Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite

Klima. Systemcharakter. Florenscheiden.
seits denselben als "europäisch" darin entwickelungsge-
schichtlich ausprägt, dass zahlreiche Sippen von innigster
Verwandtschaft mit den südwärts angrenzenden mediter-
ranen Gebieten sich zwischen die arktisch-boreale Haupt-
flora drängen, welche weder in Sibirien und Ostasien,
noch im britischen Kolumbien und Kanada zu treffen sind.
Von der arktischen Flora im Norden führt uns also das
Gebiet durch den borealen Birken- und Nadelholzgürtel
hinüber zu einer mediterran-borealen Mischlingsflora, welche
am reichsten im Südwesten und Südosten des Florenge-
bietes entwickelt ist, während die hohe Mauer der Alpen
in der Hauptsache ihren montan-borealen Florencharakter
ausgeprägt hat, um am Südgehänge dann um so unver-
mittelter die ganz verschiedenen mediterranen Sippen zu
bewahren. Ihre alpinen Formationen aber sind aufzu-
fassen als eigene Entwickelung einer ursprünglich eben-
falls mediterranen Hochgebirgsflora, vermehrt um die
europäischen Alpenformen des gemeinsamen borealen
Grundstocks, und durchdrungen von nicht wenigen, ur-
sprünglich dem höheren Norden als Heimat zugehörigen
arktischen Inquilinen.

Die Meinung, welche in das Wort "arktisch-alpine Flora"
den Sinn einer wirklich gleichartigen Florenentwickelung in den
Alpen und im hohen Norden legt, und nicht nur die Gleichförmig-
keit der Erscheinungsweise, sowie die häufige Schwierigkeit oder
Unmöglichkeit, die eigentliche Heimat für jede Art herauszufinden,
damit ausdrücken will, ist als längst überwunden anzusehen.
Vergleiche auch darüber Kerners hübschen Aufsatz über die Flora
der Diluvialzeit in den Ostalpen (G. J., XIII, 326). Ein ausführ-
lich in geographischer Tabelle erörtertes Beispiel habe ich in den
"Florenreichen" S. 49 gegeben.

In zwei ähnlichen und sich auf das mannigfal-
tigste durchsetzenden Florenelementen ist daher der Cha-
rakter Nord- und Mitteleuropas am meisten ausgeprägt:
in dem baltischen und in dem alpinen Bestandteil. Unter
ersterem verstehe ich die im mittleren und südlichen
Skandinavien und über die uralisch-baltischen Höhen-
rücken, sowie über Grossbritannien und in der Jetztzeit
über die deutsche Niederung ausgebreitet vorherrschen-
den Pflanzenarten mit vielen an die Küsten gebundenen

Klima. Systemcharakter. Florenscheiden.
seits denselben als „europäisch“ darin entwickelungsge-
schichtlich ausprägt, dass zahlreiche Sippen von innigster
Verwandtschaft mit den südwärts angrenzenden mediter-
ranen Gebieten sich zwischen die arktisch-boreale Haupt-
flora drängen, welche weder in Sibirien und Ostasien,
noch im britischen Kolumbien und Kanada zu treffen sind.
Von der arktischen Flora im Norden führt uns also das
Gebiet durch den borealen Birken- und Nadelholzgürtel
hinüber zu einer mediterran-borealen Mischlingsflora, welche
am reichsten im Südwesten und Südosten des Florenge-
bietes entwickelt ist, während die hohe Mauer der Alpen
in der Hauptsache ihren montan-borealen Florencharakter
ausgeprägt hat, um am Südgehänge dann um so unver-
mittelter die ganz verschiedenen mediterranen Sippen zu
bewahren. Ihre alpinen Formationen aber sind aufzu-
fassen als eigene Entwickelung einer ursprünglich eben-
falls mediterranen Hochgebirgsflora, vermehrt um die
europäischen Alpenformen des gemeinsamen borealen
Grundstocks, und durchdrungen von nicht wenigen, ur-
sprünglich dem höheren Norden als Heimat zugehörigen
arktischen Inquilinen.

Die Meinung, welche in das Wort „arktisch-alpine Flora“
den Sinn einer wirklich gleichartigen Florenentwickelung in den
Alpen und im hohen Norden legt, und nicht nur die Gleichförmig-
keit der Erscheinungsweise, sowie die häufige Schwierigkeit oder
Unmöglichkeit, die eigentliche Heimat für jede Art herauszufinden,
damit ausdrücken will, ist als längst überwunden anzusehen.
Vergleiche auch darüber Kerners hübschen Aufsatz über die Flora
der Diluvialzeit in den Ostalpen (G. J., XIII, 326). Ein ausführ-
lich in geographischer Tabelle erörtertes Beispiel habe ich in den
„Florenreichen“ S. 49 gegeben.

In zwei ähnlichen und sich auf das mannigfal-
tigste durchsetzenden Florenelementen ist daher der Cha-
rakter Nord- und Mitteleuropas am meisten ausgeprägt:
in dem baltischen und in dem alpinen Bestandteil. Unter
ersterem verstehe ich die im mittleren und südlichen
Skandinavien und über die uralisch-baltischen Höhen-
rücken, sowie über Grossbritannien und in der Jetztzeit
über die deutsche Niederung ausgebreitet vorherrschen-
den Pflanzenarten mit vielen an die Küsten gebundenen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0397" n="365"/><fw place="top" type="header">Klima. Systemcharakter. Florenscheiden.</fw><lb/>
seits denselben als &#x201E;europäisch&#x201C; darin entwickelungsge-<lb/>
schichtlich ausprägt, dass zahlreiche Sippen von innigster<lb/>
Verwandtschaft mit den südwärts angrenzenden mediter-<lb/>
ranen Gebieten sich zwischen die arktisch-boreale Haupt-<lb/>
flora drängen, welche weder in Sibirien und Ostasien,<lb/>
noch im britischen Kolumbien und Kanada zu treffen sind.<lb/>
Von der arktischen Flora im Norden führt uns also das<lb/>
Gebiet durch den borealen Birken- und Nadelholzgürtel<lb/>
hinüber zu einer mediterran-borealen Mischlingsflora, welche<lb/>
am reichsten im Südwesten und Südosten des Florenge-<lb/>
bietes entwickelt ist, während die hohe Mauer der Alpen<lb/>
in der Hauptsache ihren montan-borealen Florencharakter<lb/>
ausgeprägt hat, um am Südgehänge dann um so unver-<lb/>
mittelter die ganz verschiedenen mediterranen Sippen zu<lb/>
bewahren. Ihre alpinen Formationen aber sind aufzu-<lb/>
fassen als eigene Entwickelung einer ursprünglich eben-<lb/>
falls mediterranen Hochgebirgsflora, vermehrt um die<lb/>
europäischen Alpenformen des gemeinsamen borealen<lb/>
Grundstocks, und durchdrungen von nicht wenigen, ur-<lb/>
sprünglich dem höheren Norden als Heimat zugehörigen<lb/>
arktischen Inquilinen.</p><lb/>
            <p>Die Meinung, welche in das Wort &#x201E;arktisch-alpine Flora&#x201C;<lb/>
den Sinn einer wirklich gleichartigen Florenentwickelung in den<lb/>
Alpen und im hohen Norden legt, und nicht nur die Gleichförmig-<lb/>
keit der Erscheinungsweise, sowie die häufige Schwierigkeit oder<lb/>
Unmöglichkeit, die eigentliche Heimat für jede Art herauszufinden,<lb/>
damit ausdrücken will, ist als längst überwunden anzusehen.<lb/>
Vergleiche auch darüber Kerners hübschen Aufsatz über die Flora<lb/>
der Diluvialzeit in den Ostalpen (<hi rendition="#i">G. J</hi>., XIII, 326). Ein ausführ-<lb/>
lich in geographischer Tabelle erörtertes Beispiel habe ich in den<lb/>
&#x201E;Florenreichen&#x201C; S. 49 gegeben.</p><lb/>
            <p>In zwei ähnlichen <choice><sic>und und</sic><corr>und</corr></choice> sich auf das mannigfal-<lb/>
tigste durchsetzenden Florenelementen ist daher der Cha-<lb/>
rakter Nord- und Mitteleuropas am meisten ausgeprägt:<lb/>
in dem <hi rendition="#g">baltischen</hi> und in dem <hi rendition="#g">alpinen</hi> Bestandteil. Unter<lb/>
ersterem verstehe ich die im mittleren und südlichen<lb/>
Skandinavien und über die uralisch-baltischen Höhen-<lb/>
rücken, sowie über Grossbritannien und in der Jetztzeit<lb/>
über die deutsche Niederung ausgebreitet vorherrschen-<lb/>
den Pflanzenarten mit vielen an die Küsten gebundenen<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[365/0397] Klima. Systemcharakter. Florenscheiden. seits denselben als „europäisch“ darin entwickelungsge- schichtlich ausprägt, dass zahlreiche Sippen von innigster Verwandtschaft mit den südwärts angrenzenden mediter- ranen Gebieten sich zwischen die arktisch-boreale Haupt- flora drängen, welche weder in Sibirien und Ostasien, noch im britischen Kolumbien und Kanada zu treffen sind. Von der arktischen Flora im Norden führt uns also das Gebiet durch den borealen Birken- und Nadelholzgürtel hinüber zu einer mediterran-borealen Mischlingsflora, welche am reichsten im Südwesten und Südosten des Florenge- bietes entwickelt ist, während die hohe Mauer der Alpen in der Hauptsache ihren montan-borealen Florencharakter ausgeprägt hat, um am Südgehänge dann um so unver- mittelter die ganz verschiedenen mediterranen Sippen zu bewahren. Ihre alpinen Formationen aber sind aufzu- fassen als eigene Entwickelung einer ursprünglich eben- falls mediterranen Hochgebirgsflora, vermehrt um die europäischen Alpenformen des gemeinsamen borealen Grundstocks, und durchdrungen von nicht wenigen, ur- sprünglich dem höheren Norden als Heimat zugehörigen arktischen Inquilinen. Die Meinung, welche in das Wort „arktisch-alpine Flora“ den Sinn einer wirklich gleichartigen Florenentwickelung in den Alpen und im hohen Norden legt, und nicht nur die Gleichförmig- keit der Erscheinungsweise, sowie die häufige Schwierigkeit oder Unmöglichkeit, die eigentliche Heimat für jede Art herauszufinden, damit ausdrücken will, ist als längst überwunden anzusehen. Vergleiche auch darüber Kerners hübschen Aufsatz über die Flora der Diluvialzeit in den Ostalpen (G. J., XIII, 326). Ein ausführ- lich in geographischer Tabelle erörtertes Beispiel habe ich in den „Florenreichen“ S. 49 gegeben. In zwei ähnlichen und sich auf das mannigfal- tigste durchsetzenden Florenelementen ist daher der Cha- rakter Nord- und Mitteleuropas am meisten ausgeprägt: in dem baltischen und in dem alpinen Bestandteil. Unter ersterem verstehe ich die im mittleren und südlichen Skandinavien und über die uralisch-baltischen Höhen- rücken, sowie über Grossbritannien und in der Jetztzeit über die deutsche Niederung ausgebreitet vorherrschen- den Pflanzenarten mit vielen an die Küsten gebundenen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/397
Zitationshilfe: Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/397>, abgerufen am 23.11.2024.