Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Druskowitz, Helene von: Moderne Versuche eines Religionsersatzes. Heidelberg, 1886.

Bild:
<< vorherige Seite

darüber spannt sich wie ein glänzender Regenbogen eine an-
dere Sphäre aus. Sie ist wie von einem jenseitigen geheim-
nißvollen Lichte durchleuchtet, wie von einem jenseitigen
geheimnißvollen Klange durchtönt. Ja, sie ist in der That
in ihrem Verhältniß zu des Menschen Jnneren nichts als die
Einwirkung auf Phantasie und Gemüth, die sich dem Ein-
druck zugesellt, daß in allen diesen religiösen Momenten, in
dem Dasein eines obersten Lenkers, der gerecht richtet, in der
unsere sichtbare, sinnfällige Vergänglichkeit aufhebenden Fort-
dauer über Grab und Tod u. s. w., um den Menschen ein
hohes, hehres und einer verstandsmäßigen Er-
gründung unerreichbares Seinsverhältniß
webt
und besteht. Soweit die Wirkung dieses Eindrucks in dem
Menschen reicht, soweit er ihn trägt, belebt und ausfüllt,
soweit auf dieser Grundlage sich sein religiöses Wesen eigen-
artig aufbaut, soweit ist dasselbe ausschließlich der ästhetischen
Seite zuzurechnen."

Duboc will, indem er sich gegen die "Diesseitigkeit"
unserer Zeit, d. h. gegen das Befangensein in rein mensch-
lichen Jnteressen oder mit anderen Worten gegen den "Nieder-
gang des religiösen Bewußtseins" in der Gegenwart wendet,
jenen Eindruck eines "hohen, hehren, einer verstandesmäßigen
Ergründung unerreichbaren Seinsverhältnisses" als einen un-
abhängig von jeder positiven religiösen Norm berechtigten
hinstellen und ihn auf den Thatbestand begründen. Auch ohne
Gottesglauben sollen wir einsehen, daß ein Geheimniß uns
umschwebt und dasselbe mit einem religiösen, ehrfürchtigen
Gefühle erfassen. Das Vorhandensein eines Weltgeheimnisses
aber wird jeder vorsichtige Denker zugeben müssen. Für
Duboc nun besteht jenes Weltengeheimniß in der Unendlich-
keit und Unübersehbarkeit des Weltprocesses oder er will doch
nur dieses Moment des Geheimnisses ins Auge gefaßt wissen.

Den in Frage stehenden seelischen Eindruck aber bestimmt

darüber ſpannt ſich wie ein glänzender Regenbogen eine an-
dere Sphäre aus. Sie iſt wie von einem jenſeitigen geheim-
nißvollen Lichte durchleuchtet, wie von einem jenſeitigen
geheimnißvollen Klange durchtönt. Ja, ſie iſt in der That
in ihrem Verhältniß zu des Menſchen Jnneren nichts als die
Einwirkung auf Phantaſie und Gemüth, die ſich dem Ein-
druck zugeſellt, daß in allen dieſen religiöſen Momenten, in
dem Daſein eines oberſten Lenkers, der gerecht richtet, in der
unſere ſichtbare, ſinnfällige Vergänglichkeit aufhebenden Fort-
dauer über Grab und Tod u. ſ. w., um den Menſchen ein
hohes, hehres und einer verſtandsmäßigen Er-
gründung unerreichbares Seinsverhältniß
webt
und beſteht. Soweit die Wirkung dieſes Eindrucks in dem
Menſchen reicht, ſoweit er ihn trägt, belebt und ausfüllt,
ſoweit auf dieſer Grundlage ſich ſein religiöſes Weſen eigen-
artig aufbaut, ſoweit iſt daſſelbe ausſchließlich der äſthetiſchen
Seite zuzurechnen.“

Duboc will, indem er ſich gegen die „Diesſeitigkeit“
unſerer Zeit, d. h. gegen das Befangenſein in rein menſch-
lichen Jntereſſen oder mit anderen Worten gegen den „Nieder-
gang des religiöſen Bewußtſeins“ in der Gegenwart wendet,
jenen Eindruck eines „hohen, hehren, einer verſtandesmäßigen
Ergründung unerreichbaren Seinsverhältniſſes“ als einen un-
abhängig von jeder poſitiven religiöſen Norm berechtigten
hinſtellen und ihn auf den Thatbeſtand begründen. Auch ohne
Gottesglauben ſollen wir einſehen, daß ein Geheimniß uns
umſchwebt und daſſelbe mit einem religiöſen, ehrfürchtigen
Gefühle erfaſſen. Das Vorhandenſein eines Weltgeheimniſſes
aber wird jeder vorſichtige Denker zugeben müſſen. Für
Duboc nun beſteht jenes Weltengeheimniß in der Unendlich-
keit und Unüberſehbarkeit des Weltproceſſes oder er will doch
nur dieſes Moment des Geheimniſſes ins Auge gefaßt wiſſen.

Den in Frage ſtehenden ſeeliſchen Eindruck aber beſtimmt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0069" n="60"/>
darüber &#x017F;pannt &#x017F;ich wie ein glänzender Regenbogen eine an-<lb/>
dere Sphäre aus. Sie i&#x017F;t wie von einem jen&#x017F;eitigen geheim-<lb/>
nißvollen Lichte durchleuchtet, wie von einem jen&#x017F;eitigen<lb/>
geheimnißvollen Klange durchtönt. Ja, &#x017F;ie i&#x017F;t in der That<lb/>
in ihrem Verhältniß zu des Men&#x017F;chen Jnneren nichts als die<lb/>
Einwirkung auf Phanta&#x017F;ie und Gemüth, die &#x017F;ich dem Ein-<lb/>
druck zuge&#x017F;ellt, daß in allen die&#x017F;en religiö&#x017F;en Momenten, in<lb/>
dem Da&#x017F;ein eines ober&#x017F;ten Lenkers, der gerecht richtet, in der<lb/>
un&#x017F;ere &#x017F;ichtbare, &#x017F;innfällige Vergänglichkeit aufhebenden Fort-<lb/>
dauer über Grab und Tod u. &#x017F;. w., um den Men&#x017F;chen ein<lb/><hi rendition="#g">hohes, hehres und einer ver&#x017F;tandsmäßigen Er-<lb/>
gründung unerreichbares Seinsverhältniß</hi> webt<lb/>
und be&#x017F;teht. Soweit die Wirkung <hi rendition="#g">die&#x017F;es</hi> Eindrucks in dem<lb/>
Men&#x017F;chen reicht, &#x017F;oweit <hi rendition="#g">er</hi> ihn trägt, belebt und ausfüllt,<lb/>
&#x017F;oweit auf <hi rendition="#g">die&#x017F;er</hi> Grundlage &#x017F;ich &#x017F;ein religiö&#x017F;es We&#x017F;en eigen-<lb/>
artig aufbaut, &#x017F;oweit i&#x017F;t da&#x017F;&#x017F;elbe aus&#x017F;chließlich der ä&#x017F;theti&#x017F;chen<lb/>
Seite zuzurechnen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Duboc will, indem er &#x017F;ich gegen die &#x201E;Dies&#x017F;eitigkeit&#x201C;<lb/>
un&#x017F;erer Zeit, d. h. gegen das Befangen&#x017F;ein in rein men&#x017F;ch-<lb/>
lichen Jntere&#x017F;&#x017F;en oder mit anderen Worten gegen den &#x201E;Nieder-<lb/>
gang des religiö&#x017F;en Bewußt&#x017F;eins&#x201C; in der Gegenwart wendet,<lb/>
jenen Eindruck eines &#x201E;hohen, hehren, einer ver&#x017F;tandesmäßigen<lb/>
Ergründung unerreichbaren Seinsverhältni&#x017F;&#x017F;es&#x201C; als einen un-<lb/>
abhängig von jeder po&#x017F;itiven religiö&#x017F;en Norm berechtigten<lb/>
hin&#x017F;tellen und ihn auf den Thatbe&#x017F;tand begründen. Auch ohne<lb/>
Gottesglauben &#x017F;ollen wir ein&#x017F;ehen, daß ein Geheimniß uns<lb/>
um&#x017F;chwebt und da&#x017F;&#x017F;elbe mit einem religiö&#x017F;en, ehrfürchtigen<lb/>
Gefühle erfa&#x017F;&#x017F;en. Das Vorhanden&#x017F;ein eines Weltgeheimni&#x017F;&#x017F;es<lb/>
aber wird jeder vor&#x017F;ichtige Denker zugeben mü&#x017F;&#x017F;en. Für<lb/>
Duboc nun be&#x017F;teht jenes Weltengeheimniß in der Unendlich-<lb/>
keit und Unüber&#x017F;ehbarkeit des Weltproce&#x017F;&#x017F;es oder er will doch<lb/>
nur die&#x017F;es Moment des Geheimni&#x017F;&#x017F;es ins Auge gefaßt wi&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>Den in Frage &#x017F;tehenden &#x017F;eeli&#x017F;chen Eindruck aber be&#x017F;timmt<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[60/0069] darüber ſpannt ſich wie ein glänzender Regenbogen eine an- dere Sphäre aus. Sie iſt wie von einem jenſeitigen geheim- nißvollen Lichte durchleuchtet, wie von einem jenſeitigen geheimnißvollen Klange durchtönt. Ja, ſie iſt in der That in ihrem Verhältniß zu des Menſchen Jnneren nichts als die Einwirkung auf Phantaſie und Gemüth, die ſich dem Ein- druck zugeſellt, daß in allen dieſen religiöſen Momenten, in dem Daſein eines oberſten Lenkers, der gerecht richtet, in der unſere ſichtbare, ſinnfällige Vergänglichkeit aufhebenden Fort- dauer über Grab und Tod u. ſ. w., um den Menſchen ein hohes, hehres und einer verſtandsmäßigen Er- gründung unerreichbares Seinsverhältniß webt und beſteht. Soweit die Wirkung dieſes Eindrucks in dem Menſchen reicht, ſoweit er ihn trägt, belebt und ausfüllt, ſoweit auf dieſer Grundlage ſich ſein religiöſes Weſen eigen- artig aufbaut, ſoweit iſt daſſelbe ausſchließlich der äſthetiſchen Seite zuzurechnen.“ Duboc will, indem er ſich gegen die „Diesſeitigkeit“ unſerer Zeit, d. h. gegen das Befangenſein in rein menſch- lichen Jntereſſen oder mit anderen Worten gegen den „Nieder- gang des religiöſen Bewußtſeins“ in der Gegenwart wendet, jenen Eindruck eines „hohen, hehren, einer verſtandesmäßigen Ergründung unerreichbaren Seinsverhältniſſes“ als einen un- abhängig von jeder poſitiven religiöſen Norm berechtigten hinſtellen und ihn auf den Thatbeſtand begründen. Auch ohne Gottesglauben ſollen wir einſehen, daß ein Geheimniß uns umſchwebt und daſſelbe mit einem religiöſen, ehrfürchtigen Gefühle erfaſſen. Das Vorhandenſein eines Weltgeheimniſſes aber wird jeder vorſichtige Denker zugeben müſſen. Für Duboc nun beſteht jenes Weltengeheimniß in der Unendlich- keit und Unüberſehbarkeit des Weltproceſſes oder er will doch nur dieſes Moment des Geheimniſſes ins Auge gefaßt wiſſen. Den in Frage ſtehenden ſeeliſchen Eindruck aber beſtimmt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/druskowitz_religionsersatz_1886
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/druskowitz_religionsersatz_1886/69
Zitationshilfe: Druskowitz, Helene von: Moderne Versuche eines Religionsersatzes. Heidelberg, 1886, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/druskowitz_religionsersatz_1886/69>, abgerufen am 24.11.2024.