Damit tritt man in das andere, weniger der dar- stellenden Geographie als der experimentellen Physiologie unterworfene Gebiet der Frage ein, ob nämlich die ver- schiedenen Bodenarten ihren Einfluss auf die Bildung einer bestimmten Vegetationsdecke in Auswahl aus allen Arten des betreffenden Florengebietes ihren chemischen oder ihren physikalischen Eigenschaften zu verdanken haben? Der chemische Einfluss kann insofern gar nicht geleugnet werden, als der Boden die Quelle der unent- behrlichen Nährstoffe ist, unter denen, wie schon gesagt, Kalk niemals fehlen darf; aber von dieser zur Aufrecht- erhaltung der notwendigen chemischen Umsatz- und Organbildungsprozesse in der Pflanze nötigen minimalen Menge soll hier nicht die Rede sein, da sie nirgends zu fehlen scheint, ebensowenig wie Eisen, Phosphate und Sul- fate, Kali und Nitrate. Inwiefern nun überhaupt die grösseren Mengen von Kalk oder anderen Mineralstoffen im Orga- nismus wirken, ist zur Zeit noch unaufgeklärt, und daher ist die Anschauung der chemischen Bodenwirkung noch jetzt nicht sicher gestützt. Vor bald 40 Jahren erregte Thurmanns Werk über den Jura in dieser Beziehung grosses Aufsehen, indem es auf das entschiedenste für die physikalische Rolle der Bodenwirkung eintrat. Der Boden wird sich unzweifelhaft in Bezug auf sein Wärme- leitungs- und Strahlungsvermögen, sowie in Bezug auf sein Absorptionsvermögen für Wasser und den von der aufgenommenen Menge abgebbaren Bruchteil an die in ihm wurzelnden Pflanzen seiner Zusammensetzung gemäss ganz verschieden verhalten, und Thurmann fusste be- sonders auf seiner verschiedenartigen mechanischen Zer- kleinerung. Die Kalkpflanzen z. B. sollten auf Kalk wachsen, weil dieser Boden bei geringerem Zerfall fest und trocken sei; er zeigte, dass die Wurzelbildung der meisten Kalkpflanzen einer schwach entwickelten und periodischer Dürre unterworfenen Erdkrume entspräche, dass Pflanzen mit kriechenden Wurzelstöcken vorherrsch- ten, dass sie wenige Zweige, häufiger Grundrosetten- blätter zu entwickeln pflegten. Dagegen sollten andere Pflanzen auf kieseligen Gesteinen wachsen, weil diese
Physikalische und chemische
Damit tritt man in das andere, weniger der dar- stellenden Geographie als der experimentellen Physiologie unterworfene Gebiet der Frage ein, ob nämlich die ver- schiedenen Bodenarten ihren Einfluss auf die Bildung einer bestimmten Vegetationsdecke in Auswahl aus allen Arten des betreffenden Florengebietes ihren chemischen oder ihren physikalischen Eigenschaften zu verdanken haben? Der chemische Einfluss kann insofern gar nicht geleugnet werden, als der Boden die Quelle der unent- behrlichen Nährstoffe ist, unter denen, wie schon gesagt, Kalk niemals fehlen darf; aber von dieser zur Aufrecht- erhaltung der notwendigen chemischen Umsatz- und Organbildungsprozesse in der Pflanze nötigen minimalen Menge soll hier nicht die Rede sein, da sie nirgends zu fehlen scheint, ebensowenig wie Eisen, Phosphate und Sul- fate, Kali und Nitrate. Inwiefern nun überhaupt die grösseren Mengen von Kalk oder anderen Mineralstoffen im Orga- nismus wirken, ist zur Zeit noch unaufgeklärt, und daher ist die Anschauung der chemischen Bodenwirkung noch jetzt nicht sicher gestützt. Vor bald 40 Jahren erregte Thurmanns Werk über den Jura in dieser Beziehung grosses Aufsehen, indem es auf das entschiedenste für die physikalische Rolle der Bodenwirkung eintrat. Der Boden wird sich unzweifelhaft in Bezug auf sein Wärme- leitungs- und Strahlungsvermögen, sowie in Bezug auf sein Absorptionsvermögen für Wasser und den von der aufgenommenen Menge abgebbaren Bruchteil an die in ihm wurzelnden Pflanzen seiner Zusammensetzung gemäss ganz verschieden verhalten, und Thurmann fusste be- sonders auf seiner verschiedenartigen mechanischen Zer- kleinerung. Die Kalkpflanzen z. B. sollten auf Kalk wachsen, weil dieser Boden bei geringerem Zerfall fest und trocken sei; er zeigte, dass die Wurzelbildung der meisten Kalkpflanzen einer schwach entwickelten und periodischer Dürre unterworfenen Erdkrume entspräche, dass Pflanzen mit kriechenden Wurzelstöcken vorherrsch- ten, dass sie wenige Zweige, häufiger Grundrosetten- blätter zu entwickeln pflegten. Dagegen sollten andere Pflanzen auf kieseligen Gesteinen wachsen, weil diese
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Physikalische und chemische
Damit tritt man in das andere, weniger der dar-
stellenden Geographie als der experimentellen Physiologie
unterworfene Gebiet der Frage ein, ob nämlich die ver-
schiedenen Bodenarten ihren Einfluss auf die Bildung
einer bestimmten Vegetationsdecke in Auswahl aus allen
Arten des betreffenden Florengebietes ihren chemischen
oder ihren physikalischen Eigenschaften zu verdanken
haben? Der chemische Einfluss kann insofern gar nicht
geleugnet werden, als der Boden die Quelle der unent-
behrlichen Nährstoffe ist, unter denen, wie schon gesagt,
Kalk niemals fehlen darf; aber von dieser zur Aufrecht-
erhaltung der notwendigen chemischen Umsatz- und
Organbildungsprozesse in der Pflanze nötigen minimalen
Menge soll hier nicht die Rede sein, da sie nirgends zu
fehlen scheint, ebensowenig wie Eisen, Phosphate und Sul-
fate, Kali und Nitrate. Inwiefern nun überhaupt die grösseren
Mengen von Kalk oder anderen Mineralstoffen im Orga-
nismus wirken, ist zur Zeit noch unaufgeklärt, und daher
ist die Anschauung der chemischen Bodenwirkung noch
jetzt nicht sicher gestützt. Vor bald 40 Jahren erregte
Thurmanns Werk über den Jura in dieser Beziehung
grosses Aufsehen, indem es auf das entschiedenste für
die physikalische Rolle der Bodenwirkung eintrat. Der
Boden wird sich unzweifelhaft in Bezug auf sein Wärme-
leitungs- und Strahlungsvermögen, sowie in Bezug auf
sein Absorptionsvermögen für Wasser und den von der
aufgenommenen Menge abgebbaren Bruchteil an die in
ihm wurzelnden Pflanzen seiner Zusammensetzung gemäss
ganz verschieden verhalten, und Thurmann fusste be-
sonders auf seiner verschiedenartigen mechanischen Zer-
kleinerung. Die Kalkpflanzen z. B. sollten auf Kalk
wachsen, weil dieser Boden bei geringerem Zerfall fest
und trocken sei; er zeigte, dass die Wurzelbildung der
meisten Kalkpflanzen einer schwach entwickelten und
periodischer Dürre unterworfenen Erdkrume entspräche,
dass Pflanzen mit kriechenden Wurzelstöcken vorherrsch-
ten, dass sie wenige Zweige, häufiger Grundrosetten-
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Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/76>, abgerufen am 25.11.2024.
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