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Druskowitz, Helene von: Moderne Versuche eines Religionsersatzes. Heidelberg, 1886.

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wiesen, die Stellung, in welche der Mensch zur Natur gebracht
wird. Die letztere wird in Uebereinstimmung mit den ersten
Voraussetzungen der Comte'schen Philosophie rein nur als
Mechanismus gefaßt, welchem sich der Mensch entweder
widerstandslos unterwirft, oder den er in einem gewissen
Grade meistern und modifiziren kann. Sie ist dem Menschen
nur Schranke oder Medium, nichts weiter. Comte stellt den
Menschen der Natur also ganz äußerlich gegenüber, statt ihn
in lebendigen Zusammenhang mit ihr zu bringen, sie als
seine Grundlage, als seine Gebärerin zu fassen, und somit
müssen alle Empfindungen, welche aus dem so gedachten
Verhältnisse entspringen, der Wärme und Tiefe entbehren*).
Erst bei Feuerbach wird das Moment der Bedingtheit des
Menschen durch die Natur in einer befriedigenden Weise be-
stimmt und dadurch ein Anknüpfungspunkt für das mensch-
liche Streben gewonnen.

Unmöglich ferner ist das Verhältniß des Jndividuums
zur Gesellschaft, zur Menschheit, wie Comte es denkt. Ein
Altruismus in der Ausdehnung, wie unser Philosoph ihn
wünscht, würde zur Auflösung des Jndividuums, würde zu
einem Zustande führen, der in seiner Art kaum weniger un-
erträglich wäre, wie ein allgemeiner Fehde- und Kriegs-
zustand. Niemand würde mehr in sich selbst zu Hause sein,
Niemand mehr seine eigenen Wege gehen, seine eigenen Ziele
verfolgen dürfen und eine schreckliche Monotonie würde über
dem Leben lagern. Vortrefflich hat Herbert Spencer in

*) Jn "Synthese subjective", Comte's letztem Werke, wird der
Zusammenhang zwischen Mensch und Natur freilich anders gedacht.
Hier erscheinen die Himmelskörper mit Empfindung begabt, das Uni-
versum zur Förderung des Menschen mitwirkend. Doch ist diese Auf-
fassung jenes Verhältnisses ebenso weit von einer rationellen Deutung
entfernt, wie die rein äußerliche Gegenüberstellung von Mensch und
Natur in der Politique positive.

wieſen, die Stellung, in welche der Menſch zur Natur gebracht
wird. Die letztere wird in Uebereinſtimmung mit den erſten
Vorausſetzungen der Comte’ſchen Philoſophie rein nur als
Mechanismus gefaßt, welchem ſich der Menſch entweder
widerſtandslos unterwirft, oder den er in einem gewiſſen
Grade meiſtern und modifiziren kann. Sie iſt dem Menſchen
nur Schranke oder Medium, nichts weiter. Comte ſtellt den
Menſchen der Natur alſo ganz äußerlich gegenüber, ſtatt ihn
in lebendigen Zuſammenhang mit ihr zu bringen, ſie als
ſeine Grundlage, als ſeine Gebärerin zu faſſen, und ſomit
müſſen alle Empfindungen, welche aus dem ſo gedachten
Verhältniſſe entſpringen, der Wärme und Tiefe entbehren*).
Erſt bei Feuerbach wird das Moment der Bedingtheit des
Menſchen durch die Natur in einer befriedigenden Weiſe be-
ſtimmt und dadurch ein Anknüpfungspunkt für das menſch-
liche Streben gewonnen.

Unmöglich ferner iſt das Verhältniß des Jndividuums
zur Geſellſchaft, zur Menſchheit, wie Comte es denkt. Ein
Altruismus in der Ausdehnung, wie unſer Philoſoph ihn
wünſcht, würde zur Auflöſung des Jndividuums, würde zu
einem Zuſtande führen, der in ſeiner Art kaum weniger un-
erträglich wäre, wie ein allgemeiner Fehde- und Kriegs-
zuſtand. Niemand würde mehr in ſich ſelbſt zu Hauſe ſein,
Niemand mehr ſeine eigenen Wege gehen, ſeine eigenen Ziele
verfolgen dürfen und eine ſchreckliche Monotonie würde über
dem Leben lagern. Vortrefflich hat Herbert Spencer in

*) Jn „Synthèse subjective“, Comte’s letztem Werke, wird der
Zuſammenhang zwiſchen Menſch und Natur freilich anders gedacht.
Hier erſcheinen die Himmelskörper mit Empfindung begabt, das Uni-
verſum zur Förderung des Menſchen mitwirkend. Doch iſt dieſe Auf-
faſſung jenes Verhältniſſes ebenſo weit von einer rationellen Deutung
entfernt, wie die rein äußerliche Gegenüberſtellung von Menſch und
Natur in der Politique positive.
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[23/0032] wieſen, die Stellung, in welche der Menſch zur Natur gebracht wird. Die letztere wird in Uebereinſtimmung mit den erſten Vorausſetzungen der Comte’ſchen Philoſophie rein nur als Mechanismus gefaßt, welchem ſich der Menſch entweder widerſtandslos unterwirft, oder den er in einem gewiſſen Grade meiſtern und modifiziren kann. Sie iſt dem Menſchen nur Schranke oder Medium, nichts weiter. Comte ſtellt den Menſchen der Natur alſo ganz äußerlich gegenüber, ſtatt ihn in lebendigen Zuſammenhang mit ihr zu bringen, ſie als ſeine Grundlage, als ſeine Gebärerin zu faſſen, und ſomit müſſen alle Empfindungen, welche aus dem ſo gedachten Verhältniſſe entſpringen, der Wärme und Tiefe entbehren *). Erſt bei Feuerbach wird das Moment der Bedingtheit des Menſchen durch die Natur in einer befriedigenden Weiſe be- ſtimmt und dadurch ein Anknüpfungspunkt für das menſch- liche Streben gewonnen. Unmöglich ferner iſt das Verhältniß des Jndividuums zur Geſellſchaft, zur Menſchheit, wie Comte es denkt. Ein Altruismus in der Ausdehnung, wie unſer Philoſoph ihn wünſcht, würde zur Auflöſung des Jndividuums, würde zu einem Zuſtande führen, der in ſeiner Art kaum weniger un- erträglich wäre, wie ein allgemeiner Fehde- und Kriegs- zuſtand. Niemand würde mehr in ſich ſelbſt zu Hauſe ſein, Niemand mehr ſeine eigenen Wege gehen, ſeine eigenen Ziele verfolgen dürfen und eine ſchreckliche Monotonie würde über dem Leben lagern. Vortrefflich hat Herbert Spencer in *) Jn „Synthèse subjective“, Comte’s letztem Werke, wird der Zuſammenhang zwiſchen Menſch und Natur freilich anders gedacht. Hier erſcheinen die Himmelskörper mit Empfindung begabt, das Uni- verſum zur Förderung des Menſchen mitwirkend. Doch iſt dieſe Auf- faſſung jenes Verhältniſſes ebenſo weit von einer rationellen Deutung entfernt, wie die rein äußerliche Gegenüberſtellung von Menſch und Natur in der Politique positive.

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Zitationshilfe: Druskowitz, Helene von: Moderne Versuche eines Religionsersatzes. Heidelberg, 1886, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/druskowitz_religionsersatz_1886/32>, abgerufen am 24.11.2024.