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Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890.

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2. Nord- und Mitteleuropa.
Standorten, unter letzterem (im Gegensatz zu Kerners
weiter gefassten Namen) die in allen Regionen der
Alpen, in dem vorgelagerten Berg- und Hügellande mit-
samt den Karpaten und dem französischen Berglande,
auch in dem Hauptzuge der Pyrenäen zur Entwickelung
gelangten Arten, von denen die der alpinen Hochgebirgs-
region aus natürlichen Gründen die meisten erhalten ge-
bliebenen Endemismen geliefert haben.

Das alpine Element erhält Ergänzungen neuer Art
sowohl im Westen als im Osten; im Westen sind aus
der atlantisch-südeuropäischen Flora zahlreiche Bürger
von alters her sitzen geblieben oder sind nach dem Schluss
der Eiszeit zurückgewandert; im Osten, d. h. in den auf
der Balkanhalbinsel zusammenstossenden Grenzgebieten
der östlichen Mittelmeerflora, der pontischen Steppenflora
und der mitteleuropäischen Bergflora, sind, von den Kar-
paten anfangend, die meisten eigentümlichen Formen
ausserhalb der Alpenkette entwickelt worden. Um das
europäische Florenbild zu verstehen, muss man nun noch
mit der während der Eiszeit stattgehabten Invasion der
arktischen Bürger vom Norden her aus dem uralischen
Gebiet, Skandinavien und den schottischen Hochlanden
rechnen, mit dem Uebergriff der sibirischen Waldflora in
das Quellgebiet der Petschora, Dwina und Kama, dann
mit der Ausdehnung der pontischen Steppenflora auf die
geeigneten Standorte westwärts, welche endlich in der
Ebene den atlantischen Arten begegnen können; hiernach
sind die "Florenbezirke" in der "Anleitung zur deutschen
Landes- und Volksforschung" (S. 207) charakterisiert.

Der Zug der den Atlantischen Ozean begleitenden Pflanzen
ist besonders von Roth eingehend wissenschaftlich begründet; die
Mischung der Arten im nordöstlichen Deutschland besonders an-
regend von Loew behandelt. -- Welche Gründe ich gegen die An-
nahme habe, dass die Eiszeit im südlichen Skandinavien und bis
in das Herz von Deutschland hinein vegetationslose Einöden ge-
schaffen und hinterlassen habe, ist in den Geographischen Mit-
teilungen 1889, S. 282 besprochen.

Hiernach sind auch die wichtigen Vegetationslinien
aufzufassen, welche das mitteleuropäische Florengebiet
durchsetzen und in wohl gegliederte Abschnitte zerlegen,

2. Nord- und Mitteleuropa.
Standorten, unter letzterem (im Gegensatz zu Kerners
weiter gefassten Namen) die in allen Regionen der
Alpen, in dem vorgelagerten Berg- und Hügellande mit-
samt den Karpaten und dem französischen Berglande,
auch in dem Hauptzuge der Pyrenäen zur Entwickelung
gelangten Arten, von denen die der alpinen Hochgebirgs-
region aus natürlichen Gründen die meisten erhalten ge-
bliebenen Endemismen geliefert haben.

Das alpine Element erhält Ergänzungen neuer Art
sowohl im Westen als im Osten; im Westen sind aus
der atlantisch-südeuropäischen Flora zahlreiche Bürger
von alters her sitzen geblieben oder sind nach dem Schluss
der Eiszeit zurückgewandert; im Osten, d. h. in den auf
der Balkanhalbinsel zusammenstossenden Grenzgebieten
der östlichen Mittelmeerflora, der pontischen Steppenflora
und der mitteleuropäischen Bergflora, sind, von den Kar-
paten anfangend, die meisten eigentümlichen Formen
ausserhalb der Alpenkette entwickelt worden. Um das
europäische Florenbild zu verstehen, muss man nun noch
mit der während der Eiszeit stattgehabten Invasion der
arktischen Bürger vom Norden her aus dem uralischen
Gebiet, Skandinavien und den schottischen Hochlanden
rechnen, mit dem Uebergriff der sibirischen Waldflora in
das Quellgebiet der Petschora, Dwina und Kama, dann
mit der Ausdehnung der pontischen Steppenflora auf die
geeigneten Standorte westwärts, welche endlich in der
Ebene den atlantischen Arten begegnen können; hiernach
sind die „Florenbezirke“ in der „Anleitung zur deutschen
Landes- und Volksforschung“ (S. 207) charakterisiert.

Der Zug der den Atlantischen Ozean begleitenden Pflanzen
ist besonders von Roth eingehend wissenschaftlich begründet; die
Mischung der Arten im nordöstlichen Deutschland besonders an-
regend von Loew behandelt. — Welche Gründe ich gegen die An-
nahme habe, dass die Eiszeit im südlichen Skandinavien und bis
in das Herz von Deutschland hinein vegetationslose Einöden ge-
schaffen und hinterlassen habe, ist in den Geographischen Mit-
teilungen 1889, S. 282 besprochen.

Hiernach sind auch die wichtigen Vegetationslinien
aufzufassen, welche das mitteleuropäische Florengebiet
durchsetzen und in wohl gegliederte Abschnitte zerlegen,

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[366/0398] 2. Nord- und Mitteleuropa. Standorten, unter letzterem (im Gegensatz zu Kerners weiter gefassten Namen) die in allen Regionen der Alpen, in dem vorgelagerten Berg- und Hügellande mit- samt den Karpaten und dem französischen Berglande, auch in dem Hauptzuge der Pyrenäen zur Entwickelung gelangten Arten, von denen die der alpinen Hochgebirgs- region aus natürlichen Gründen die meisten erhalten ge- bliebenen Endemismen geliefert haben. Das alpine Element erhält Ergänzungen neuer Art sowohl im Westen als im Osten; im Westen sind aus der atlantisch-südeuropäischen Flora zahlreiche Bürger von alters her sitzen geblieben oder sind nach dem Schluss der Eiszeit zurückgewandert; im Osten, d. h. in den auf der Balkanhalbinsel zusammenstossenden Grenzgebieten der östlichen Mittelmeerflora, der pontischen Steppenflora und der mitteleuropäischen Bergflora, sind, von den Kar- paten anfangend, die meisten eigentümlichen Formen ausserhalb der Alpenkette entwickelt worden. Um das europäische Florenbild zu verstehen, muss man nun noch mit der während der Eiszeit stattgehabten Invasion der arktischen Bürger vom Norden her aus dem uralischen Gebiet, Skandinavien und den schottischen Hochlanden rechnen, mit dem Uebergriff der sibirischen Waldflora in das Quellgebiet der Petschora, Dwina und Kama, dann mit der Ausdehnung der pontischen Steppenflora auf die geeigneten Standorte westwärts, welche endlich in der Ebene den atlantischen Arten begegnen können; hiernach sind die „Florenbezirke“ in der „Anleitung zur deutschen Landes- und Volksforschung“ (S. 207) charakterisiert. Der Zug der den Atlantischen Ozean begleitenden Pflanzen ist besonders von Roth eingehend wissenschaftlich begründet; die Mischung der Arten im nordöstlichen Deutschland besonders an- regend von Loew behandelt. — Welche Gründe ich gegen die An- nahme habe, dass die Eiszeit im südlichen Skandinavien und bis in das Herz von Deutschland hinein vegetationslose Einöden ge- schaffen und hinterlassen habe, ist in den Geographischen Mit- teilungen 1889, S. 282 besprochen. Hiernach sind auch die wichtigen Vegetationslinien aufzufassen, welche das mitteleuropäische Florengebiet durchsetzen und in wohl gegliederte Abschnitte zerlegen,

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Zitationshilfe: Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/398>, abgerufen am 23.11.2024.