erscheint überhaupt fehlerhaft, so starr, wie es meistens zu geschehen pflegt, verschiedene "Regionen" überein- ander abzugrenzen nach dem Auftreten bestimmter Arten, während doch nur die Formationen dafür maßgebend sein können. Die mitteleuropäische Bergwaldregion er- reicht also Höhen von 1600 m im Süden, von 800 m im Norden, die im Harz sich auf 600 m verringern.
7. Mitteleuropäische Nadelholz- und Hoch- gebirgsregion. Die über den herrschenden Laub- wäldern (vornehmlich der Buche, welche aber in den Centralalpen fehlt und zwar fast überall da, wo die Lärche sich ausgebreitet hat) sich auf den höheren Gebirgen aus- breitenden Formationen werden hier zusammengefasst. Die Scheidung so vorzunehmen, scheint wichtiger, als wenn die gesamten Waldbestände den alpinen Formationen allein gegenübergestellt würden, da auch in den oberen Nadelholzbeständen der arktisch-alpine Mischlingscharakter gegenüber dem spezifisch-mitteleuropäischen Floren- charakter zum Durchbruch kommt, wie schon bei Larix und Pinus Cembra hervorgehoben. Hier herrschen die von Pinus montana gebildeten, für Mitteleuropa charak- teristischen Krummholzbestände auf Fels- oder Moorgrund, die halbstrauchigen Saliceten, Rhododendron-Formationen (Rh. ferrugineum, hirsutum; Loiseleuria procumbens als circumpolare, niedere Halbstrauchpolster bildende Ericacee), Wiesen, Triften und Felsformationen mit Primeln und Enzianen, Hahnenfüssen und Steinbrechen.
Die charakteristischen Sippen bespricht man am deutlichsten durch Nennung der in der "nivalen Flora" der Schweiz, d. h. über 2600 m hoch zerstreut in der Schneeregion beobachteten 338 Hoch- alpenpflanzen, von welchen zugleich 150 im hohen Norden vor- kommen (G. J., X, 163). Am artenreichsten sind die Compositen mit 58, dann die Gräser mit 25, Cruciferen mit 22, Saxifragen mit 21, Leguminosen mit 19, Cyperaceen mit 19, Alsineen mit 18, Primulaceen mit 18, Rosaceen mit 17 und Scrophulariaceen mit 16 Arten; dann folgen Ranunculaceen, Gentianaceen, Campanu- laceen, Juncaceen, Crassulaceen, Sileneen etc. -- In jedem Falle zu entscheiden, welche von den weiter verbreiteten und zumal von den mit dem hohen Norden gemeinsamen Arten hier oder dort ihren Ursprung gehabt haben, scheint jetzt und für alle Zukunft unmöglich; das aber ist sicher, dass die arktische Flora und die der alpinen Formation getrennte Grundstöcke darstellen, welche
2. Nord- und Mitteleuropa.
erscheint überhaupt fehlerhaft, so starr, wie es meistens zu geschehen pflegt, verschiedene „Regionen“ überein- ander abzugrenzen nach dem Auftreten bestimmter Arten, während doch nur die Formationen dafür maßgebend sein können. Die mitteleuropäische Bergwaldregion er- reicht also Höhen von 1600 m im Süden, von 800 m im Norden, die im Harz sich auf 600 m verringern.
7. Mitteleuropäische Nadelholz- und Hoch- gebirgsregion. Die über den herrschenden Laub- wäldern (vornehmlich der Buche, welche aber in den Centralalpen fehlt und zwar fast überall da, wo die Lärche sich ausgebreitet hat) sich auf den höheren Gebirgen aus- breitenden Formationen werden hier zusammengefasst. Die Scheidung so vorzunehmen, scheint wichtiger, als wenn die gesamten Waldbestände den alpinen Formationen allein gegenübergestellt würden, da auch in den oberen Nadelholzbeständen der arktisch-alpine Mischlingscharakter gegenüber dem spezifisch-mitteleuropäischen Floren- charakter zum Durchbruch kommt, wie schon bei Larix und Pinus Cembra hervorgehoben. Hier herrschen die von Pinus montana gebildeten, für Mitteleuropa charak- teristischen Krummholzbestände auf Fels- oder Moorgrund, die halbstrauchigen Saliceten, Rhododendron-Formationen (Rh. ferrugineum, hirsutum; Loiseleuria procumbens als circumpolare, niedere Halbstrauchpolster bildende Ericacee), Wiesen, Triften und Felsformationen mit Primeln und Enzianen, Hahnenfüssen und Steinbrechen.
Die charakteristischen Sippen bespricht man am deutlichsten durch Nennung der in der „nivalen Flora“ der Schweiz, d. h. über 2600 m hoch zerstreut in der Schneeregion beobachteten 338 Hoch- alpenpflanzen, von welchen zugleich 150 im hohen Norden vor- kommen (G. J., X, 163). Am artenreichsten sind die Compositen mit 58, dann die Gräser mit 25, Cruciferen mit 22, Saxifragen mit 21, Leguminosen mit 19, Cyperaceen mit 19, Alsineen mit 18, Primulaceen mit 18, Rosaceen mit 17 und Scrophulariaceen mit 16 Arten; dann folgen Ranunculaceen, Gentianaceen, Campanu- laceen, Juncaceen, Crassulaceen, Sileneen etc. — In jedem Falle zu entscheiden, welche von den weiter verbreiteten und zumal von den mit dem hohen Norden gemeinsamen Arten hier oder dort ihren Ursprung gehabt haben, scheint jetzt und für alle Zukunft unmöglich; das aber ist sicher, dass die arktische Flora und die der alpinen Formation getrennte Grundstöcke darstellen, welche
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0410"n="378"/><fwplace="top"type="header">2. Nord- und Mitteleuropa.</fw><lb/>
erscheint überhaupt fehlerhaft, so starr, wie es meistens<lb/>
zu geschehen pflegt, verschiedene „Regionen“ überein-<lb/>
ander abzugrenzen nach dem Auftreten bestimmter Arten,<lb/>
während doch nur die Formationen dafür maßgebend<lb/>
sein können. Die mitteleuropäische Bergwaldregion er-<lb/>
reicht also Höhen von 1600 m im Süden, von 800 m<lb/>
im Norden, die im Harz sich auf 600 m verringern.</p><lb/><p>7. <hirendition="#g">Mitteleuropäische Nadelholz- und Hoch-<lb/>
gebirgsregion</hi>. Die über den herrschenden Laub-<lb/>
wäldern (vornehmlich der Buche, welche aber in den<lb/>
Centralalpen fehlt und zwar fast überall da, wo die Lärche<lb/>
sich ausgebreitet hat) sich auf den höheren Gebirgen aus-<lb/>
breitenden Formationen werden hier zusammengefasst.<lb/>
Die Scheidung so vorzunehmen, scheint wichtiger, als<lb/>
wenn die gesamten Waldbestände den alpinen Formationen<lb/>
allein gegenübergestellt würden, da auch in den oberen<lb/>
Nadelholzbeständen der arktisch-alpine Mischlingscharakter<lb/>
gegenüber dem spezifisch-mitteleuropäischen Floren-<lb/>
charakter zum Durchbruch kommt, wie schon bei <hirendition="#i">Larix</hi><lb/>
und <hirendition="#i">Pinus Cembra</hi> hervorgehoben. Hier herrschen die<lb/>
von <hirendition="#i">Pinus montana</hi> gebildeten, für Mitteleuropa charak-<lb/>
teristischen Krummholzbestände auf Fels- oder Moorgrund,<lb/>
die halbstrauchigen Saliceten, Rhododendron-Formationen<lb/>
(<hirendition="#i">Rh. ferrugineum, hirsutum; Loiseleuria procumbens</hi> als<lb/>
circumpolare, niedere Halbstrauchpolster bildende Ericacee),<lb/>
Wiesen, Triften und Felsformationen mit Primeln und<lb/>
Enzianen, Hahnenfüssen und Steinbrechen.</p><lb/><p>Die charakteristischen Sippen bespricht man am deutlichsten<lb/>
durch Nennung der in der „nivalen Flora“ der Schweiz, d. h. über<lb/>
2600 m hoch zerstreut in der Schneeregion beobachteten 338 Hoch-<lb/>
alpenpflanzen, von welchen zugleich 150 im hohen Norden vor-<lb/>
kommen (<hirendition="#i">G. J</hi>., X, 163). Am artenreichsten sind die Compositen<lb/>
mit 58, dann die Gräser mit 25, Cruciferen mit 22, Saxifragen<lb/>
mit 21, Leguminosen mit 19, Cyperaceen mit 19, Alsineen mit 18,<lb/>
Primulaceen mit 18, Rosaceen mit 17 und Scrophulariaceen mit<lb/>
16 Arten; dann folgen Ranunculaceen, Gentianaceen, Campanu-<lb/>
laceen, Juncaceen, Crassulaceen, Sileneen etc. — In jedem Falle zu<lb/>
entscheiden, welche von den weiter verbreiteten und zumal von<lb/>
den mit dem hohen Norden gemeinsamen Arten hier oder dort<lb/>
ihren Ursprung gehabt haben, scheint jetzt und für alle Zukunft<lb/>
unmöglich; das aber ist sicher, dass die arktische Flora und die<lb/>
der alpinen Formation getrennte Grundstöcke darstellen, welche<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[378/0410]
2. Nord- und Mitteleuropa.
erscheint überhaupt fehlerhaft, so starr, wie es meistens
zu geschehen pflegt, verschiedene „Regionen“ überein-
ander abzugrenzen nach dem Auftreten bestimmter Arten,
während doch nur die Formationen dafür maßgebend
sein können. Die mitteleuropäische Bergwaldregion er-
reicht also Höhen von 1600 m im Süden, von 800 m
im Norden, die im Harz sich auf 600 m verringern.
7. Mitteleuropäische Nadelholz- und Hoch-
gebirgsregion. Die über den herrschenden Laub-
wäldern (vornehmlich der Buche, welche aber in den
Centralalpen fehlt und zwar fast überall da, wo die Lärche
sich ausgebreitet hat) sich auf den höheren Gebirgen aus-
breitenden Formationen werden hier zusammengefasst.
Die Scheidung so vorzunehmen, scheint wichtiger, als
wenn die gesamten Waldbestände den alpinen Formationen
allein gegenübergestellt würden, da auch in den oberen
Nadelholzbeständen der arktisch-alpine Mischlingscharakter
gegenüber dem spezifisch-mitteleuropäischen Floren-
charakter zum Durchbruch kommt, wie schon bei Larix
und Pinus Cembra hervorgehoben. Hier herrschen die
von Pinus montana gebildeten, für Mitteleuropa charak-
teristischen Krummholzbestände auf Fels- oder Moorgrund,
die halbstrauchigen Saliceten, Rhododendron-Formationen
(Rh. ferrugineum, hirsutum; Loiseleuria procumbens als
circumpolare, niedere Halbstrauchpolster bildende Ericacee),
Wiesen, Triften und Felsformationen mit Primeln und
Enzianen, Hahnenfüssen und Steinbrechen.
Die charakteristischen Sippen bespricht man am deutlichsten
durch Nennung der in der „nivalen Flora“ der Schweiz, d. h. über
2600 m hoch zerstreut in der Schneeregion beobachteten 338 Hoch-
alpenpflanzen, von welchen zugleich 150 im hohen Norden vor-
kommen (G. J., X, 163). Am artenreichsten sind die Compositen
mit 58, dann die Gräser mit 25, Cruciferen mit 22, Saxifragen
mit 21, Leguminosen mit 19, Cyperaceen mit 19, Alsineen mit 18,
Primulaceen mit 18, Rosaceen mit 17 und Scrophulariaceen mit
16 Arten; dann folgen Ranunculaceen, Gentianaceen, Campanu-
laceen, Juncaceen, Crassulaceen, Sileneen etc. — In jedem Falle zu
entscheiden, welche von den weiter verbreiteten und zumal von
den mit dem hohen Norden gemeinsamen Arten hier oder dort
ihren Ursprung gehabt haben, scheint jetzt und für alle Zukunft
unmöglich; das aber ist sicher, dass die arktische Flora und die
der alpinen Formation getrennte Grundstöcke darstellen, welche
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/410>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.