ein besonderes Interesse die mit vielen repräsentativen Arten ganze Gürtel der borealen Florengruppe belegenden Gattungen, zumal wenn es möglich ist, den geologischen Ursprung einigermaßen sicher festzustellen. Denn es ist bisher immer mit ziemlicher Gewissheit das Resultat zu Tage getreten, dass diese Gattungen einen Ursprung im höheren Norden hatten; diejenigen, welche in den älteren Tertiärperioden von dort aus ihre Wanderung antraten oder vollendeten, sind dann wohl alle bis zu den Süd- grenzen der borealen Florengruppe gelangt und teilweise noch subtropischen Charakters, daher empfindlich gegen die Winterfröste des Nordens. Andere wieder, deren Wanderung jüngerer Periode ist, meiden die subtropisch- borealen Florenreiche (Mediterran-Orient, China-Japan, mittleres Nordamerika) und haben nur im nordischen Florenreich eine weite Heimat gefunden, sind hier auch vielfach schon mit gleichen Arten von Europa bis Sibirien und Kanada anzutreffen; die jüngsten Formen endlich sind arktisch-glacial und zeigen die Verbreitung gleicher Arten oder nächster Verwandten rings um den Pol. So lassen sich in den Ländern der borealen Florenreichs- gruppe Gattungsareale kartographisch darstellen, welche mit zunehmender Breite stets mehr identische Arten auf- weisen.
Als gutes Beispiel für eine solche gemäßigte Baumgattung arktotertiären Charakters sei das Areal der Ahornbäume angeführt, dessen systematisch-geographische Gliederung von Pax monogra- phisch behandelt ist (siehe G. J., XI, 109). Die 80 Spezies von Acer sind sämtlich Bewohner der Gebirge der borealen Floren- reiche, am zahlreichsten im mediterran-orientalischen und ostasia- tischen Florenreiche, sowie inmitten beider am Himalaya, endlich im atlantischen Gebiete des mittleren Nordamerikas. Von den 6 mitteleuropäischen Arten betrachtet Pax keine als endemisch, da sie alle auch auf den Gebirgen der Mittelmeerländer vorkommen; hier liegt jedoch das Kriterium in der geographischen Abgren- zungsfrage selbst, da die höheren Bergregionen in Südeuropa alle- samt ein Gemisch mitteleuropäischer und ortsansässiger Vegetation zeigen; jedenfalls haben sie sich aus gemeinsamem Stamme mit den südeuropäischen 9 endemischen Acer-Arten abgeschieden, am reichsten ist die Balkanhalbinsel geblieben. Turkestan besitzt unter 4 Arten 3 endemische; der Himalaya hat fast alle seine 12 Arten endemisch erhalten, nur eine ist eine stärkere Varietät;
Repräsentative Arten der borealen Gruppe.
ein besonderes Interesse die mit vielen repräsentativen Arten ganze Gürtel der borealen Florengruppe belegenden Gattungen, zumal wenn es möglich ist, den geologischen Ursprung einigermaßen sicher festzustellen. Denn es ist bisher immer mit ziemlicher Gewissheit das Resultat zu Tage getreten, dass diese Gattungen einen Ursprung im höheren Norden hatten; diejenigen, welche in den älteren Tertiärperioden von dort aus ihre Wanderung antraten oder vollendeten, sind dann wohl alle bis zu den Süd- grenzen der borealen Florengruppe gelangt und teilweise noch subtropischen Charakters, daher empfindlich gegen die Winterfröste des Nordens. Andere wieder, deren Wanderung jüngerer Periode ist, meiden die subtropisch- borealen Florenreiche (Mediterran-Orient, China-Japan, mittleres Nordamerika) und haben nur im nordischen Florenreich eine weite Heimat gefunden, sind hier auch vielfach schon mit gleichen Arten von Europa bis Sibirien und Kanada anzutreffen; die jüngsten Formen endlich sind arktisch-glacial und zeigen die Verbreitung gleicher Arten oder nächster Verwandten rings um den Pol. So lassen sich in den Ländern der borealen Florenreichs- gruppe Gattungsareale kartographisch darstellen, welche mit zunehmender Breite stets mehr identische Arten auf- weisen.
Als gutes Beispiel für eine solche gemäßigte Baumgattung arktotertiären Charakters sei das Areal der Ahornbäume angeführt, dessen systematisch-geographische Gliederung von Pax monogra- phisch behandelt ist (siehe G. J., XI, 109). Die 80 Spezies von Acer sind sämtlich Bewohner der Gebirge der borealen Floren- reiche, am zahlreichsten im mediterran-orientalischen und ostasia- tischen Florenreiche, sowie inmitten beider am Himalaya, endlich im atlantischen Gebiete des mittleren Nordamerikas. Von den 6 mitteleuropäischen Arten betrachtet Pax keine als endemisch, da sie alle auch auf den Gebirgen der Mittelmeerländer vorkommen; hier liegt jedoch das Kriterium in der geographischen Abgren- zungsfrage selbst, da die höheren Bergregionen in Südeuropa alle- samt ein Gemisch mitteleuropäischer und ortsansässiger Vegetation zeigen; jedenfalls haben sie sich aus gemeinsamem Stamme mit den südeuropäischen 9 endemischen Acer-Arten abgeschieden, am reichsten ist die Balkanhalbinsel geblieben. Turkestan besitzt unter 4 Arten 3 endemische; der Himalaya hat fast alle seine 12 Arten endemisch erhalten, nur eine ist eine stärkere Varietät;
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Repräsentative Arten der borealen Gruppe.
ein besonderes Interesse die mit vielen repräsentativen
Arten ganze Gürtel der borealen Florengruppe belegenden
Gattungen, zumal wenn es möglich ist, den geologischen
Ursprung einigermaßen sicher festzustellen. Denn es ist
bisher immer mit ziemlicher Gewissheit das Resultat zu
Tage getreten, dass diese Gattungen einen Ursprung im
höheren Norden hatten; diejenigen, welche in den älteren
Tertiärperioden von dort aus ihre Wanderung antraten
oder vollendeten, sind dann wohl alle bis zu den Süd-
grenzen der borealen Florengruppe gelangt und teilweise
noch subtropischen Charakters, daher empfindlich gegen
die Winterfröste des Nordens. Andere wieder, deren
Wanderung jüngerer Periode ist, meiden die subtropisch-
borealen Florenreiche (Mediterran-Orient, China-Japan,
mittleres Nordamerika) und haben nur im nordischen
Florenreich eine weite Heimat gefunden, sind hier auch
vielfach schon mit gleichen Arten von Europa bis Sibirien
und Kanada anzutreffen; die jüngsten Formen endlich
sind arktisch-glacial und zeigen die Verbreitung gleicher
Arten oder nächster Verwandten rings um den Pol. So
lassen sich in den Ländern der borealen Florenreichs-
gruppe Gattungsareale kartographisch darstellen, welche
mit zunehmender Breite stets mehr identische Arten auf-
weisen.
Als gutes Beispiel für eine solche gemäßigte Baumgattung
arktotertiären Charakters sei das Areal der Ahornbäume angeführt,
dessen systematisch-geographische Gliederung von Pax monogra-
phisch behandelt ist (siehe G. J., XI, 109). Die 80 Spezies von
Acer sind sämtlich Bewohner der Gebirge der borealen Floren-
reiche, am zahlreichsten im mediterran-orientalischen und ostasia-
tischen Florenreiche, sowie inmitten beider am Himalaya, endlich
im atlantischen Gebiete des mittleren Nordamerikas. Von den
6 mitteleuropäischen Arten betrachtet Pax keine als endemisch,
da sie alle auch auf den Gebirgen der Mittelmeerländer vorkommen;
hier liegt jedoch das Kriterium in der geographischen Abgren-
zungsfrage selbst, da die höheren Bergregionen in Südeuropa alle-
samt ein Gemisch mitteleuropäischer und ortsansässiger Vegetation
zeigen; jedenfalls haben sie sich aus gemeinsamem Stamme mit
den südeuropäischen 9 endemischen Acer-Arten abgeschieden, am
reichsten ist die Balkanhalbinsel geblieben. Turkestan besitzt
unter 4 Arten 3 endemische; der Himalaya hat fast alle seine
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Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/371>, abgerufen am 07.07.2024.
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