kennen geben, aufzufassen, geschieht weil die Ausbreitungsfähig- keit dieser oder jener Pflanzenart durch eine ausserhalb ihres Vermögens liegende Kraft alsdann gehoben, der Rang, welchen sie in der Formation einnimmt, dadurch gesteigert und ihr Aussehen verändert wird. Die ganze Insektenauswahl der Blumen zum Zwecke des Nahrungssammelns und mit dem Erfolge gesicherter Fremdbestäubung gehört insofern hierher. -- Viel weniger bekannt sind noch die "myrmekophilen Pflanzenarten". Ein Beispiel aus der Wiener Flora liefert uns neuerdings dafür Wettstein von Jurinea mollis, einer mit grossen rotvioletten Blütenköpfen die Wiesen zierenden Composite: man findet die jungen noch nicht geöffneten Blütenköpfe stets von mehreren Individuen einer an Nektaraussonderungen der Hüllschuppen saugenden Ameisenart besetzt, und zwar lassen die Ameisen alsdann kein anderes Insekt an die Blütenköpfe heran. Sobald man sie künstlich ausschliesst, haben sonstige Feinde Zugang, so dass von 50 ameisenfrei gehal- tenen Blütenköpfen 17 angefressen, angestochen, teilweise zerstört gefunden wurden; die Ameisen selbst schaden dagegen der Jurinee gar nichts, üben also für diese Art einen wirksamen Schutz aus.
Noch ein weiteres Beispiel möge dafür folgen, wie die Wechselbeziehungen der Blütenpflanzen zu den sie bei ihrer Nah- rungssuche befruchtenden Insekten Veranlassung zu Forschungen über die Schaustellung der Blüten in der Landschafts-Physiognomie geben können. Das Beispiel lehrt zugleich Vorsicht in Bezug auf allzu schnelle Entscheidung durch die nächst liegenden Gründe. Es handelt sich um Erklärung der Armut an leuchtenden und grossen, gefärbten Blumen in den neuseeländischen Gebüsch- und Staudenformationen, wofür die nähere Litteratur im G. J., Bd. X, S. 194--195 sich findet: Gemäß der gegenseitigen Anpassung von Blumen und Insekten aneinander, wie sie jetzt in allen biologi- schen Lehrbüchern breit auseinandergesetzt zu werden pflegt, hatte Wallace die Blumenarmut und die geringe Auffälligkeit der meistens auch duftlosen Blüten in der Flora Neuseelands auf einen äussersten Mangel an Insekten zurückzuführen sich bemüht. Im ganzen genommen gilt nämlich die genannte Inselflora als am meisten grünliche, unansehnliche, wenig zur Schau gestellte Blumen hervorbringend, mehr als ein anderes Land, und in jenem Länder- bereich um so mehr kontrastierend mit den glänzenden australischen Blumen, zu welchen ein entsprechend grosser Reichtum von Insek- ten gehört; und dieser Farbenmangel gilt besonders für die auf Neuseeland beschränkten Endemismen. Es lag nun nahe, mit Wal- lace folgenden Rückschluss zu machen; die Entwickelung der neu- seeländischen Blütenpflanzen ist nur unter geringem Einfluss der Insektenwelt vor sich gegangen, und es muss daher die Armut an Insekten in diesem Florengebiete eine sehr alte (im geologischen Sinne) sein, weil sich sonst wie in anderen Ländern eigene Wechsel- beziehungen hätten herausbilden können. Die andauernde Insekten- armut ist nun aber zugleich ein neues und wichtiges Argument gegen die Idee einer früheren Landverbindung von Neuseeland
Organische Wechselbeziehungen in den Formationen.
kennen geben, aufzufassen, geschieht weil die Ausbreitungsfähig- keit dieser oder jener Pflanzenart durch eine ausserhalb ihres Vermögens liegende Kraft alsdann gehoben, der Rang, welchen sie in der Formation einnimmt, dadurch gesteigert und ihr Aussehen verändert wird. Die ganze Insektenauswahl der Blumen zum Zwecke des Nahrungssammelns und mit dem Erfolge gesicherter Fremdbestäubung gehört insofern hierher. — Viel weniger bekannt sind noch die „myrmekophilen Pflanzenarten“. Ein Beispiel aus der Wiener Flora liefert uns neuerdings dafür Wettstein von Jurinea mollis, einer mit grossen rotvioletten Blütenköpfen die Wiesen zierenden Composite: man findet die jungen noch nicht geöffneten Blütenköpfe stets von mehreren Individuen einer an Nektaraussonderungen der Hüllschuppen saugenden Ameisenart besetzt, und zwar lassen die Ameisen alsdann kein anderes Insekt an die Blütenköpfe heran. Sobald man sie künstlich ausschliesst, haben sonstige Feinde Zugang, so dass von 50 ameisenfrei gehal- tenen Blütenköpfen 17 angefressen, angestochen, teilweise zerstört gefunden wurden; die Ameisen selbst schaden dagegen der Jurinee gar nichts, üben also für diese Art einen wirksamen Schutz aus.
Noch ein weiteres Beispiel möge dafür folgen, wie die Wechselbeziehungen der Blütenpflanzen zu den sie bei ihrer Nah- rungssuche befruchtenden Insekten Veranlassung zu Forschungen über die Schaustellung der Blüten in der Landschafts-Physiognomie geben können. Das Beispiel lehrt zugleich Vorsicht in Bezug auf allzu schnelle Entscheidung durch die nächst liegenden Gründe. Es handelt sich um Erklärung der Armut an leuchtenden und grossen, gefärbten Blumen in den neuseeländischen Gebüsch- und Staudenformationen, wofür die nähere Litteratur im G. J., Bd. X, S. 194—195 sich findet: Gemäß der gegenseitigen Anpassung von Blumen und Insekten aneinander, wie sie jetzt in allen biologi- schen Lehrbüchern breit auseinandergesetzt zu werden pflegt, hatte Wallace die Blumenarmut und die geringe Auffälligkeit der meistens auch duftlosen Blüten in der Flora Neuseelands auf einen äussersten Mangel an Insekten zurückzuführen sich bemüht. Im ganzen genommen gilt nämlich die genannte Inselflora als am meisten grünliche, unansehnliche, wenig zur Schau gestellte Blumen hervorbringend, mehr als ein anderes Land, und in jenem Länder- bereich um so mehr kontrastierend mit den glänzenden australischen Blumen, zu welchen ein entsprechend grosser Reichtum von Insek- ten gehört; und dieser Farbenmangel gilt besonders für die auf Neuseeland beschränkten Endemismen. Es lag nun nahe, mit Wal- lace folgenden Rückschluss zu machen; die Entwickelung der neu- seeländischen Blütenpflanzen ist nur unter geringem Einfluss der Insektenwelt vor sich gegangen, und es muss daher die Armut an Insekten in diesem Florengebiete eine sehr alte (im geologischen Sinne) sein, weil sich sonst wie in anderen Ländern eigene Wechsel- beziehungen hätten herausbilden können. Die andauernde Insekten- armut ist nun aber zugleich ein neues und wichtiges Argument gegen die Idee einer früheren Landverbindung von Neuseeland
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[227/0257]
Organische Wechselbeziehungen in den Formationen.
kennen geben, aufzufassen, geschieht weil die Ausbreitungsfähig-
keit dieser oder jener Pflanzenart durch eine ausserhalb ihres
Vermögens liegende Kraft alsdann gehoben, der Rang, welchen sie
in der Formation einnimmt, dadurch gesteigert und ihr Aussehen
verändert wird. Die ganze Insektenauswahl der Blumen zum
Zwecke des Nahrungssammelns und mit dem Erfolge gesicherter
Fremdbestäubung gehört insofern hierher. — Viel weniger bekannt
sind noch die „myrmekophilen Pflanzenarten“. Ein Beispiel aus
der Wiener Flora liefert uns neuerdings dafür Wettstein von
Jurinea mollis, einer mit grossen rotvioletten Blütenköpfen die
Wiesen zierenden Composite: man findet die jungen noch nicht
geöffneten Blütenköpfe stets von mehreren Individuen einer an
Nektaraussonderungen der Hüllschuppen saugenden Ameisenart
besetzt, und zwar lassen die Ameisen alsdann kein anderes Insekt
an die Blütenköpfe heran. Sobald man sie künstlich ausschliesst,
haben sonstige Feinde Zugang, so dass von 50 ameisenfrei gehal-
tenen Blütenköpfen 17 angefressen, angestochen, teilweise zerstört
gefunden wurden; die Ameisen selbst schaden dagegen der Jurinee
gar nichts, üben also für diese Art einen wirksamen Schutz aus.
Noch ein weiteres Beispiel möge dafür folgen, wie die
Wechselbeziehungen der Blütenpflanzen zu den sie bei ihrer Nah-
rungssuche befruchtenden Insekten Veranlassung zu Forschungen
über die Schaustellung der Blüten in der Landschafts-Physiognomie
geben können. Das Beispiel lehrt zugleich Vorsicht in Bezug auf
allzu schnelle Entscheidung durch die nächst liegenden Gründe.
Es handelt sich um Erklärung der Armut an leuchtenden und
grossen, gefärbten Blumen in den neuseeländischen Gebüsch- und
Staudenformationen, wofür die nähere Litteratur im G. J., Bd. X,
S. 194—195 sich findet: Gemäß der gegenseitigen Anpassung von
Blumen und Insekten aneinander, wie sie jetzt in allen biologi-
schen Lehrbüchern breit auseinandergesetzt zu werden pflegt, hatte
Wallace die Blumenarmut und die geringe Auffälligkeit der
meistens auch duftlosen Blüten in der Flora Neuseelands auf einen
äussersten Mangel an Insekten zurückzuführen sich bemüht. Im
ganzen genommen gilt nämlich die genannte Inselflora als am
meisten grünliche, unansehnliche, wenig zur Schau gestellte Blumen
hervorbringend, mehr als ein anderes Land, und in jenem Länder-
bereich um so mehr kontrastierend mit den glänzenden australischen
Blumen, zu welchen ein entsprechend grosser Reichtum von Insek-
ten gehört; und dieser Farbenmangel gilt besonders für die auf
Neuseeland beschränkten Endemismen. Es lag nun nahe, mit Wal-
lace folgenden Rückschluss zu machen; die Entwickelung der neu-
seeländischen Blütenpflanzen ist nur unter geringem Einfluss der
Insektenwelt vor sich gegangen, und es muss daher die Armut
an Insekten in diesem Florengebiete eine sehr alte (im geologischen
Sinne) sein, weil sich sonst wie in anderen Ländern eigene Wechsel-
beziehungen hätten herausbilden können. Die andauernde Insekten-
armut ist nun aber zugleich ein neues und wichtiges Argument
gegen die Idee einer früheren Landverbindung von Neuseeland
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Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/257>, abgerufen am 31.07.2024.
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