doch hat Linnees Flora Lapponica, welche im Jahre 1737 zum erstenmale eine "Flora" im modernen Sinne schuf, so vortrefflich schon auf die in einer solchen sich dar- bietende Mannigfaltigkeit der Gesichtspunkte hinge- wiesen, und aus demselben nordeuropäischen Gebiete ist von Wahlenberg 1812 eine systematisch wie geographisch, sogar kartographisch so wohl geordnete Flora erschienen, dass es an rühmlichen Vorbildern für Europa frühzeitig nicht gefehlt hat.
Der Fortschritt aber erfolgte nicht so geschwind, wenngleich das genannte Beispiel nicht vereinzelt blieb. Es musste nun erst die Pflanzengeographie sich zu einer selbständigen Disziplin der Botanik entwickeln und den Anschluss an die geographische Bedingtheit allgemein gewinnen, um dann um so sicherer und mächtiger auch die geographische Berücksichtigung in den Florenwerken einzelner, grösserer oder kleinerer Gebiete zu erheischen. Und wenn auch die geographischen Uebersichten der Floren, der Zusammenschluss der Bestände zu den Haupt- formationen, ihre Periodizität, die Verteilung biologischer Vegetationsformen und deren besondere Anpassung an Klima und Standort, noch vielfach weit hinter den syste- matischen Uebersichten derselben Floren zurück sind, so liegt das daran, dass ausserhalb der hohe Wissenschaft treibenden Staaten meistens nur flüchtiger durchstreifende Botaniker oder Reisende die Pflanzenschätze sammelten, um sie in den wohlgeordneten Museen zu bearbeiten, wo dann naturgemäß die morphologische Botanik viel besser dabei wegkommen musste, als die biologische Seite und die Gesamtanordnung der Formationen aus zum Teil schwer zu entwirrenden, unbekannten Artgruppen.
Wenn dieser Zustand der Wissenschaft hier hervor- gehoben ist, so geschieht es daher auch nur, um auf bestehende Mängel, die inzwischen täglich mehr aus- geglichen werden, aufmerksam zu machen. Am letzten hat die spezielle biologische Forschung in aussereuropäi- schen Ländern den Anschluss an die Geographie ge- wonnen; solche Forschungen, wie sie Volkens in der libyschen Wüste anstellte (siehe G. J. XIII, 338), sind
Entwickelung der geographischen Florenkunde.
doch hat Linnees Flora Lapponica, welche im Jahre 1737 zum erstenmale eine „Flora“ im modernen Sinne schuf, so vortrefflich schon auf die in einer solchen sich dar- bietende Mannigfaltigkeit der Gesichtspunkte hinge- wiesen, und aus demselben nordeuropäischen Gebiete ist von Wahlenberg 1812 eine systematisch wie geographisch, sogar kartographisch so wohl geordnete Flora erschienen, dass es an rühmlichen Vorbildern für Europa frühzeitig nicht gefehlt hat.
Der Fortschritt aber erfolgte nicht so geschwind, wenngleich das genannte Beispiel nicht vereinzelt blieb. Es musste nun erst die Pflanzengeographie sich zu einer selbständigen Disziplin der Botanik entwickeln und den Anschluss an die geographische Bedingtheit allgemein gewinnen, um dann um so sicherer und mächtiger auch die geographische Berücksichtigung in den Florenwerken einzelner, grösserer oder kleinerer Gebiete zu erheischen. Und wenn auch die geographischen Uebersichten der Floren, der Zusammenschluss der Bestände zu den Haupt- formationen, ihre Periodizität, die Verteilung biologischer Vegetationsformen und deren besondere Anpassung an Klima und Standort, noch vielfach weit hinter den syste- matischen Uebersichten derselben Floren zurück sind, so liegt das daran, dass ausserhalb der hohe Wissenschaft treibenden Staaten meistens nur flüchtiger durchstreifende Botaniker oder Reisende die Pflanzenschätze sammelten, um sie in den wohlgeordneten Museen zu bearbeiten, wo dann naturgemäß die morphologische Botanik viel besser dabei wegkommen musste, als die biologische Seite und die Gesamtanordnung der Formationen aus zum Teil schwer zu entwirrenden, unbekannten Artgruppen.
Wenn dieser Zustand der Wissenschaft hier hervor- gehoben ist, so geschieht es daher auch nur, um auf bestehende Mängel, die inzwischen täglich mehr aus- geglichen werden, aufmerksam zu machen. Am letzten hat die spezielle biologische Forschung in aussereuropäi- schen Ländern den Anschluss an die Geographie ge- wonnen; solche Forschungen, wie sie Volkens in der libyschen Wüste anstellte (siehe G. J. XIII, 338), sind
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Entwickelung der geographischen Florenkunde.
doch hat Linnees Flora Lapponica, welche im Jahre 1737
zum erstenmale eine „Flora“ im modernen Sinne schuf,
so vortrefflich schon auf die in einer solchen sich dar-
bietende Mannigfaltigkeit der Gesichtspunkte hinge-
wiesen, und aus demselben nordeuropäischen Gebiete ist
von Wahlenberg 1812 eine systematisch wie geographisch,
sogar kartographisch so wohl geordnete Flora erschienen,
dass es an rühmlichen Vorbildern für Europa frühzeitig
nicht gefehlt hat.
Der Fortschritt aber erfolgte nicht so geschwind,
wenngleich das genannte Beispiel nicht vereinzelt blieb.
Es musste nun erst die Pflanzengeographie sich zu einer
selbständigen Disziplin der Botanik entwickeln und den
Anschluss an die geographische Bedingtheit allgemein
gewinnen, um dann um so sicherer und mächtiger auch
die geographische Berücksichtigung in den Florenwerken
einzelner, grösserer oder kleinerer Gebiete zu erheischen.
Und wenn auch die geographischen Uebersichten der
Floren, der Zusammenschluss der Bestände zu den Haupt-
formationen, ihre Periodizität, die Verteilung biologischer
Vegetationsformen und deren besondere Anpassung an
Klima und Standort, noch vielfach weit hinter den syste-
matischen Uebersichten derselben Floren zurück sind, so
liegt das daran, dass ausserhalb der hohe Wissenschaft
treibenden Staaten meistens nur flüchtiger durchstreifende
Botaniker oder Reisende die Pflanzenschätze sammelten,
um sie in den wohlgeordneten Museen zu bearbeiten, wo
dann naturgemäß die morphologische Botanik viel besser
dabei wegkommen musste, als die biologische Seite und
die Gesamtanordnung der Formationen aus zum Teil
schwer zu entwirrenden, unbekannten Artgruppen.
Wenn dieser Zustand der Wissenschaft hier hervor-
gehoben ist, so geschieht es daher auch nur, um auf
bestehende Mängel, die inzwischen täglich mehr aus-
geglichen werden, aufmerksam zu machen. Am letzten
hat die spezielle biologische Forschung in aussereuropäi-
schen Ländern den Anschluss an die Geographie ge-
wonnen; solche Forschungen, wie sie Volkens in der
libyschen Wüste anstellte (siehe G. J. XIII, 338), sind
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Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/365>, abgerufen am 24.11.2024.
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