Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Druskowitz, Helene von: Moderne Versuche eines Religionsersatzes. Heidelberg, 1886.

Bild:
<< vorherige Seite

"Wer aber der Weiseste von euch ist, der ist auch nur
ein Zwiespalt und Zwitter von Pflanze und Gespenst. Aber
heiße ich euch zu Gespenstern oder Pflanzen werden?"

"Seht, ich lehre euch den Uebermenschen! Der Ueber-
mensch ist der Sinn der Erde! Euer Wille sage: der Ueber-
mensch sei der Sinn der Erde!"

"Jch beschwöre euch, meine Brüder, bleibt der Erde
treu und glaubt denen nicht, welche euch von überirdischen
Hoffnungen reden! Giftmischer sind es, ob sie es wissen
oder nicht."

"Verächter des Lebens sind es, Absterbende und selber
Vergiftete, deren die Erde müde ist: so mögen sie dahin-
fahren!"

"Einst war der Frevel an Gott der größte Frevel, aber
Gott starb und damit starben auch diese Frevelhaften. An
der Erde zu freveln, ist jetzt das Furchtbarste und die Ein-
geweide des Unerforschlichen höher zu achten, als den Sinn
der Erde." ......

"Was ist das Größte, das ihr erleben könnt? Das ist
die Stunde der großen Verachtung, die Stunde, in der euch
auch euer Glück zum Eckel wird und ebenso eure Vernunft
und euere Tugend."

"Die Stunde, wo ihr sagt: Was liegt an meinem
Glücke! Es ist Armuth und Schmutz und ein erbärmliches
Behagen. Aber mein Glück sollte das Dasein selber recht-
fertigen."

"Die Stunde, wo ihr sagt: Was liegt an meiner Ver-
nunft! begehrt sie nach Wissen, wie der Löwe nach seiner
Nahrung? Sie ist Armuth und Schmutz und ein erbärm-
liches Behagen!"

"Die Stunde, wo ihr sagt: Was liegt an meiner Ge-
rechtigkeit! Jch sehe nicht, daß ich Gluth und Kohle wäre!
Aber der Gerechte ist Gluth und Kohle!"

„Wer aber der Weiſeſte von euch iſt, der iſt auch nur
ein Zwieſpalt und Zwitter von Pflanze und Geſpenſt. Aber
heiße ich euch zu Geſpenſtern oder Pflanzen werden?“

„Seht, ich lehre euch den Uebermenſchen! Der Ueber-
menſch iſt der Sinn der Erde! Euer Wille ſage: der Ueber-
menſch ſei der Sinn der Erde!“

„Jch beſchwöre euch, meine Brüder, bleibt der Erde
treu und glaubt denen nicht, welche euch von überirdiſchen
Hoffnungen reden! Giftmiſcher ſind es, ob ſie es wiſſen
oder nicht.“

„Verächter des Lebens ſind es, Abſterbende und ſelber
Vergiftete, deren die Erde müde iſt: ſo mögen ſie dahin-
fahren!“

„Einſt war der Frevel an Gott der größte Frevel, aber
Gott ſtarb und damit ſtarben auch dieſe Frevelhaften. An
der Erde zu freveln, iſt jetzt das Furchtbarſte und die Ein-
geweide des Unerforſchlichen höher zu achten, als den Sinn
der Erde.“ ......

„Was iſt das Größte, das ihr erleben könnt? Das iſt
die Stunde der großen Verachtung, die Stunde, in der euch
auch euer Glück zum Eckel wird und ebenſo eure Vernunft
und euere Tugend.“

„Die Stunde, wo ihr ſagt: Was liegt an meinem
Glücke! Es iſt Armuth und Schmutz und ein erbärmliches
Behagen. Aber mein Glück ſollte das Daſein ſelber recht-
fertigen.“

„Die Stunde, wo ihr ſagt: Was liegt an meiner Ver-
nunft! begehrt ſie nach Wiſſen, wie der Löwe nach ſeiner
Nahrung? Sie iſt Armuth und Schmutz und ein erbärm-
liches Behagen!“

„Die Stunde, wo ihr ſagt: Was liegt an meiner Ge-
rechtigkeit! Jch ſehe nicht, daß ich Gluth und Kohle wäre!
Aber der Gerechte iſt Gluth und Kohle!“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0065" n="56"/>
        <p>&#x201E;Wer aber der Wei&#x017F;e&#x017F;te von euch i&#x017F;t, der i&#x017F;t auch nur<lb/>
ein Zwie&#x017F;palt und Zwitter von Pflanze und Ge&#x017F;pen&#x017F;t. Aber<lb/>
heiße ich euch zu Ge&#x017F;pen&#x017F;tern oder Pflanzen werden?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Seht, ich lehre euch den Uebermen&#x017F;chen! Der Ueber-<lb/>
men&#x017F;ch i&#x017F;t der Sinn der Erde! Euer Wille &#x017F;age: der Ueber-<lb/>
men&#x017F;ch <hi rendition="#g">&#x017F;ei</hi> der Sinn der Erde!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Jch be&#x017F;chwöre euch, meine Brüder, bleibt der Erde<lb/><hi rendition="#g">treu</hi> und glaubt denen nicht, welche euch von überirdi&#x017F;chen<lb/>
Hoffnungen reden! Giftmi&#x017F;cher &#x017F;ind es, ob &#x017F;ie es wi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
oder nicht.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Verächter des Lebens &#x017F;ind es, Ab&#x017F;terbende und &#x017F;elber<lb/>
Vergiftete, deren die Erde müde i&#x017F;t: &#x017F;o mögen &#x017F;ie dahin-<lb/>
fahren!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ein&#x017F;t war der Frevel an Gott der größte Frevel, aber<lb/>
Gott &#x017F;tarb und damit &#x017F;tarben auch die&#x017F;e Frevelhaften. An<lb/>
der Erde zu freveln, i&#x017F;t jetzt das Furchtbar&#x017F;te und die Ein-<lb/>
geweide des Unerfor&#x017F;chlichen höher zu achten, als den Sinn<lb/>
der Erde.&#x201C; ......</p><lb/>
        <p>&#x201E;Was i&#x017F;t das Größte, das ihr erleben könnt? Das i&#x017F;t<lb/>
die Stunde der großen Verachtung, die Stunde, in der euch<lb/>
auch euer Glück zum Eckel wird und eben&#x017F;o eure Vernunft<lb/>
und euere Tugend.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Die Stunde, wo ihr &#x017F;agt: Was liegt an meinem<lb/>
Glücke! Es i&#x017F;t Armuth und Schmutz und ein erbärmliches<lb/>
Behagen. Aber mein Glück &#x017F;ollte das Da&#x017F;ein &#x017F;elber recht-<lb/>
fertigen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Die Stunde, wo ihr &#x017F;agt: Was liegt an meiner Ver-<lb/>
nunft! begehrt &#x017F;ie nach Wi&#x017F;&#x017F;en, wie der Löwe nach &#x017F;einer<lb/>
Nahrung? Sie i&#x017F;t Armuth und Schmutz und ein erbärm-<lb/>
liches Behagen!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Die Stunde, wo ihr &#x017F;agt: Was liegt an meiner Ge-<lb/>
rechtigkeit! Jch &#x017F;ehe nicht, daß ich Gluth und Kohle wäre!<lb/>
Aber der Gerechte i&#x017F;t Gluth und Kohle!&#x201C;</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[56/0065] „Wer aber der Weiſeſte von euch iſt, der iſt auch nur ein Zwieſpalt und Zwitter von Pflanze und Geſpenſt. Aber heiße ich euch zu Geſpenſtern oder Pflanzen werden?“ „Seht, ich lehre euch den Uebermenſchen! Der Ueber- menſch iſt der Sinn der Erde! Euer Wille ſage: der Ueber- menſch ſei der Sinn der Erde!“ „Jch beſchwöre euch, meine Brüder, bleibt der Erde treu und glaubt denen nicht, welche euch von überirdiſchen Hoffnungen reden! Giftmiſcher ſind es, ob ſie es wiſſen oder nicht.“ „Verächter des Lebens ſind es, Abſterbende und ſelber Vergiftete, deren die Erde müde iſt: ſo mögen ſie dahin- fahren!“ „Einſt war der Frevel an Gott der größte Frevel, aber Gott ſtarb und damit ſtarben auch dieſe Frevelhaften. An der Erde zu freveln, iſt jetzt das Furchtbarſte und die Ein- geweide des Unerforſchlichen höher zu achten, als den Sinn der Erde.“ ...... „Was iſt das Größte, das ihr erleben könnt? Das iſt die Stunde der großen Verachtung, die Stunde, in der euch auch euer Glück zum Eckel wird und ebenſo eure Vernunft und euere Tugend.“ „Die Stunde, wo ihr ſagt: Was liegt an meinem Glücke! Es iſt Armuth und Schmutz und ein erbärmliches Behagen. Aber mein Glück ſollte das Daſein ſelber recht- fertigen.“ „Die Stunde, wo ihr ſagt: Was liegt an meiner Ver- nunft! begehrt ſie nach Wiſſen, wie der Löwe nach ſeiner Nahrung? Sie iſt Armuth und Schmutz und ein erbärm- liches Behagen!“ „Die Stunde, wo ihr ſagt: Was liegt an meiner Ge- rechtigkeit! Jch ſehe nicht, daß ich Gluth und Kohle wäre! Aber der Gerechte iſt Gluth und Kohle!“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/druskowitz_religionsersatz_1886
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/druskowitz_religionsersatz_1886/65
Zitationshilfe: Druskowitz, Helene von: Moderne Versuche eines Religionsersatzes. Heidelberg, 1886, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/druskowitz_religionsersatz_1886/65>, abgerufen am 24.11.2024.