bewusst bleiben muss, wenn man, wie es gewöhnlich ge- schieht, Licht und Wärme als beide der Sonnenquelle entstammend einer gemeinsamen Betrachtungsweise ihres Einflusses auf das Pflanzenleben unterwirft.
Das Grundgesetz, nach welchem alle Einzelerschei- nungen in dieser Beziehung zu beurteilen sind, ist das Gesetz der "spezifischen Nullpunkte": alle Vegetations- erscheinungen sind an bestimmte Temperaturen gebunden, welche verschieden sind sowohl für die verschiedenen Pflanzenarten und -Individuen, als für die verschiedenen Lebensprozesse in dem einzelnen Individuum und daher spezifisch genannt werden; jede Lebenserscheinung tritt erst mit einer bestimmten niederen Temperatur ein, nimmt mit steigender Temperatur an Lebhaftigkeit zu, bis sie bei einer viel höheren Temperatur kulminiert und dann mit weiterer Temperaturzunahme an Lebhaftigkeit ab- nimmt, um endlich eine zweite bestimmte obere Tempe- raturgrenze zu erreichen.
Die unteren Grenzwerte der Temperatur verraten meistens schon ziemlich deutlich das durchschnittliche Wärmeklima, in welchem eine Pflanze zu vegetieren als erbliche Anforderung überkommen hat; sie liegen in den seltensten Fällen unter dem Gefrierpunkte des Wassers, liegen wenig über demselben bei arktischen und hoch- alpinen Arten, hoch über ihm bei den Arten der feucht- heissen Tropen. Diejenigen Lebenserscheinungen, welche in kühleren Jahreszeiten vor sich gehen müssen, sind an niedriger liegende untere Grenzwerte gebunden als die- jenigen, für welche dem relativen Normalklima zufolge höhere Temperaturen zu Gebote stehen.
Die Lebensprozesse der Ernährung, des Wachstums und der Vermehrung werden ganz entschieden schon sicher bei Tempera- turen unter dem Gefrierpunkte des Wassers ausgeübt bei den die sogenannte "Schnee- und Eisflora" bildenden niederen Algen Chlamydomonas nivalis (Sphaerella n.), Pleurococcus etc., deren Re- gister Wittrock jüngst für Grönland sorgfältig zusammengestellt hat (G. J., Bd. XI. S. 116). Kjellman hat während der Ueber- winterung auf Spitzbergen 1872/73 mehr als 20 Arten von See- tangen mit deutlicher Reproduktionsthätigkeit mitten in der Polar- nacht unter dem Eise in -- 1° bis -- 2° kaltem Meerwasser beobachtet (G. J., Bd. VII. S. 174.). Auch bei niederen Algen unserer mittel-
Spezifische Nullpunkte.
bewusst bleiben muss, wenn man, wie es gewöhnlich ge- schieht, Licht und Wärme als beide der Sonnenquelle entstammend einer gemeinsamen Betrachtungsweise ihres Einflusses auf das Pflanzenleben unterwirft.
Das Grundgesetz, nach welchem alle Einzelerschei- nungen in dieser Beziehung zu beurteilen sind, ist das Gesetz der „spezifischen Nullpunkte“: alle Vegetations- erscheinungen sind an bestimmte Temperaturen gebunden, welche verschieden sind sowohl für die verschiedenen Pflanzenarten und -Individuen, als für die verschiedenen Lebensprozesse in dem einzelnen Individuum und daher spezifisch genannt werden; jede Lebenserscheinung tritt erst mit einer bestimmten niederen Temperatur ein, nimmt mit steigender Temperatur an Lebhaftigkeit zu, bis sie bei einer viel höheren Temperatur kulminiert und dann mit weiterer Temperaturzunahme an Lebhaftigkeit ab- nimmt, um endlich eine zweite bestimmte obere Tempe- raturgrenze zu erreichen.
Die unteren Grenzwerte der Temperatur verraten meistens schon ziemlich deutlich das durchschnittliche Wärmeklima, in welchem eine Pflanze zu vegetieren als erbliche Anforderung überkommen hat; sie liegen in den seltensten Fällen unter dem Gefrierpunkte des Wassers, liegen wenig über demselben bei arktischen und hoch- alpinen Arten, hoch über ihm bei den Arten der feucht- heissen Tropen. Diejenigen Lebenserscheinungen, welche in kühleren Jahreszeiten vor sich gehen müssen, sind an niedriger liegende untere Grenzwerte gebunden als die- jenigen, für welche dem relativen Normalklima zufolge höhere Temperaturen zu Gebote stehen.
Die Lebensprozesse der Ernährung, des Wachstums und der Vermehrung werden ganz entschieden schon sicher bei Tempera- turen unter dem Gefrierpunkte des Wassers ausgeübt bei den die sogenannte „Schnee- und Eisflora“ bildenden niederen Algen Chlamydomonas nivalis (Sphaerella n.), Pleurococcus etc., deren Re- gister Wittrock jüngst für Grönland sorgfältig zusammengestellt hat (G. J., Bd. XI. S. 116). Kjellman hat während der Ueber- winterung auf Spitzbergen 1872/73 mehr als 20 Arten von See- tangen mit deutlicher Reproduktionsthätigkeit mitten in der Polar- nacht unter dem Eise in — 1° bis — 2° kaltem Meerwasser beobachtet (G. J., Bd. VII. S. 174.). Auch bei niederen Algen unserer mittel-
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Spezifische Nullpunkte.
bewusst bleiben muss, wenn man, wie es gewöhnlich ge-
schieht, Licht und Wärme als beide der Sonnenquelle
entstammend einer gemeinsamen Betrachtungsweise ihres
Einflusses auf das Pflanzenleben unterwirft.
Das Grundgesetz, nach welchem alle Einzelerschei-
nungen in dieser Beziehung zu beurteilen sind, ist das
Gesetz der „spezifischen Nullpunkte“: alle Vegetations-
erscheinungen sind an bestimmte Temperaturen gebunden,
welche verschieden sind sowohl für die verschiedenen
Pflanzenarten und -Individuen, als für die verschiedenen
Lebensprozesse in dem einzelnen Individuum und daher
spezifisch genannt werden; jede Lebenserscheinung tritt
erst mit einer bestimmten niederen Temperatur ein, nimmt
mit steigender Temperatur an Lebhaftigkeit zu, bis sie
bei einer viel höheren Temperatur kulminiert und dann
mit weiterer Temperaturzunahme an Lebhaftigkeit ab-
nimmt, um endlich eine zweite bestimmte obere Tempe-
raturgrenze zu erreichen.
Die unteren Grenzwerte der Temperatur verraten
meistens schon ziemlich deutlich das durchschnittliche
Wärmeklima, in welchem eine Pflanze zu vegetieren als
erbliche Anforderung überkommen hat; sie liegen in den
seltensten Fällen unter dem Gefrierpunkte des Wassers,
liegen wenig über demselben bei arktischen und hoch-
alpinen Arten, hoch über ihm bei den Arten der feucht-
heissen Tropen. Diejenigen Lebenserscheinungen, welche
in kühleren Jahreszeiten vor sich gehen müssen, sind an
niedriger liegende untere Grenzwerte gebunden als die-
jenigen, für welche dem relativen Normalklima zufolge
höhere Temperaturen zu Gebote stehen.
Die Lebensprozesse der Ernährung, des Wachstums und der
Vermehrung werden ganz entschieden schon sicher bei Tempera-
turen unter dem Gefrierpunkte des Wassers ausgeübt bei den die
sogenannte „Schnee- und Eisflora“ bildenden niederen Algen
Chlamydomonas nivalis (Sphaerella n.), Pleurococcus etc., deren Re-
gister Wittrock jüngst für Grönland sorgfältig zusammengestellt
hat (G. J., Bd. XI. S. 116). Kjellman hat während der Ueber-
winterung auf Spitzbergen 1872/73 mehr als 20 Arten von See-
tangen mit deutlicher Reproduktionsthätigkeit mitten in der Polar-
nacht unter dem Eise in — 1° bis — 2° kaltem Meerwasser beobachtet
(G. J., Bd. VII. S. 174.). Auch bei niederen Algen unserer mittel-
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Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/44>, abgerufen am 21.11.2024.
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