Druskowitz, Helene von: Moderne Versuche eines Religionsersatzes. Heidelberg, 1886.ligionsstifter das Schema des Katholicismus vielfach als Comte war, nachdem er sein "Systeme de Philosophie Doch bedurfte es eines besonderen Anlasses, der, wie *) Die positive Philosophie (übersetzt von J. H. von Kirchmann)
1. Band, S. 17: "Jndem ich es als Ziel der (positiven) Philosophie hingestellt habe, das Ganze der bisher gewonnenen Kenntnisse in Be- zug auf die verschiedenen Klassen von Vorgängen in eine gleichzeitige Lehre zusammenzufassen, bin ich doch weit entfernt, diese Vorgänge als die verschiedenen Wirkungen eines einzigen Prinzipes anzusehen; vielmehr halte ich alle Unternehmen für verfehlt, welche aus einem einzigen Ge- setze sämmtliche Vorgänge ableiten wollen, selbst wenn solche Ver- suche von den berufensten Geistern ausgehen sollten. Der menschliche Geist dürfte zu schwach und das Weltall zu verwickelt sein, als daß wir jemals eine solche Vollkommenheit des Wissens erreichen könnten." ligionsſtifter das Schema des Katholicismus vielfach als Comte war, nachdem er ſein „Système de Philosophie Doch bedurfte es eines beſonderen Anlaſſes, der, wie *) Die poſitive Philoſophie (überſetzt von J. H. von Kirchmann)
1. Band, S. 17: „Jndem ich es als Ziel der (poſitiven) Philoſophie hingeſtellt habe, das Ganze der bisher gewonnenen Kenntniſſe in Be- zug auf die verſchiedenen Klaſſen von Vorgängen in eine gleichzeitige Lehre zuſammenzufaſſen, bin ich doch weit entfernt, dieſe Vorgänge als die verſchiedenen Wirkungen eines einzigen Prinzipes anzuſehen; vielmehr halte ich alle Unternehmen für verfehlt, welche aus einem einzigen Ge- ſetze ſämmtliche Vorgänge ableiten wollen, ſelbſt wenn ſolche Ver- ſuche von den berufenſten Geiſtern ausgehen ſollten. Der menſchliche Geiſt dürfte zu ſchwach und das Weltall zu verwickelt ſein, als daß wir jemals eine ſolche Vollkommenheit des Wiſſens erreichen könnten.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0018" n="9"/> ligionsſtifter das Schema des Katholicismus vielfach als<lb/> Vorbild gedient.</p><lb/> <p>Comte war, nachdem er ſein „<hi rendition="#aq">Système de Philosophie<lb/> positive</hi>“ beendet, von dem Reſultate dieſes Werkes nicht be-<lb/> friedigt. Was ihm von Jugend auf vorſchwebte, war eine<lb/> Reform der Geſellſchaft, und er hatte zunächſt nur eine Re-<lb/> form der Geſellſchaftslehre vollbracht, als derjenigen Wiſſen-<lb/> ſchaft, die, ſeiner „encyclopädiſchen Formel“ gemäß, Krone<lb/> und Gipfel aller anderen Disciplinen war, und zwar hatte er<lb/> dieſe Reform dadurch vorgenommen, daß er auf die Geſellſchafts-<lb/> lehre, in der damals noch die theologiſche und metaphyſiſche<lb/> Methode herrſchten, die poſitive anwandte, die in den<lb/> anderen Wiſſenſchaften bereits Eingang gefunden. Comte<lb/> ſah jedoch, daß es Höheres gebe als Verſtand und<lb/> Wiſſen, daß die wahre Reform der Geſellſchaft durch das<lb/> Herz, durch das Gefühl erfolgen, daß die Philoſophie in<lb/> Religion gipfeln müſſe. Der objektive Curſus könne nur<lb/> eine Vorbereitung der ſubjektiven Lehre ſein; die Einheit,<lb/> auf welche Comte auf dem Gebiete der objektiven Wiſſen-<lb/> ſchaften verzichtete<note place="foot" n="*)">Die poſitive Philoſophie (überſetzt von J. H. von Kirchmann)<lb/> 1. Band, S. 17: „Jndem ich es als Ziel der (poſitiven) Philoſophie<lb/> hingeſtellt habe, das Ganze der bisher gewonnenen Kenntniſſe in Be-<lb/> zug auf die verſchiedenen Klaſſen von Vorgängen in <hi rendition="#g">eine</hi> gleichzeitige<lb/> Lehre zuſammenzufaſſen, bin ich doch weit entfernt, dieſe Vorgänge als<lb/> die verſchiedenen Wirkungen eines einzigen Prinzipes anzuſehen; vielmehr<lb/> halte ich alle Unternehmen für verfehlt, welche aus einem einzigen Ge-<lb/> ſetze ſämmtliche Vorgänge ableiten wollen, ſelbſt wenn ſolche Ver-<lb/> ſuche von den berufenſten Geiſtern ausgehen ſollten. Der menſchliche<lb/> Geiſt dürfte zu ſchwach und das Weltall zu verwickelt ſein, als daß<lb/> wir jemals eine ſolche Vollkommenheit des Wiſſens erreichen könnten.“</note>, glaubte er in einer Menſchheitsreligion,<lb/> alſo auf ſubjektive Weiſe herſtellen zu können.</p><lb/> <p>Doch bedurfte es eines beſonderen Anlaſſes, der, wie<lb/> er meinte, ihn befähigte, ein Reformator der Menſchheit zu<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [9/0018]
ligionsſtifter das Schema des Katholicismus vielfach als
Vorbild gedient.
Comte war, nachdem er ſein „Système de Philosophie
positive“ beendet, von dem Reſultate dieſes Werkes nicht be-
friedigt. Was ihm von Jugend auf vorſchwebte, war eine
Reform der Geſellſchaft, und er hatte zunächſt nur eine Re-
form der Geſellſchaftslehre vollbracht, als derjenigen Wiſſen-
ſchaft, die, ſeiner „encyclopädiſchen Formel“ gemäß, Krone
und Gipfel aller anderen Disciplinen war, und zwar hatte er
dieſe Reform dadurch vorgenommen, daß er auf die Geſellſchafts-
lehre, in der damals noch die theologiſche und metaphyſiſche
Methode herrſchten, die poſitive anwandte, die in den
anderen Wiſſenſchaften bereits Eingang gefunden. Comte
ſah jedoch, daß es Höheres gebe als Verſtand und
Wiſſen, daß die wahre Reform der Geſellſchaft durch das
Herz, durch das Gefühl erfolgen, daß die Philoſophie in
Religion gipfeln müſſe. Der objektive Curſus könne nur
eine Vorbereitung der ſubjektiven Lehre ſein; die Einheit,
auf welche Comte auf dem Gebiete der objektiven Wiſſen-
ſchaften verzichtete *), glaubte er in einer Menſchheitsreligion,
alſo auf ſubjektive Weiſe herſtellen zu können.
Doch bedurfte es eines beſonderen Anlaſſes, der, wie
er meinte, ihn befähigte, ein Reformator der Menſchheit zu
*) Die poſitive Philoſophie (überſetzt von J. H. von Kirchmann)
1. Band, S. 17: „Jndem ich es als Ziel der (poſitiven) Philoſophie
hingeſtellt habe, das Ganze der bisher gewonnenen Kenntniſſe in Be-
zug auf die verſchiedenen Klaſſen von Vorgängen in eine gleichzeitige
Lehre zuſammenzufaſſen, bin ich doch weit entfernt, dieſe Vorgänge als
die verſchiedenen Wirkungen eines einzigen Prinzipes anzuſehen; vielmehr
halte ich alle Unternehmen für verfehlt, welche aus einem einzigen Ge-
ſetze ſämmtliche Vorgänge ableiten wollen, ſelbſt wenn ſolche Ver-
ſuche von den berufenſten Geiſtern ausgehen ſollten. Der menſchliche
Geiſt dürfte zu ſchwach und das Weltall zu verwickelt ſein, als daß
wir jemals eine ſolche Vollkommenheit des Wiſſens erreichen könnten.“
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