wie ein Compass für die Befassung mit dem
belletristischen Gebiet unentbehrlich sei. Die Ruhe des Gemüths
und die Klarheit des Verstandes werden in der Ueberlassung an
die poetischen Eindrücke nur dadurch gewahrt, dass man an die
dichterischen Affecte und Phantasien das Maass der Wahrheit
und zwar der Wahrheit aus allen Gesichtspunkten anlegt. Es
giebt mehrere Seiten, von denen die modernen Literaturgrössen
noch nicht betrachtet worden sind, und grade auf diese Seiten habe
ich seit ein paar Jahrzehnten besonders geachtet. So bin ich
schliesslich zu der Ueberzeugung gelangt, dass eine Darstellung
und Kritik des Wesentlichen der schönen Literatur, wenn dabei
alle Mittel des Wissens, Strebens und Empfindens vereinigt zu
Hülfe genommen werden, einen wesentlichen Fortschritt der
Selbstausbildung bewirken muss. Einerseits wird ein neues und
populär sehr weittragendes Stück Emancipation von solchen
Bildungsfesseln durchgeführt, die man als solche noch am wenig-
sten erkannt hat. Andererseits aber wird die Möglichkeit eröffnet,
unter Meidung des Schadens und mit gehöriger Unterscheidung
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Projekt: Texte zur Frauenfrage um 1900 Gießen/Kassel: Bereitstellung der Texttranskription.
(2013-06-13T16:46:57Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Thomas Gloning, Melanie Henß, Hannah Glaum: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2013-06-13T16:46:57Z)
Internet Archive: Bereitstellung der Bilddigitalisate.
(2013-06-13T16:46:57Z)
Dühring, Eugen: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten. 2. Aufl. Leipzig, 1885, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/duehring_berufsbildung_1885/116>, abgerufen am 22.07.2024.
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