Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite

Kulturpflanzen.
quer durch Tula und das südliche Tambow auf Saratow
zu, wo sie abbricht; östlich der Wolga fehlt Pyrus com-
munis
, dagegen geht Pyrus Malus bis zur Mündung des
Uralflusses (Köppen).

Der Norden des Gebietes schliesst den Weizen aus
und kultiviert Roggen (das einzige Getreide, welches
vielleicht im Südosten unserer Ländergruppe, an der Grenze
gegen die mediterranen Steppen auf der Balkanhalbinsel,
wirklich heimatberechtigt ist), Hafer und Gerste mit Kar-
toffeln als Sommerfrüchte. Vom südlichen Skandinavien
bis zum mittleren Deutschland folgt dann der günstigere
Bezirk mit Weizen und Wintercerealien, und die Grenze
gegen die Mediterranzone bildet der Bezirk mit Wein-
kultur zum Keltern, hinaufreichend bis zur Loiremündung,
Maas (503/4° N.), bis zum Mittelrhein bei Bonn, zur
nördlichen Werra, zur Mittelelbe (Meissen) und sogar in
die südlichste Mark (Senftenberg!), am Dnjestr bis Mo-
hilew.

Die Polargrenze der Cerealien in Europa ist von Grisebach
(V. d. E., I, 115--118) ausführlich besprochen und von Kirchhoff
ergänzt (Geogr. Mittlgn. 1888, Monatsbericht S. 188). Für die Auf-
fassung der Weingrenze ist maßgebend, wie weit einzelne vor-
geschobene Oasen noch in die allgemeine Kulturgrenze hineinge-
zogen werden; vergl. Kabsch, Pflanzenleben d. E. S. 582. -- Viele
Einzelheiten, für welche der Raum hier fehlt, siehe in F. Höck,
Nährpflanzen Mitteleuropas, Forschungen z. deutsch. Landes- und
Volkskunde Bd. V, Hft. 1 (1890).

Die Kulturfähigkeit kann in ihrer klimatischen Ab-
hängigkeit am besten nach der Länge der Vegetations-
periode beurteilt werden, welche Hoffmanns phänologische
Karten darstellen. Etwa 50 Tage Zeitintervall verstreichen
zwischen dem Einzuge des Frühlings im Gebiet des mitt-
leren Rheins und der mittleren Donau, und dem nörd-
lichen Skandinavien. Nach vielen Unregelmäßigkeiten
im westlichen Europa zeigen die Linien gleicher Früh-
lings-Einzugszeiten eine sehr regelmäßige Senkung von
Nordwest nach Südost. Eine Linie von Kurland unter
561/2° N. zum Knie der Wolga unter 49° N. bezeichnet
diese Richtung.

Drude, Pflanzengeographie. 24

Kulturpflanzen.
quer durch Tula und das südliche Tambow auf Saratow
zu, wo sie abbricht; östlich der Wolga fehlt Pyrus com-
munis
, dagegen geht Pyrus Malus bis zur Mündung des
Uralflusses (Köppen).

Der Norden des Gebietes schliesst den Weizen aus
und kultiviert Roggen (das einzige Getreide, welches
vielleicht im Südosten unserer Ländergruppe, an der Grenze
gegen die mediterranen Steppen auf der Balkanhalbinsel,
wirklich heimatberechtigt ist), Hafer und Gerste mit Kar-
toffeln als Sommerfrüchte. Vom südlichen Skandinavien
bis zum mittleren Deutschland folgt dann der günstigere
Bezirk mit Weizen und Wintercerealien, und die Grenze
gegen die Mediterranzone bildet der Bezirk mit Wein-
kultur zum Keltern, hinaufreichend bis zur Loiremündung,
Maas (50¾° N.), bis zum Mittelrhein bei Bonn, zur
nördlichen Werra, zur Mittelelbe (Meissen) und sogar in
die südlichste Mark (Senftenberg!), am Dnjestr bis Mo-
hilew.

Die Polargrenze der Cerealien in Europa ist von Grisebach
(V. d. E., I, 115—118) ausführlich besprochen und von Kirchhoff
ergänzt (Geogr. Mittlgn. 1888, Monatsbericht S. 188). Für die Auf-
fassung der Weingrenze ist maßgebend, wie weit einzelne vor-
geschobene Oasen noch in die allgemeine Kulturgrenze hineinge-
zogen werden; vergl. Kabsch, Pflanzenleben d. E. S. 582. — Viele
Einzelheiten, für welche der Raum hier fehlt, siehe in F. Höck,
Nährpflanzen Mitteleuropas, Forschungen z. deutsch. Landes- und
Volkskunde Bd. V, Hft. 1 (1890).

Die Kulturfähigkeit kann in ihrer klimatischen Ab-
hängigkeit am besten nach der Länge der Vegetations-
periode beurteilt werden, welche Hoffmanns phänologische
Karten darstellen. Etwa 50 Tage Zeitintervall verstreichen
zwischen dem Einzuge des Frühlings im Gebiet des mitt-
leren Rheins und der mittleren Donau, und dem nörd-
lichen Skandinavien. Nach vielen Unregelmäßigkeiten
im westlichen Europa zeigen die Linien gleicher Früh-
lings-Einzugszeiten eine sehr regelmäßige Senkung von
Nordwest nach Südost. Eine Linie von Kurland unter
56½° N. zum Knie der Wolga unter 49° N. bezeichnet
diese Richtung.

Drude, Pflanzengeographie. 24
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0401" n="369"/><fw place="top" type="header">Kulturpflanzen.</fw><lb/>
quer durch Tula und das südliche Tambow auf Saratow<lb/>
zu, wo sie abbricht; östlich der Wolga fehlt <hi rendition="#i">Pyrus com-<lb/>
munis</hi>, dagegen geht <hi rendition="#i">Pyrus Malus</hi> bis zur Mündung des<lb/>
Uralflusses (Köppen).</p><lb/>
            <p>Der Norden des Gebietes schliesst den Weizen aus<lb/>
und kultiviert Roggen (das einzige Getreide, welches<lb/>
vielleicht im Südosten unserer Ländergruppe, an der Grenze<lb/>
gegen die mediterranen Steppen auf der Balkanhalbinsel,<lb/>
wirklich heimatberechtigt ist), Hafer und Gerste mit Kar-<lb/>
toffeln als Sommerfrüchte. Vom südlichen Skandinavien<lb/>
bis zum mittleren Deutschland folgt dann der günstigere<lb/>
Bezirk mit Weizen und Wintercerealien, und die Grenze<lb/>
gegen die Mediterranzone bildet der Bezirk mit Wein-<lb/>
kultur zum Keltern, hinaufreichend bis zur Loiremündung,<lb/>
Maas (50¾° N.), bis zum Mittelrhein bei Bonn, zur<lb/>
nördlichen Werra, zur Mittelelbe (Meissen) und sogar in<lb/>
die südlichste Mark (Senftenberg!), am Dnjestr bis Mo-<lb/>
hilew.</p><lb/>
            <p>Die Polargrenze der Cerealien in Europa ist von Grisebach<lb/>
(<hi rendition="#i">V. d. E</hi>., I, 115&#x2014;118) ausführlich besprochen und von Kirchhoff<lb/>
ergänzt (Geogr. Mittlgn. 1888, Monatsbericht S. 188). Für die Auf-<lb/>
fassung der Weingrenze ist maßgebend, wie weit einzelne vor-<lb/>
geschobene Oasen noch in die allgemeine Kulturgrenze hineinge-<lb/>
zogen werden; vergl. Kabsch, Pflanzenleben d. E. S. 582. &#x2014; Viele<lb/>
Einzelheiten, für welche der Raum hier fehlt, siehe in F. Höck,<lb/>
Nährpflanzen Mitteleuropas, Forschungen z. deutsch. Landes- und<lb/>
Volkskunde Bd. V, Hft. 1 (1890).</p><lb/>
            <p>Die Kulturfähigkeit kann in ihrer klimatischen Ab-<lb/>
hängigkeit am besten nach der Länge der Vegetations-<lb/>
periode beurteilt werden, welche Hoffmanns phänologische<lb/>
Karten darstellen. Etwa 50 Tage Zeitintervall verstreichen<lb/>
zwischen dem Einzuge des Frühlings im Gebiet des mitt-<lb/>
leren Rheins und der mittleren Donau, und dem nörd-<lb/>
lichen Skandinavien. Nach vielen Unregelmäßigkeiten<lb/>
im westlichen Europa zeigen die Linien gleicher Früh-<lb/>
lings-Einzugszeiten eine sehr regelmäßige Senkung von<lb/>
Nordwest nach Südost. Eine Linie von Kurland unter<lb/>
56½° N. zum Knie der Wolga unter 49° N. bezeichnet<lb/>
diese Richtung.</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Drude</hi>, Pflanzengeographie. 24</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[369/0401] Kulturpflanzen. quer durch Tula und das südliche Tambow auf Saratow zu, wo sie abbricht; östlich der Wolga fehlt Pyrus com- munis, dagegen geht Pyrus Malus bis zur Mündung des Uralflusses (Köppen). Der Norden des Gebietes schliesst den Weizen aus und kultiviert Roggen (das einzige Getreide, welches vielleicht im Südosten unserer Ländergruppe, an der Grenze gegen die mediterranen Steppen auf der Balkanhalbinsel, wirklich heimatberechtigt ist), Hafer und Gerste mit Kar- toffeln als Sommerfrüchte. Vom südlichen Skandinavien bis zum mittleren Deutschland folgt dann der günstigere Bezirk mit Weizen und Wintercerealien, und die Grenze gegen die Mediterranzone bildet der Bezirk mit Wein- kultur zum Keltern, hinaufreichend bis zur Loiremündung, Maas (50¾° N.), bis zum Mittelrhein bei Bonn, zur nördlichen Werra, zur Mittelelbe (Meissen) und sogar in die südlichste Mark (Senftenberg!), am Dnjestr bis Mo- hilew. Die Polargrenze der Cerealien in Europa ist von Grisebach (V. d. E., I, 115—118) ausführlich besprochen und von Kirchhoff ergänzt (Geogr. Mittlgn. 1888, Monatsbericht S. 188). Für die Auf- fassung der Weingrenze ist maßgebend, wie weit einzelne vor- geschobene Oasen noch in die allgemeine Kulturgrenze hineinge- zogen werden; vergl. Kabsch, Pflanzenleben d. E. S. 582. — Viele Einzelheiten, für welche der Raum hier fehlt, siehe in F. Höck, Nährpflanzen Mitteleuropas, Forschungen z. deutsch. Landes- und Volkskunde Bd. V, Hft. 1 (1890). Die Kulturfähigkeit kann in ihrer klimatischen Ab- hängigkeit am besten nach der Länge der Vegetations- periode beurteilt werden, welche Hoffmanns phänologische Karten darstellen. Etwa 50 Tage Zeitintervall verstreichen zwischen dem Einzuge des Frühlings im Gebiet des mitt- leren Rheins und der mittleren Donau, und dem nörd- lichen Skandinavien. Nach vielen Unregelmäßigkeiten im westlichen Europa zeigen die Linien gleicher Früh- lings-Einzugszeiten eine sehr regelmäßige Senkung von Nordwest nach Südost. Eine Linie von Kurland unter 56½° N. zum Knie der Wolga unter 49° N. bezeichnet diese Richtung. Drude, Pflanzengeographie. 24

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/401
Zitationshilfe: Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/401>, abgerufen am 22.11.2024.