Standorte, welche grössere Moosgesellschaften im Klima von Deutschland zeigen, zu verstehen. Die Flechten sind wohl der Trocknis gegenüber die unempfindlichsten Pflan- zen, da sie auf dem Felsgestein in Wüsten nicht fehlen; sie fahren nach gelegentlichen Benetzungen fort zu wachsen; aber dass eine häufige und regelmäßige Durch- feuchtung zu ihren günstigen Wachstumsbedingungen gehört, ersieht man aus der Entfaltung ihres Form- und Artenreichtums allein im Hochgebirge und in feuchtkalten oder feuchtgemäßigten Ebenen. In den Tropen be- schränkt sich ihre Bildung in unbedeutenden Formen hauptsächlich auf die Borken der Bäume, während ihre Masse im arktischen Nordamerika hinreicht, das Leben von Polarfahrern zu fristen und weidende Tiere zu nähren.
Die weitere Einteilung der Moos- und Flechten- formationen, welche hier mancher gemeinsamer Gesichts- punkte wegen unter gemeinsame Behandlung gebracht sind, bestimmt sich erstens nach ihrem Standort auf reinem, einer Humusschicht entbehrenden Felsen, oder auf schwarzer, torfiger oder sandiger oder lehmiger Erde, oder im wasserdurchsickerten Moor, welches sich selbst auf überrieseltem Geröll aufgebaut oder in Teiche hin- eingewuchert hat; und zweitens nach ihrer Zusammen- setzung aus reinen Moosen, reinen Flechten, gemischten Moosen und Flechten, mit oder ohne Hinzutreten be- stimmter Gruppen höherer Gefässpflanzen. Indem der letztere Gesichtspunkt in untergeordnete Bedeutung ge- bracht wird, gliedern sich die Bestände zunächst in Fels- formationen (Moos- und Flechtenfelsüberzüge), terrestrische Formationen (Mooswiesen, Moos- und Flechtentundra), und in Sumpfformationen (Moosmoore, Torfmoossümpfe, schwappende Tundren).
Unter den Felsüberzügen der Zellenpflanzen spielen die Steinflechten die wichtigste Rolle. Wie man an den Blöcken der mitteldeutschen Bergländer mit Trümmer- gestein von Graniten, Gneisen etc. wahrnehmen kann, überzieht eine anspruchslose Decke (ein "Gekruste" im Kernerschen Ausdruck) von Flechtenschorf oft mächtige Felsstücke; zwischen ihnen siedeln sich grössere, wie
Einteilung der Moos- und Flechtenformationen.
Standorte, welche grössere Moosgesellschaften im Klima von Deutschland zeigen, zu verstehen. Die Flechten sind wohl der Trocknis gegenüber die unempfindlichsten Pflan- zen, da sie auf dem Felsgestein in Wüsten nicht fehlen; sie fahren nach gelegentlichen Benetzungen fort zu wachsen; aber dass eine häufige und regelmäßige Durch- feuchtung zu ihren günstigen Wachstumsbedingungen gehört, ersieht man aus der Entfaltung ihres Form- und Artenreichtums allein im Hochgebirge und in feuchtkalten oder feuchtgemäßigten Ebenen. In den Tropen be- schränkt sich ihre Bildung in unbedeutenden Formen hauptsächlich auf die Borken der Bäume, während ihre Masse im arktischen Nordamerika hinreicht, das Leben von Polarfahrern zu fristen und weidende Tiere zu nähren.
Die weitere Einteilung der Moos- und Flechten- formationen, welche hier mancher gemeinsamer Gesichts- punkte wegen unter gemeinsame Behandlung gebracht sind, bestimmt sich erstens nach ihrem Standort auf reinem, einer Humusschicht entbehrenden Felsen, oder auf schwarzer, torfiger oder sandiger oder lehmiger Erde, oder im wasserdurchsickerten Moor, welches sich selbst auf überrieseltem Geröll aufgebaut oder in Teiche hin- eingewuchert hat; und zweitens nach ihrer Zusammen- setzung aus reinen Moosen, reinen Flechten, gemischten Moosen und Flechten, mit oder ohne Hinzutreten be- stimmter Gruppen höherer Gefässpflanzen. Indem der letztere Gesichtspunkt in untergeordnete Bedeutung ge- bracht wird, gliedern sich die Bestände zunächst in Fels- formationen (Moos- und Flechtenfelsüberzüge), terrestrische Formationen (Mooswiesen, Moos- und Flechtentundra), und in Sumpfformationen (Moosmoore, Torfmoossümpfe, schwappende Tundren).
Unter den Felsüberzügen der Zellenpflanzen spielen die Steinflechten die wichtigste Rolle. Wie man an den Blöcken der mitteldeutschen Bergländer mit Trümmer- gestein von Graniten, Gneisen etc. wahrnehmen kann, überzieht eine anspruchslose Decke (ein „Gekruste“ im Kernerschen Ausdruck) von Flechtenschorf oft mächtige Felsstücke; zwischen ihnen siedeln sich grössere, wie
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Einteilung der Moos- und Flechtenformationen.
Standorte, welche grössere Moosgesellschaften im Klima
von Deutschland zeigen, zu verstehen. Die Flechten sind
wohl der Trocknis gegenüber die unempfindlichsten Pflan-
zen, da sie auf dem Felsgestein in Wüsten nicht fehlen;
sie fahren nach gelegentlichen Benetzungen fort zu
wachsen; aber dass eine häufige und regelmäßige Durch-
feuchtung zu ihren günstigen Wachstumsbedingungen
gehört, ersieht man aus der Entfaltung ihres Form- und
Artenreichtums allein im Hochgebirge und in feuchtkalten
oder feuchtgemäßigten Ebenen. In den Tropen be-
schränkt sich ihre Bildung in unbedeutenden Formen
hauptsächlich auf die Borken der Bäume, während ihre
Masse im arktischen Nordamerika hinreicht, das Leben
von Polarfahrern zu fristen und weidende Tiere zu nähren.
Die weitere Einteilung der Moos- und Flechten-
formationen, welche hier mancher gemeinsamer Gesichts-
punkte wegen unter gemeinsame Behandlung gebracht
sind, bestimmt sich erstens nach ihrem Standort auf
reinem, einer Humusschicht entbehrenden Felsen, oder
auf schwarzer, torfiger oder sandiger oder lehmiger Erde,
oder im wasserdurchsickerten Moor, welches sich selbst
auf überrieseltem Geröll aufgebaut oder in Teiche hin-
eingewuchert hat; und zweitens nach ihrer Zusammen-
setzung aus reinen Moosen, reinen Flechten, gemischten
Moosen und Flechten, mit oder ohne Hinzutreten be-
stimmter Gruppen höherer Gefässpflanzen. Indem der
letztere Gesichtspunkt in untergeordnete Bedeutung ge-
bracht wird, gliedern sich die Bestände zunächst in Fels-
formationen (Moos- und Flechtenfelsüberzüge), terrestrische
Formationen (Mooswiesen, Moos- und Flechtentundra),
und in Sumpfformationen (Moosmoore, Torfmoossümpfe,
schwappende Tundren).
Unter den Felsüberzügen der Zellenpflanzen spielen
die Steinflechten die wichtigste Rolle. Wie man an den
Blöcken der mitteldeutschen Bergländer mit Trümmer-
gestein von Graniten, Gneisen etc. wahrnehmen kann,
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Felsstücke; zwischen ihnen siedeln sich grössere, wie
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Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/338>, abgerufen am 25.11.2024.
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