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Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890.

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Beziehungen zur organischen Welt.

Lebenslage durch organische Mitbewohner. Nur
kurz braucht hier auf die Veränderungen hingewiesen zu
werden, welche die Erdoberfläche durch die Massen zu-
mal gesellig lebender Gewächse erlitten hat und wodurch
neben jenen durch die Verschiedenheit des anorganischen
Substrates bedingten Lebensverhältnissen wiederum neue,
organisch verursachte, erstehen. Die Wälder bilden eine
tiefe humusreiche Erdschicht, in welcher zahlreiche Be-
wohner mit grossem oder geringem Lichtbedürfnis ihre
eigenartigen Existenzbedingungen finden und gezwungen
sind, ihre eigene Periodizität sich nach dem wechselnden
Zustande der mächtigeren Genossen richten zu lassen.
So blühen in den deutschen Wäldern zahlreiche Anemo-
nen und Primeln vor der Belaubung der Bäume und
vollenden nahezu ihre ganze Lebensperiode im Frühjahr,
da der Sommer sie durch den Laubschmuck des Waldes
des nötigen Lichtes beraubt; im Hochsommer dagegen
kommen die chlorophylllosen Saprophyten, Pilze und
seltenere Blütenpflanzen, aus dem tiefgründigen Humus
zum Vorschein, in ihrer Ernährung auf das angewiesen,
was vorjährige Assimilationsleistungen der Bäume für sie
übrig gelassen. In den immergrünen Tropenwaldungen
findet man niemals die lichterfüllte Frühlingsperiode am
Boden der nordischen Wälder, und es fehlen daher auch
alle die darauf bezüglichen Gewächse, während zahlreiche
Epiphyten hoch in den Kronen ihre Wohnstätte einge-
richtet haben und nun also, der steten Wasserzufuhr aus
dem Erdreich beraubt, auf neue Einrichtungen zur Ge-
winnung der nötigen Feuchtigkeit sich umwandeln müssen.
Alle Parasiten teilen naturgemäss die Verbreitungsgrenzen
ihrer Wirte, sind aber unabhängiger von deren Lebens-
periode. Die Moore und Wiesen bieten andere Beispiele
für die Abhängigkeit vieler Pflanzenarten von den Lebens-
gewohnheiten der grösseren Menge ihrer Umgebung; eine
Menge der dort zahlreich und weit verbreiteten Gewächse
kommt in der Natur nur schwierig an anderen Stand-
orten fort, da sie die wassersammelnde Eigenschaft des
Sumpfmooses in einem, der dichte Rasenwuchs von Gräsern
im anderen Falle unterstützt oder im Kampfe um den

Beziehungen zur organischen Welt.

Lebenslage durch organische Mitbewohner. Nur
kurz braucht hier auf die Veränderungen hingewiesen zu
werden, welche die Erdoberfläche durch die Massen zu-
mal gesellig lebender Gewächse erlitten hat und wodurch
neben jenen durch die Verschiedenheit des anorganischen
Substrates bedingten Lebensverhältnissen wiederum neue,
organisch verursachte, erstehen. Die Wälder bilden eine
tiefe humusreiche Erdschicht, in welcher zahlreiche Be-
wohner mit grossem oder geringem Lichtbedürfnis ihre
eigenartigen Existenzbedingungen finden und gezwungen
sind, ihre eigene Periodizität sich nach dem wechselnden
Zustande der mächtigeren Genossen richten zu lassen.
So blühen in den deutschen Wäldern zahlreiche Anemo-
nen und Primeln vor der Belaubung der Bäume und
vollenden nahezu ihre ganze Lebensperiode im Frühjahr,
da der Sommer sie durch den Laubschmuck des Waldes
des nötigen Lichtes beraubt; im Hochsommer dagegen
kommen die chlorophylllosen Saprophyten, Pilze und
seltenere Blütenpflanzen, aus dem tiefgründigen Humus
zum Vorschein, in ihrer Ernährung auf das angewiesen,
was vorjährige Assimilationsleistungen der Bäume für sie
übrig gelassen. In den immergrünen Tropenwaldungen
findet man niemals die lichterfüllte Frühlingsperiode am
Boden der nordischen Wälder, und es fehlen daher auch
alle die darauf bezüglichen Gewächse, während zahlreiche
Epiphyten hoch in den Kronen ihre Wohnstätte einge-
richtet haben und nun also, der steten Wasserzufuhr aus
dem Erdreich beraubt, auf neue Einrichtungen zur Ge-
winnung der nötigen Feuchtigkeit sich umwandeln müssen.
Alle Parasiten teilen naturgemäss die Verbreitungsgrenzen
ihrer Wirte, sind aber unabhängiger von deren Lebens-
periode. Die Moore und Wiesen bieten andere Beispiele
für die Abhängigkeit vieler Pflanzenarten von den Lebens-
gewohnheiten der grösseren Menge ihrer Umgebung; eine
Menge der dort zahlreich und weit verbreiteten Gewächse
kommt in der Natur nur schwierig an anderen Stand-
orten fort, da sie die wassersammelnde Eigenschaft des
Sumpfmooses in einem, der dichte Rasenwuchs von Gräsern
im anderen Falle unterstützt oder im Kampfe um den

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[59/0081] Beziehungen zur organischen Welt. Lebenslage durch organische Mitbewohner. Nur kurz braucht hier auf die Veränderungen hingewiesen zu werden, welche die Erdoberfläche durch die Massen zu- mal gesellig lebender Gewächse erlitten hat und wodurch neben jenen durch die Verschiedenheit des anorganischen Substrates bedingten Lebensverhältnissen wiederum neue, organisch verursachte, erstehen. Die Wälder bilden eine tiefe humusreiche Erdschicht, in welcher zahlreiche Be- wohner mit grossem oder geringem Lichtbedürfnis ihre eigenartigen Existenzbedingungen finden und gezwungen sind, ihre eigene Periodizität sich nach dem wechselnden Zustande der mächtigeren Genossen richten zu lassen. So blühen in den deutschen Wäldern zahlreiche Anemo- nen und Primeln vor der Belaubung der Bäume und vollenden nahezu ihre ganze Lebensperiode im Frühjahr, da der Sommer sie durch den Laubschmuck des Waldes des nötigen Lichtes beraubt; im Hochsommer dagegen kommen die chlorophylllosen Saprophyten, Pilze und seltenere Blütenpflanzen, aus dem tiefgründigen Humus zum Vorschein, in ihrer Ernährung auf das angewiesen, was vorjährige Assimilationsleistungen der Bäume für sie übrig gelassen. In den immergrünen Tropenwaldungen findet man niemals die lichterfüllte Frühlingsperiode am Boden der nordischen Wälder, und es fehlen daher auch alle die darauf bezüglichen Gewächse, während zahlreiche Epiphyten hoch in den Kronen ihre Wohnstätte einge- richtet haben und nun also, der steten Wasserzufuhr aus dem Erdreich beraubt, auf neue Einrichtungen zur Ge- winnung der nötigen Feuchtigkeit sich umwandeln müssen. Alle Parasiten teilen naturgemäss die Verbreitungsgrenzen ihrer Wirte, sind aber unabhängiger von deren Lebens- periode. Die Moore und Wiesen bieten andere Beispiele für die Abhängigkeit vieler Pflanzenarten von den Lebens- gewohnheiten der grösseren Menge ihrer Umgebung; eine Menge der dort zahlreich und weit verbreiteten Gewächse kommt in der Natur nur schwierig an anderen Stand- orten fort, da sie die wassersammelnde Eigenschaft des Sumpfmooses in einem, der dichte Rasenwuchs von Gräsern im anderen Falle unterstützt oder im Kampfe um den

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Zitationshilfe: Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/81>, abgerufen am 25.11.2024.