Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite

Temperatursummen.
Man ist daher schon seit lange darauf verfallen, Tempe-
ratursummen zu bilden, z. B. für unser Klima Summen
von Temperaturen vom 1. Januar an bis zu dem Tage,
wo die bestimmte Phase eintrat, um diese Temperatur-
summe als den von der Pflanze in Hinsicht auf die be-
stimmte Entwickelungsphase geforderten Wärmebedarf
anzunehmen. Hier treten nun vielerlei neue Schwierig-
keiten auf: Von welchem Tage an soll man die Tempe-
raturen summieren? Soll man die täglichen Durchschnitte
oder die Maxima, im Schatten oder in der Sonne ge-
messen, summieren? Soll die Summe aus allen beobach-
teten Temperaturen gebildet werden? Alle diese Fragen
haben verschiedenartige Behandlungen erfahren.

So liess A. de Candolle, von der richtigen Voraus-
setzung ausgehend, dass für unsere Landpflanzen die
Temperaturen unter dem Gefrierpunkt des Wassers die Ve-
getation nicht vorwärts bringen, dass sie aber auch nicht
(als negativ) von der übrigen Temperatursumme in Ab-
zug zu bringen sind, die ersteren fort und bildete Summen
nur aus den über Null gemessenen Wärmegraden der
meteorologischen Stationen; zugleich aber auch in Er-
wägung dessen, dass längst nicht sogleich über Null die
meisten Vegetationsprozesse ausgelöst werden, sondern
dass die oben erwähnten "spezifischen Nullpunkte" viel-
fach hoch über Null selbst für unsere Breiten liegen,
berechnete er andere, gewissermaßen zur Auswahl gestellte
Summen über den Schwelltemperaturen von 1°, 2°, 3°
bis zu 20° Wärme. Es zeigen sich auf diese Weise die
so gewonnenen meteorologischen Tafeln in einem neuen,
von der Klimatologie sonst nicht gekannten Lichte, welches
wir in dem neuen Prinzipe, Temperaturkarten ganzer
Länder nach der Andauer gewisser Temperaturen zu
entwerfen, wiederfinden.

Die Idee von den spezifischen Schwelltemperaturen,
schon von Martins in klaren Grundzügen befürwortet, ist
von Oettingen (siehe G. J., Bd. VIII, S. 231) aufgegriffen
und zur Grundlage einer ganz neuen Berechnungsweise
gemacht. Da dieser Schriftsteller aber überhaupt auf
dem Standpunkte steht, dass die spezifischen Nullpunkte,

Temperatursummen.
Man ist daher schon seit lange darauf verfallen, Tempe-
ratursummen zu bilden, z. B. für unser Klima Summen
von Temperaturen vom 1. Januar an bis zu dem Tage,
wo die bestimmte Phase eintrat, um diese Temperatur-
summe als den von der Pflanze in Hinsicht auf die be-
stimmte Entwickelungsphase geforderten Wärmebedarf
anzunehmen. Hier treten nun vielerlei neue Schwierig-
keiten auf: Von welchem Tage an soll man die Tempe-
raturen summieren? Soll man die täglichen Durchschnitte
oder die Maxima, im Schatten oder in der Sonne ge-
messen, summieren? Soll die Summe aus allen beobach-
teten Temperaturen gebildet werden? Alle diese Fragen
haben verschiedenartige Behandlungen erfahren.

So liess A. de Candolle, von der richtigen Voraus-
setzung ausgehend, dass für unsere Landpflanzen die
Temperaturen unter dem Gefrierpunkt des Wassers die Ve-
getation nicht vorwärts bringen, dass sie aber auch nicht
(als negativ) von der übrigen Temperatursumme in Ab-
zug zu bringen sind, die ersteren fort und bildete Summen
nur aus den über Null gemessenen Wärmegraden der
meteorologischen Stationen; zugleich aber auch in Er-
wägung dessen, dass längst nicht sogleich über Null die
meisten Vegetationsprozesse ausgelöst werden, sondern
dass die oben erwähnten „spezifischen Nullpunkte“ viel-
fach hoch über Null selbst für unsere Breiten liegen,
berechnete er andere, gewissermaßen zur Auswahl gestellte
Summen über den Schwelltemperaturen von 1°, 2°, 3°
bis zu 20° Wärme. Es zeigen sich auf diese Weise die
so gewonnenen meteorologischen Tafeln in einem neuen,
von der Klimatologie sonst nicht gekannten Lichte, welches
wir in dem neuen Prinzipe, Temperaturkarten ganzer
Länder nach der Andauer gewisser Temperaturen zu
entwerfen, wiederfinden.

Die Idee von den spezifischen Schwelltemperaturen,
schon von Martins in klaren Grundzügen befürwortet, ist
von Oettingen (siehe G. J., Bd. VIII, S. 231) aufgegriffen
und zur Grundlage einer ganz neuen Berechnungsweise
gemacht. Da dieser Schriftsteller aber überhaupt auf
dem Standpunkte steht, dass die spezifischen Nullpunkte,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0062" n="40"/><fw place="top" type="header">Temperatursummen.</fw><lb/>
Man ist daher schon seit lange darauf verfallen, Tempe-<lb/>
ratursummen zu bilden, z. B. für unser Klima Summen<lb/>
von Temperaturen vom 1. Januar an bis zu dem Tage,<lb/>
wo die bestimmte Phase eintrat, um diese Temperatur-<lb/>
summe als den von der Pflanze in Hinsicht auf die be-<lb/>
stimmte Entwickelungsphase geforderten Wärmebedarf<lb/>
anzunehmen. Hier treten nun vielerlei neue Schwierig-<lb/>
keiten auf: Von welchem Tage an soll man die Tempe-<lb/>
raturen summieren? Soll man die täglichen Durchschnitte<lb/>
oder die Maxima, im Schatten oder in der Sonne ge-<lb/>
messen, summieren? Soll die Summe aus allen beobach-<lb/>
teten Temperaturen gebildet werden? Alle diese Fragen<lb/>
haben verschiedenartige Behandlungen erfahren.</p><lb/>
        <p>So liess A. de Candolle, von der richtigen Voraus-<lb/>
setzung ausgehend, dass für unsere Landpflanzen die<lb/>
Temperaturen unter dem Gefrierpunkt des Wassers die Ve-<lb/>
getation nicht vorwärts bringen, dass sie aber auch nicht<lb/>
(als negativ) von der übrigen Temperatursumme in Ab-<lb/>
zug zu bringen sind, die ersteren fort und bildete Summen<lb/>
nur aus den über Null gemessenen Wärmegraden der<lb/>
meteorologischen Stationen; zugleich aber auch in Er-<lb/>
wägung dessen, dass längst nicht sogleich über Null die<lb/>
meisten Vegetationsprozesse ausgelöst werden, sondern<lb/>
dass die oben erwähnten &#x201E;spezifischen Nullpunkte&#x201C; viel-<lb/>
fach hoch über Null selbst für unsere Breiten liegen,<lb/>
berechnete er andere, gewissermaßen zur Auswahl gestellte<lb/>
Summen über den Schwelltemperaturen von 1°, 2°, 3°<lb/>
bis zu 20° Wärme. Es zeigen sich auf diese Weise die<lb/>
so gewonnenen meteorologischen Tafeln in einem neuen,<lb/>
von der Klimatologie sonst nicht gekannten Lichte, welches<lb/>
wir in dem neuen Prinzipe, Temperaturkarten ganzer<lb/>
Länder nach der <hi rendition="#g">Andauer</hi> gewisser Temperaturen zu<lb/>
entwerfen, wiederfinden.</p><lb/>
        <p>Die Idee von den spezifischen Schwelltemperaturen,<lb/>
schon von Martins in klaren Grundzügen befürwortet, ist<lb/>
von Oettingen (siehe <hi rendition="#i">G. J.</hi>, Bd. VIII, S. 231) aufgegriffen<lb/>
und zur Grundlage einer ganz neuen Berechnungsweise<lb/>
gemacht. Da dieser Schriftsteller aber überhaupt auf<lb/>
dem Standpunkte steht, dass die spezifischen Nullpunkte,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[40/0062] Temperatursummen. Man ist daher schon seit lange darauf verfallen, Tempe- ratursummen zu bilden, z. B. für unser Klima Summen von Temperaturen vom 1. Januar an bis zu dem Tage, wo die bestimmte Phase eintrat, um diese Temperatur- summe als den von der Pflanze in Hinsicht auf die be- stimmte Entwickelungsphase geforderten Wärmebedarf anzunehmen. Hier treten nun vielerlei neue Schwierig- keiten auf: Von welchem Tage an soll man die Tempe- raturen summieren? Soll man die täglichen Durchschnitte oder die Maxima, im Schatten oder in der Sonne ge- messen, summieren? Soll die Summe aus allen beobach- teten Temperaturen gebildet werden? Alle diese Fragen haben verschiedenartige Behandlungen erfahren. So liess A. de Candolle, von der richtigen Voraus- setzung ausgehend, dass für unsere Landpflanzen die Temperaturen unter dem Gefrierpunkt des Wassers die Ve- getation nicht vorwärts bringen, dass sie aber auch nicht (als negativ) von der übrigen Temperatursumme in Ab- zug zu bringen sind, die ersteren fort und bildete Summen nur aus den über Null gemessenen Wärmegraden der meteorologischen Stationen; zugleich aber auch in Er- wägung dessen, dass längst nicht sogleich über Null die meisten Vegetationsprozesse ausgelöst werden, sondern dass die oben erwähnten „spezifischen Nullpunkte“ viel- fach hoch über Null selbst für unsere Breiten liegen, berechnete er andere, gewissermaßen zur Auswahl gestellte Summen über den Schwelltemperaturen von 1°, 2°, 3° bis zu 20° Wärme. Es zeigen sich auf diese Weise die so gewonnenen meteorologischen Tafeln in einem neuen, von der Klimatologie sonst nicht gekannten Lichte, welches wir in dem neuen Prinzipe, Temperaturkarten ganzer Länder nach der Andauer gewisser Temperaturen zu entwerfen, wiederfinden. Die Idee von den spezifischen Schwelltemperaturen, schon von Martins in klaren Grundzügen befürwortet, ist von Oettingen (siehe G. J., Bd. VIII, S. 231) aufgegriffen und zur Grundlage einer ganz neuen Berechnungsweise gemacht. Da dieser Schriftsteller aber überhaupt auf dem Standpunkte steht, dass die spezifischen Nullpunkte,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/62
Zitationshilfe: Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/62>, abgerufen am 22.11.2024.