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Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890.

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Insektenwelt und Befruchtung.
Standort beschützt. Auch diese Arten sind aber gezwungen,
ihre Periode an die des Sumpfmooses oder der Wiesen-
gräser anzulehnen, die lichtvollen Zeiten auszunutzen,
mit dem in die Höhe wuchernden Moose selbst in die
Höhe zu wachsen, die durch den nassen Untergrund be-
wirkte Dauer niederer Bodentemperaturen zu ertragen.

Neue Beziehungen schafft die Tierwelt durch ihre
Beihilfe bei der Befruchtung der Blüten und als Verbrei-
tungsmittel notwendiger oder fördernder Art für Früchte
oder Samen. Die auf die Insektenkreuzung angewiesenen
Blüten müssen in ihrer Entwickelungsperiode die Flugzeit
der ersteren treffen, sie müssen auch ihre Blüten den
Insekten gegenüber zur Schau stellen. Johows Erörterungen
darüber (s. G. J., Bd. XI, S. 108) bieten gewiss ein bio-
logisch nicht zu unterschätzendes Moment, indem sie an
die Blüten nicht in morphologischer Hinsicht herangehen,
sondern sie in ihrer auf die Augen wirkenden Gesamt-
masse auffassen, wo sie nicht selten auch auf das Zu-
standekommen eines bestimmten physiognomischen Land-
schaftsbildes einen bedeutenden Einfluss üben. Die Gross-
blumigkeit der zierlichen arktischen und hocharktischen
Gewächse ist bekannt und seit lange auf die Seltenheit
der Insekten in diesen Gegenden als biologisches Moment
zurückgeführt. Die Stellung und verhältnismässige Klein-
heit der Blüten an den meisten stolzen Tropenbäumen
hat Wallace mit Geschick auf die ganz anders in ihren
Lebensgewohnheiten sich verhaltende Insektenwelt zurück-
geführt, wovon in der fünften Abteilung dieses Handbuches
die Rede sein wird. Ebenso hat man Eigentümlichkeiten
in den Schauapparaten der Blüten von der neuseeländi-
schen Flora auf bestimmende Unterschiede der dortigen
Insektenwelt bezogen.

Auf der anderen Seite sind Ausbreitungen gewisser
Pflanzenarten, deren Samen mit Haftorganen versehen sind
oder deren Fleischfrüchte gefressen werden, ja auch Ver-
schleppungen ganzer lebender Pflanzenteile (bei Wasser-
gewächsen) durch Züge von Vögeln, durch den Pelz
weidender Tiere, bekannt genug, um den Einfluss auch
dieser Organismen auf Areale und Heimatverschiebungen

Insektenwelt und Befruchtung.
Standort beschützt. Auch diese Arten sind aber gezwungen,
ihre Periode an die des Sumpfmooses oder der Wiesen-
gräser anzulehnen, die lichtvollen Zeiten auszunutzen,
mit dem in die Höhe wuchernden Moose selbst in die
Höhe zu wachsen, die durch den nassen Untergrund be-
wirkte Dauer niederer Bodentemperaturen zu ertragen.

Neue Beziehungen schafft die Tierwelt durch ihre
Beihilfe bei der Befruchtung der Blüten und als Verbrei-
tungsmittel notwendiger oder fördernder Art für Früchte
oder Samen. Die auf die Insektenkreuzung angewiesenen
Blüten müssen in ihrer Entwickelungsperiode die Flugzeit
der ersteren treffen, sie müssen auch ihre Blüten den
Insekten gegenüber zur Schau stellen. Johows Erörterungen
darüber (s. G. J., Bd. XI, S. 108) bieten gewiss ein bio-
logisch nicht zu unterschätzendes Moment, indem sie an
die Blüten nicht in morphologischer Hinsicht herangehen,
sondern sie in ihrer auf die Augen wirkenden Gesamt-
masse auffassen, wo sie nicht selten auch auf das Zu-
standekommen eines bestimmten physiognomischen Land-
schaftsbildes einen bedeutenden Einfluss üben. Die Gross-
blumigkeit der zierlichen arktischen und hocharktischen
Gewächse ist bekannt und seit lange auf die Seltenheit
der Insekten in diesen Gegenden als biologisches Moment
zurückgeführt. Die Stellung und verhältnismässige Klein-
heit der Blüten an den meisten stolzen Tropenbäumen
hat Wallace mit Geschick auf die ganz anders in ihren
Lebensgewohnheiten sich verhaltende Insektenwelt zurück-
geführt, wovon in der fünften Abteilung dieses Handbuches
die Rede sein wird. Ebenso hat man Eigentümlichkeiten
in den Schauapparaten der Blüten von der neuseeländi-
schen Flora auf bestimmende Unterschiede der dortigen
Insektenwelt bezogen.

Auf der anderen Seite sind Ausbreitungen gewisser
Pflanzenarten, deren Samen mit Haftorganen versehen sind
oder deren Fleischfrüchte gefressen werden, ja auch Ver-
schleppungen ganzer lebender Pflanzenteile (bei Wasser-
gewächsen) durch Züge von Vögeln, durch den Pelz
weidender Tiere, bekannt genug, um den Einfluss auch
dieser Organismen auf Areale und Heimatverschiebungen

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[60/0082] Insektenwelt und Befruchtung. Standort beschützt. Auch diese Arten sind aber gezwungen, ihre Periode an die des Sumpfmooses oder der Wiesen- gräser anzulehnen, die lichtvollen Zeiten auszunutzen, mit dem in die Höhe wuchernden Moose selbst in die Höhe zu wachsen, die durch den nassen Untergrund be- wirkte Dauer niederer Bodentemperaturen zu ertragen. Neue Beziehungen schafft die Tierwelt durch ihre Beihilfe bei der Befruchtung der Blüten und als Verbrei- tungsmittel notwendiger oder fördernder Art für Früchte oder Samen. Die auf die Insektenkreuzung angewiesenen Blüten müssen in ihrer Entwickelungsperiode die Flugzeit der ersteren treffen, sie müssen auch ihre Blüten den Insekten gegenüber zur Schau stellen. Johows Erörterungen darüber (s. G. J., Bd. XI, S. 108) bieten gewiss ein bio- logisch nicht zu unterschätzendes Moment, indem sie an die Blüten nicht in morphologischer Hinsicht herangehen, sondern sie in ihrer auf die Augen wirkenden Gesamt- masse auffassen, wo sie nicht selten auch auf das Zu- standekommen eines bestimmten physiognomischen Land- schaftsbildes einen bedeutenden Einfluss üben. Die Gross- blumigkeit der zierlichen arktischen und hocharktischen Gewächse ist bekannt und seit lange auf die Seltenheit der Insekten in diesen Gegenden als biologisches Moment zurückgeführt. Die Stellung und verhältnismässige Klein- heit der Blüten an den meisten stolzen Tropenbäumen hat Wallace mit Geschick auf die ganz anders in ihren Lebensgewohnheiten sich verhaltende Insektenwelt zurück- geführt, wovon in der fünften Abteilung dieses Handbuches die Rede sein wird. Ebenso hat man Eigentümlichkeiten in den Schauapparaten der Blüten von der neuseeländi- schen Flora auf bestimmende Unterschiede der dortigen Insektenwelt bezogen. Auf der anderen Seite sind Ausbreitungen gewisser Pflanzenarten, deren Samen mit Haftorganen versehen sind oder deren Fleischfrüchte gefressen werden, ja auch Ver- schleppungen ganzer lebender Pflanzenteile (bei Wasser- gewächsen) durch Züge von Vögeln, durch den Pelz weidender Tiere, bekannt genug, um den Einfluss auch dieser Organismen auf Areale und Heimatverschiebungen

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Zitationshilfe: Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/82>, abgerufen am 22.11.2024.