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Druskowitz, Helene von: Moderne Versuche eines Religionsersatzes. Heidelberg, 1886.

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des Menschen. Die Antworten, welche seine Religion auf
diese Fragen gibt, bilden die Weltanschauung des Gläubigen,
an der er festhält, von deren Wahrheit er erfüllt ist, ist er
auch unfähig, sie zu begreifen. Wenn nun das Vertrauen
zu diesen Vorstellungen aufhört, wenn der frühere Bekenner
einsieht, daß dieselben nur sensu allegorico zu nehmen, wie
wird er sich dann zu ihnen verhalten, werden sie wirklich
noch eine in sein Leben einschneidende Bedeutung haben?

Bevor wir jedoch diese Frage beantworten, wollen wir
die Beispiele prüfen, die Lange anführt, um zu beweisen, daß
die Gebildeten von jeher eine der seinen ähnliche Auffassung
der Religion gehabt, das Volk diesen Sachverhalt wenigstens
dunkel geahnt habe.

Erstes Beispiel: "Wenn dieser Sachverhalt nicht klar im
Bewußtsein der Weisen und wenigstens in Ahnungen auch
im Bewußtsein des Volkes gelegen hätte, wie hätten sonst in
Griechenland und Rom der Dichter, der Bildhauer es wagen
dürfen, den Mythus lebendig fortzugestalten, dem Jdeale der
Gottheit neue Formen zu geben?"

Es ist hierauf zu erwidern, daß die Griechen allerdings
früh begonnen haben, ihre Götter als Phantasiegebilde zu
betrachten. Doch war eben ihre Ungläubigkeit nicht zum ge-
ringsten Theile Schuld an ihrem frühzeitigen Ruin, ein Um-
stand, der den schlagendsten Beweis gegen die Richtigkeit der
Anschauung unseres Philosophen bildet, daß die Religion
noch einen Halt bieten könne, wenn sie nur mehr als alle-
gorisch-symbolische Dichtung gefaßt wird. Ein Volk, dem
seine Götter nicht mehr ein Gegenstand gläubiger Verehrung
zu sein vermögen, bedarf eben eines Ersatzes der Religion
durch vertrauenswürdigere Vorstellungen und Jdeale.

Zweites Beispiel: "Daher auch der Werth, den wahr-
haft fromme Gemüther stets auf das innere Erfahren und
Erleben als Beweis des Glaubens gelegt haben. Viele dieser

des Menſchen. Die Antworten, welche ſeine Religion auf
dieſe Fragen gibt, bilden die Weltanſchauung des Gläubigen,
an der er feſthält, von deren Wahrheit er erfüllt iſt, iſt er
auch unfähig, ſie zu begreifen. Wenn nun das Vertrauen
zu dieſen Vorſtellungen aufhört, wenn der frühere Bekenner
einſieht, daß dieſelben nur sensu allegorico zu nehmen, wie
wird er ſich dann zu ihnen verhalten, werden ſie wirklich
noch eine in ſein Leben einſchneidende Bedeutung haben?

Bevor wir jedoch dieſe Frage beantworten, wollen wir
die Beiſpiele prüfen, die Lange anführt, um zu beweiſen, daß
die Gebildeten von jeher eine der ſeinen ähnliche Auffaſſung
der Religion gehabt, das Volk dieſen Sachverhalt wenigſtens
dunkel geahnt habe.

Erſtes Beiſpiel: „Wenn dieſer Sachverhalt nicht klar im
Bewußtſein der Weiſen und wenigſtens in Ahnungen auch
im Bewußtſein des Volkes gelegen hätte, wie hätten ſonſt in
Griechenland und Rom der Dichter, der Bildhauer es wagen
dürfen, den Mythus lebendig fortzugeſtalten, dem Jdeale der
Gottheit neue Formen zu geben?“

Es iſt hierauf zu erwidern, daß die Griechen allerdings
früh begonnen haben, ihre Götter als Phantaſiegebilde zu
betrachten. Doch war eben ihre Ungläubigkeit nicht zum ge-
ringſten Theile Schuld an ihrem frühzeitigen Ruin, ein Um-
ſtand, der den ſchlagendſten Beweis gegen die Richtigkeit der
Anſchauung unſeres Philoſophen bildet, daß die Religion
noch einen Halt bieten könne, wenn ſie nur mehr als alle-
goriſch-ſymboliſche Dichtung gefaßt wird. Ein Volk, dem
ſeine Götter nicht mehr ein Gegenſtand gläubiger Verehrung
zu ſein vermögen, bedarf eben eines Erſatzes der Religion
durch vertrauenswürdigere Vorſtellungen und Jdeale.

Zweites Beiſpiel: „Daher auch der Werth, den wahr-
haft fromme Gemüther ſtets auf das innere Erfahren und
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[42/0051] des Menſchen. Die Antworten, welche ſeine Religion auf dieſe Fragen gibt, bilden die Weltanſchauung des Gläubigen, an der er feſthält, von deren Wahrheit er erfüllt iſt, iſt er auch unfähig, ſie zu begreifen. Wenn nun das Vertrauen zu dieſen Vorſtellungen aufhört, wenn der frühere Bekenner einſieht, daß dieſelben nur sensu allegorico zu nehmen, wie wird er ſich dann zu ihnen verhalten, werden ſie wirklich noch eine in ſein Leben einſchneidende Bedeutung haben? Bevor wir jedoch dieſe Frage beantworten, wollen wir die Beiſpiele prüfen, die Lange anführt, um zu beweiſen, daß die Gebildeten von jeher eine der ſeinen ähnliche Auffaſſung der Religion gehabt, das Volk dieſen Sachverhalt wenigſtens dunkel geahnt habe. Erſtes Beiſpiel: „Wenn dieſer Sachverhalt nicht klar im Bewußtſein der Weiſen und wenigſtens in Ahnungen auch im Bewußtſein des Volkes gelegen hätte, wie hätten ſonſt in Griechenland und Rom der Dichter, der Bildhauer es wagen dürfen, den Mythus lebendig fortzugeſtalten, dem Jdeale der Gottheit neue Formen zu geben?“ Es iſt hierauf zu erwidern, daß die Griechen allerdings früh begonnen haben, ihre Götter als Phantaſiegebilde zu betrachten. Doch war eben ihre Ungläubigkeit nicht zum ge- ringſten Theile Schuld an ihrem frühzeitigen Ruin, ein Um- ſtand, der den ſchlagendſten Beweis gegen die Richtigkeit der Anſchauung unſeres Philoſophen bildet, daß die Religion noch einen Halt bieten könne, wenn ſie nur mehr als alle- goriſch-ſymboliſche Dichtung gefaßt wird. Ein Volk, dem ſeine Götter nicht mehr ein Gegenſtand gläubiger Verehrung zu ſein vermögen, bedarf eben eines Erſatzes der Religion durch vertrauenswürdigere Vorſtellungen und Jdeale. Zweites Beiſpiel: „Daher auch der Werth, den wahr- haft fromme Gemüther ſtets auf das innere Erfahren und Erleben als Beweis des Glaubens gelegt haben. Viele dieſer

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Zitationshilfe: Druskowitz, Helene von: Moderne Versuche eines Religionsersatzes. Heidelberg, 1886, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/druskowitz_religionsersatz_1886/51>, abgerufen am 24.11.2024.