ihnen einen für sie nötigen tiefen und lockeren Boden lieferten.
Diese Anschauungen litten an einer grossen Einseitig- keit, obwohl sie sehr richtige Momente herausgegriffen haben, welche viele Forscher wenigstens im Beginn ihrer Studien in der Flora für sich einnahmen. Der bayrische Botaniker Sendtner zeigte alsbald, und später Nägeli durch höchst sorgfältige Untersuchungen in der Verbrei- tungsweise der Alpenpflanzen, die Unhaltbarkeit von Thur- manns Lehre; und die oben angeführte Litteratur fran- zösischer Botaniker, welche für die Bodenfrage in neuerer Zeit ein besonderes Interesse an den Tag gelegt haben, kommt darin überein, dass dennoch den chemischen Ein- flüssen des Bodens das erste und hauptsächliche Gewicht in seiner Wirkung auf die Verteilung der Pflanzen zu- komme, den physikalischen Eigenschaften ein geringeres, in zweite Linie fallendes Gewicht. Sehr gut möglich ist es einstweilen, die chemische Rolle des Bodens haupt- sächlich als einen Ausschlag gebend in dem Kampfe der Gewächse um den Platz anzusehen, so nämlich, dass die Kalkflora allein im stande ist, dieses Uebermaß von Kalk im Boden auszuhalten und dem entsprechend Gegenmaß- regeln in ihrer Organisation zur Ausbildung zu bringen, während die Kieselpflanzen dem Uebermaß von Kalk nicht gewachsen sind. Umgekehrt würden die letzteren auf Silikatboden herrschen, weil sie dort mit ihrer Organi- sation den Sieg über die geschwächten Kalkpflanzen davontragen, wie wir ja stets einen bestimmten äusseren Zug der Natur auch entsprechend vertreten finden durch dafür geeignete Organisation.
So ungefähr fasst auch Contejean die Sachlage auf, indem er darauf hinweist, dass wesentlich nur zwei in Menge vorkommende Mineralsubstanzen die geographische Verbreitung der Pflanzen beeinflussen, nämlich Kalk (als kohlensaure oder schwefelsaure Verbindung) und Chlor- natrium. Beide sind im stande, eine eigenartige Flora herbeizurufen, und zwar dadurch, dass sie die einen Pflanzen so ausschliesslich auf sich wohnen lassen, dass man bei ihnen von einem Bedürfnis nach so hohem Kalk-
Einwirkung des Bodens.
ihnen einen für sie nötigen tiefen und lockeren Boden lieferten.
Diese Anschauungen litten an einer grossen Einseitig- keit, obwohl sie sehr richtige Momente herausgegriffen haben, welche viele Forscher wenigstens im Beginn ihrer Studien in der Flora für sich einnahmen. Der bayrische Botaniker Sendtner zeigte alsbald, und später Nägeli durch höchst sorgfältige Untersuchungen in der Verbrei- tungsweise der Alpenpflanzen, die Unhaltbarkeit von Thur- manns Lehre; und die oben angeführte Litteratur fran- zösischer Botaniker, welche für die Bodenfrage in neuerer Zeit ein besonderes Interesse an den Tag gelegt haben, kommt darin überein, dass dennoch den chemischen Ein- flüssen des Bodens das erste und hauptsächliche Gewicht in seiner Wirkung auf die Verteilung der Pflanzen zu- komme, den physikalischen Eigenschaften ein geringeres, in zweite Linie fallendes Gewicht. Sehr gut möglich ist es einstweilen, die chemische Rolle des Bodens haupt- sächlich als einen Ausschlag gebend in dem Kampfe der Gewächse um den Platz anzusehen, so nämlich, dass die Kalkflora allein im stande ist, dieses Uebermaß von Kalk im Boden auszuhalten und dem entsprechend Gegenmaß- regeln in ihrer Organisation zur Ausbildung zu bringen, während die Kieselpflanzen dem Uebermaß von Kalk nicht gewachsen sind. Umgekehrt würden die letzteren auf Silikatboden herrschen, weil sie dort mit ihrer Organi- sation den Sieg über die geschwächten Kalkpflanzen davontragen, wie wir ja stets einen bestimmten äusseren Zug der Natur auch entsprechend vertreten finden durch dafür geeignete Organisation.
So ungefähr fasst auch Contejean die Sachlage auf, indem er darauf hinweist, dass wesentlich nur zwei in Menge vorkommende Mineralsubstanzen die geographische Verbreitung der Pflanzen beeinflussen, nämlich Kalk (als kohlensaure oder schwefelsaure Verbindung) und Chlor- natrium. Beide sind im stande, eine eigenartige Flora herbeizurufen, und zwar dadurch, dass sie die einen Pflanzen so ausschliesslich auf sich wohnen lassen, dass man bei ihnen von einem Bedürfnis nach so hohem Kalk-
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[55/0077]
Einwirkung des Bodens.
ihnen einen für sie nötigen tiefen und lockeren Boden
lieferten.
Diese Anschauungen litten an einer grossen Einseitig-
keit, obwohl sie sehr richtige Momente herausgegriffen
haben, welche viele Forscher wenigstens im Beginn ihrer
Studien in der Flora für sich einnahmen. Der bayrische
Botaniker Sendtner zeigte alsbald, und später Nägeli
durch höchst sorgfältige Untersuchungen in der Verbrei-
tungsweise der Alpenpflanzen, die Unhaltbarkeit von Thur-
manns Lehre; und die oben angeführte Litteratur fran-
zösischer Botaniker, welche für die Bodenfrage in neuerer
Zeit ein besonderes Interesse an den Tag gelegt haben,
kommt darin überein, dass dennoch den chemischen Ein-
flüssen des Bodens das erste und hauptsächliche Gewicht
in seiner Wirkung auf die Verteilung der Pflanzen zu-
komme, den physikalischen Eigenschaften ein geringeres,
in zweite Linie fallendes Gewicht. Sehr gut möglich ist
es einstweilen, die chemische Rolle des Bodens haupt-
sächlich als einen Ausschlag gebend in dem Kampfe der
Gewächse um den Platz anzusehen, so nämlich, dass die
Kalkflora allein im stande ist, dieses Uebermaß von Kalk
im Boden auszuhalten und dem entsprechend Gegenmaß-
regeln in ihrer Organisation zur Ausbildung zu bringen,
während die Kieselpflanzen dem Uebermaß von Kalk
nicht gewachsen sind. Umgekehrt würden die letzteren
auf Silikatboden herrschen, weil sie dort mit ihrer Organi-
sation den Sieg über die geschwächten Kalkpflanzen
davontragen, wie wir ja stets einen bestimmten äusseren
Zug der Natur auch entsprechend vertreten finden durch
dafür geeignete Organisation.
So ungefähr fasst auch Contejean die Sachlage auf,
indem er darauf hinweist, dass wesentlich nur zwei in
Menge vorkommende Mineralsubstanzen die geographische
Verbreitung der Pflanzen beeinflussen, nämlich Kalk (als
kohlensaure oder schwefelsaure Verbindung) und Chlor-
natrium. Beide sind im stande, eine eigenartige Flora
herbeizurufen, und zwar dadurch, dass sie die einen
Pflanzen so ausschliesslich auf sich wohnen lassen, dass
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Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/77>, abgerufen am 25.11.2024.
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