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Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890.

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Vegetationsweise in der Sahara.
jährigen Gewächsen festhalten. Ihre Schutzmittel nun
haben die Wüstenpflanzen erstens in einer durch unge-
heuer tief gehende Wurzeln erfolgenden starken Aus-
nutzung der tiefer liegenden Bodenfeuchtigkeit. "Keim-
pflanzen einer meist einjährig lebenden Art, Monsonia
nivea
(Geraniacee) hatten schon Ende Januar, wo sie aus
einer kaum nagelgrossen Rosette von 3--4 Blättchen be-
standen, Wurzeln von mehr als 1/2 m Länge. Ein kaum
handhohes Exemplar von Calligonum comosum hatte eine
oben daumenstarke Wurzel, 11/2 m weiter unten war sie
noch von der Dicke eines kleinen Fingers, und so kann
man getrost annehmen, dass hier die Länge der unter-
irdischen Teile die der oberirdischen um das 20fache
übertraf." Dadurch allein vermag sich auch die Colo-
quinthe mit zarten, rasch welkenden Blättern den ganzen
Sommer hindurch zu erhalten. Ausserdem entwickeln
einige Wüstenpflanzen neben dem normalen Verdunstungs-
schutz der Blätter auch Absorptionsvorkehrungen für
Thau, andere entwickeln für kürzere oder längere Zeit
wirksame Wasser-Zellenbehälter.

Der allgemeine Charakter der Steppenformationen
wechselt in erster Linie nach dem Bodencharakter. Viel-
leicht ist nirgends der Einfluss des Substrates so zwin-
gend, als in den xerophilen Formationen, und hier ist
auf die oben S. 52--58 gemachten Auseinandersetzungen
zu verweisen. Wir unterscheiden gemeinlich die Steppen
als solche auf Geröll dysgeogener Gesteine, Flugsand,
Thon oder Lehm
, und endlich Salzablagerungen.
Die letzteren schliessen viele sonst gemeinsame Formen
(wie es scheint alle Succulenten ausser den Cacteen?)
aus und bevorzugen ausgewählte Halophyten. Unter
diesen sind die Salsolaceen die am weitesten gemeinsam
verbreitete Ordnung, sogar kleine Bäume wie den Saxaul
(Haloxylon Ammodendron) bringen sie hervor. Aber auch
Compositen, Gräser und andere Familien haben einzelne
gesellige Vertreter.

Als Beispiel der Salzsteppenformationen möge hier eine Skizze
von Lorentz aus seiner Reise zwischen Cordoba und Santiago del
Estero folgen: Eine niedrige Gesträuchformation bildet den Ueber-

Vegetationsweise in der Sahara.
jährigen Gewächsen festhalten. Ihre Schutzmittel nun
haben die Wüstenpflanzen erstens in einer durch unge-
heuer tief gehende Wurzeln erfolgenden starken Aus-
nutzung der tiefer liegenden Bodenfeuchtigkeit. „Keim-
pflanzen einer meist einjährig lebenden Art, Monsonia
nivea
(Geraniacee) hatten schon Ende Januar, wo sie aus
einer kaum nagelgrossen Rosette von 3—4 Blättchen be-
standen, Wurzeln von mehr als ½ m Länge. Ein kaum
handhohes Exemplar von Calligonum comosum hatte eine
oben daumenstarke Wurzel, 1½ m weiter unten war sie
noch von der Dicke eines kleinen Fingers, und so kann
man getrost annehmen, dass hier die Länge der unter-
irdischen Teile die der oberirdischen um das 20fache
übertraf.“ Dadurch allein vermag sich auch die Colo-
quinthe mit zarten, rasch welkenden Blättern den ganzen
Sommer hindurch zu erhalten. Ausserdem entwickeln
einige Wüstenpflanzen neben dem normalen Verdunstungs-
schutz der Blätter auch Absorptionsvorkehrungen für
Thau, andere entwickeln für kürzere oder längere Zeit
wirksame Wasser-Zellenbehälter.

Der allgemeine Charakter der Steppenformationen
wechselt in erster Linie nach dem Bodencharakter. Viel-
leicht ist nirgends der Einfluss des Substrates so zwin-
gend, als in den xerophilen Formationen, und hier ist
auf die oben S. 52—58 gemachten Auseinandersetzungen
zu verweisen. Wir unterscheiden gemeinlich die Steppen
als solche auf Geröll dysgeogener Gesteine, Flugsand,
Thon oder Lehm
, und endlich Salzablagerungen.
Die letzteren schliessen viele sonst gemeinsame Formen
(wie es scheint alle Succulenten ausser den Cacteen?)
aus und bevorzugen ausgewählte Halophyten. Unter
diesen sind die Salsolaceen die am weitesten gemeinsam
verbreitete Ordnung, sogar kleine Bäume wie den Saxaul
(Haloxylon Ammodendron) bringen sie hervor. Aber auch
Compositen, Gräser und andere Familien haben einzelne
gesellige Vertreter.

Als Beispiel der Salzsteppenformationen möge hier eine Skizze
von Lorentz aus seiner Reise zwischen Cordoba und Santiago del
Estero folgen: Eine niedrige Gesträuchformation bildet den Ueber-

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[324/0354] Vegetationsweise in der Sahara. jährigen Gewächsen festhalten. Ihre Schutzmittel nun haben die Wüstenpflanzen erstens in einer durch unge- heuer tief gehende Wurzeln erfolgenden starken Aus- nutzung der tiefer liegenden Bodenfeuchtigkeit. „Keim- pflanzen einer meist einjährig lebenden Art, Monsonia nivea (Geraniacee) hatten schon Ende Januar, wo sie aus einer kaum nagelgrossen Rosette von 3—4 Blättchen be- standen, Wurzeln von mehr als ½ m Länge. Ein kaum handhohes Exemplar von Calligonum comosum hatte eine oben daumenstarke Wurzel, 1½ m weiter unten war sie noch von der Dicke eines kleinen Fingers, und so kann man getrost annehmen, dass hier die Länge der unter- irdischen Teile die der oberirdischen um das 20fache übertraf.“ Dadurch allein vermag sich auch die Colo- quinthe mit zarten, rasch welkenden Blättern den ganzen Sommer hindurch zu erhalten. Ausserdem entwickeln einige Wüstenpflanzen neben dem normalen Verdunstungs- schutz der Blätter auch Absorptionsvorkehrungen für Thau, andere entwickeln für kürzere oder längere Zeit wirksame Wasser-Zellenbehälter. Der allgemeine Charakter der Steppenformationen wechselt in erster Linie nach dem Bodencharakter. Viel- leicht ist nirgends der Einfluss des Substrates so zwin- gend, als in den xerophilen Formationen, und hier ist auf die oben S. 52—58 gemachten Auseinandersetzungen zu verweisen. Wir unterscheiden gemeinlich die Steppen als solche auf Geröll dysgeogener Gesteine, Flugsand, Thon oder Lehm, und endlich Salzablagerungen. Die letzteren schliessen viele sonst gemeinsame Formen (wie es scheint alle Succulenten ausser den Cacteen?) aus und bevorzugen ausgewählte Halophyten. Unter diesen sind die Salsolaceen die am weitesten gemeinsam verbreitete Ordnung, sogar kleine Bäume wie den Saxaul (Haloxylon Ammodendron) bringen sie hervor. Aber auch Compositen, Gräser und andere Familien haben einzelne gesellige Vertreter. Als Beispiel der Salzsteppenformationen möge hier eine Skizze von Lorentz aus seiner Reise zwischen Cordoba und Santiago del Estero folgen: Eine niedrige Gesträuchformation bildet den Ueber-

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Zitationshilfe: Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/354>, abgerufen am 23.11.2024.