Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890.Felsüberzüge von Flechten und Moosen. Fledermäuse eingenistete Lappen anderer Flechtenfami-lien, zumal der Umbilicarien, an, oder ein flach hinge- strecktes, vielfältig zerteiltes Laub von Parmelien, eben- falls in innigster Verwachsung mit dem Gestein, tritt mit den Krustenflechten in Wettstreit. Moose, z. B. Andreaeen, Racomitrien, Grimmien, gesellen sich dazu, zerstreute kleine Polster bildend oder ganze Felsseiten überziehend; im Sommer sind sie wie abgestorben, pul- verig-trocken, und doch erwachen sie alljährlich zu neuem Leben, während das Alter der Gesteinsflechten sich auch nicht annähernd schätzen lässt. In die höher und dichter werdenden Moospolster treten auch Strauchflechten, Cetra- rien und Cladonien, in grösserer Menge ein; dann finden sich Vacciniengesträuche oder eine Lycopodium-Art, und der Uebergang zu einer Art dürftiger Flechtenheide wird schon hier auf dem Fels geboten. Von ungemeiner Be- deutung für den Aufbau der Formation aus diesen oder jenen Arten ist hier allemal der Gesteinscharakter, in erster Linie der Unterschied zwischen Kalk- und Silicat- gesteinen, dann aber auch die Verschiedenheiten in Härte, Erwärmungsfähigkeit und Spaltbarkeit, wie sie zwischen Granit, Thonschiefer, Porphyren zur Geltung kommen. Auf Spitzbergen z. B. ist in den Kalk- und Schiefergebirgen Felsüberzüge von Flechten und Moosen. Fledermäuse eingenistete Lappen anderer Flechtenfami-lien, zumal der Umbilicarien, an, oder ein flach hinge- strecktes, vielfältig zerteiltes Laub von Parmelien, eben- falls in innigster Verwachsung mit dem Gestein, tritt mit den Krustenflechten in Wettstreit. Moose, z. B. Andreaeen, Racomitrien, Grimmien, gesellen sich dazu, zerstreute kleine Polster bildend oder ganze Felsseiten überziehend; im Sommer sind sie wie abgestorben, pul- verig-trocken, und doch erwachen sie alljährlich zu neuem Leben, während das Alter der Gesteinsflechten sich auch nicht annähernd schätzen lässt. In die höher und dichter werdenden Moospolster treten auch Strauchflechten, Cetra- rien und Cladonien, in grösserer Menge ein; dann finden sich Vacciniengesträuche oder eine Lycopodium-Art, und der Uebergang zu einer Art dürftiger Flechtenheide wird schon hier auf dem Fels geboten. Von ungemeiner Be- deutung für den Aufbau der Formation aus diesen oder jenen Arten ist hier allemal der Gesteinscharakter, in erster Linie der Unterschied zwischen Kalk- und Silicat- gesteinen, dann aber auch die Verschiedenheiten in Härte, Erwärmungsfähigkeit und Spaltbarkeit, wie sie zwischen Granit, Thonschiefer, Porphyren zur Geltung kommen. Auf Spitzbergen z. B. ist in den Kalk- und Schiefergebirgen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0339" n="309"/><fw place="top" type="header">Felsüberzüge von Flechten und Moosen.</fw><lb/> Fledermäuse eingenistete Lappen anderer Flechtenfami-<lb/> lien, zumal der Umbilicarien, an, oder ein flach hinge-<lb/> strecktes, vielfältig zerteiltes Laub von Parmelien, eben-<lb/> falls in innigster Verwachsung mit dem Gestein, tritt<lb/> mit den Krustenflechten in Wettstreit. Moose, z. B.<lb/> Andreaeen, Racomitrien, Grimmien, gesellen sich dazu,<lb/> zerstreute kleine Polster bildend oder ganze Felsseiten<lb/> überziehend; im Sommer sind sie wie abgestorben, pul-<lb/> verig-trocken, und doch erwachen sie alljährlich zu neuem<lb/> Leben, während das Alter der Gesteinsflechten sich auch<lb/> nicht annähernd schätzen lässt. In die höher und dichter<lb/> werdenden Moospolster treten auch Strauchflechten, Cetra-<lb/> rien und Cladonien, in grösserer Menge ein; dann finden<lb/> sich Vacciniengesträuche oder eine Lycopodium-Art, und<lb/> der Uebergang zu einer Art dürftiger Flechtenheide wird<lb/> schon hier auf dem Fels geboten. Von ungemeiner Be-<lb/> deutung für den Aufbau der Formation aus diesen oder<lb/> jenen Arten ist hier allemal der Gesteinscharakter, in<lb/> erster Linie der Unterschied zwischen Kalk- und Silicat-<lb/> gesteinen, dann aber auch die Verschiedenheiten in Härte,<lb/> Erwärmungsfähigkeit und Spaltbarkeit, wie sie zwischen<lb/> Granit, Thonschiefer, Porphyren zur Geltung kommen.</p><lb/> <p>Auf Spitzbergen z. B. ist in den Kalk- und Schiefergebirgen<lb/> die Artenzahl an Laubmoosen verhältnismäßig gross, in den Granit-<lb/> und Gneisgegenden kaum die Hälfte der ersteren, dagegen die<lb/> Individuenmenge hier grösser. Der Sandstein steht gleichsam auf<lb/> der Grenze von beiden, stimmt in Bezug auf physikalische Eigen-<lb/> schaften und Wirkungen mit den sedimentären Gesteinen, dagegen<lb/> in Bezug auf die chemischen Eigenschaften mit dem Granit und<lb/> Gneis überein. Alle Arten der Gattung Sphagnum sind hier<lb/> absolut kalkfeindlich; diese und ihre Genossen bewohnen die<lb/> Gegenden der Urformation, können aber auch Sandsteinfelsen be-<lb/> siedeln. — Aehnliche Unterschiede macht Pfeffer für den Gesteins-<lb/> charakter geltend, dem wir in lehrreichster Weise geschriebene<lb/> „bryogeographische Studien aus den rätischen Alpen“ verdanken<lb/> (1869); die Massenvegetation der Moose ist nach ihm stets auf den<lb/> kalkhaltigen Gesteinen weniger auffallend, von hoher physiogno-<lb/> mischer Bedeutung dagegen auf den Trümmerfeldern der Kiesel-<lb/> gesteine. Die Oberfläche der Kalkblöcke ist meist kahl, wenig<lb/> zahlreiche kleine Rasen einer Grimmia und Weisia haben sich ange-<lb/> siedelt. Aber auf den Kieselgesteinen kehren alle Moose des kalk-<lb/> haltigen Gesteins wieder und zahlreiche nur in grossen Massen<lb/> auftretende. — In Spitzbergens höchster Region des sedimentären<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [309/0339]
Felsüberzüge von Flechten und Moosen.
Fledermäuse eingenistete Lappen anderer Flechtenfami-
lien, zumal der Umbilicarien, an, oder ein flach hinge-
strecktes, vielfältig zerteiltes Laub von Parmelien, eben-
falls in innigster Verwachsung mit dem Gestein, tritt
mit den Krustenflechten in Wettstreit. Moose, z. B.
Andreaeen, Racomitrien, Grimmien, gesellen sich dazu,
zerstreute kleine Polster bildend oder ganze Felsseiten
überziehend; im Sommer sind sie wie abgestorben, pul-
verig-trocken, und doch erwachen sie alljährlich zu neuem
Leben, während das Alter der Gesteinsflechten sich auch
nicht annähernd schätzen lässt. In die höher und dichter
werdenden Moospolster treten auch Strauchflechten, Cetra-
rien und Cladonien, in grösserer Menge ein; dann finden
sich Vacciniengesträuche oder eine Lycopodium-Art, und
der Uebergang zu einer Art dürftiger Flechtenheide wird
schon hier auf dem Fels geboten. Von ungemeiner Be-
deutung für den Aufbau der Formation aus diesen oder
jenen Arten ist hier allemal der Gesteinscharakter, in
erster Linie der Unterschied zwischen Kalk- und Silicat-
gesteinen, dann aber auch die Verschiedenheiten in Härte,
Erwärmungsfähigkeit und Spaltbarkeit, wie sie zwischen
Granit, Thonschiefer, Porphyren zur Geltung kommen.
Auf Spitzbergen z. B. ist in den Kalk- und Schiefergebirgen
die Artenzahl an Laubmoosen verhältnismäßig gross, in den Granit-
und Gneisgegenden kaum die Hälfte der ersteren, dagegen die
Individuenmenge hier grösser. Der Sandstein steht gleichsam auf
der Grenze von beiden, stimmt in Bezug auf physikalische Eigen-
schaften und Wirkungen mit den sedimentären Gesteinen, dagegen
in Bezug auf die chemischen Eigenschaften mit dem Granit und
Gneis überein. Alle Arten der Gattung Sphagnum sind hier
absolut kalkfeindlich; diese und ihre Genossen bewohnen die
Gegenden der Urformation, können aber auch Sandsteinfelsen be-
siedeln. — Aehnliche Unterschiede macht Pfeffer für den Gesteins-
charakter geltend, dem wir in lehrreichster Weise geschriebene
„bryogeographische Studien aus den rätischen Alpen“ verdanken
(1869); die Massenvegetation der Moose ist nach ihm stets auf den
kalkhaltigen Gesteinen weniger auffallend, von hoher physiogno-
mischer Bedeutung dagegen auf den Trümmerfeldern der Kiesel-
gesteine. Die Oberfläche der Kalkblöcke ist meist kahl, wenig
zahlreiche kleine Rasen einer Grimmia und Weisia haben sich ange-
siedelt. Aber auf den Kieselgesteinen kehren alle Moose des kalk-
haltigen Gesteins wieder und zahlreiche nur in grossen Massen
auftretende. — In Spitzbergens höchster Region des sedimentären
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |