Sippen niederen Ranges sind die Unterarten und Arten, Sippen höheren Ranges Gruppen verwandter Arten und Gattungen, Sippen hohen und höchsten Ranges sind die Tribus und Ordnungen (beziehungsweise Unterfamilien und Familien) des natürlichen Systems.
Ausbreitungstrieb, Wanderungsvermögen, Schran- ken der Wanderung. Die Areale der Sippen sind etwas Schwankendes. Eine jede erzeugt unter normalen Ver- hältnissen fortwährend eine grössere Zahl fortpflanzungs- fähiger Individuen; diese Nachkommenschaft sucht die alten Plätze festzuhalten, neue Plätze dazu zu erwerben, aber ihr stehen als Konkurrenten auf demselben Boden andere Sippen mit einem ähnlichen Ausbreitungstrieb hindernd gegenüber, nicht selten auch die notwendig enge Verteilung der Standorte überhaupt. So hat der Aus- breitungstrieb in der sich selbst überlassenen und gleich- bleibenden Natur selten Gelegenheit, im grossen Maßstabe wirksame Ausbreitung zu erzielen, da sich unter gleich- bleibenden äusseren Verhältnissen die Arten mit ihrem gegenseitigen Kampfe in eine Art von Gleichgewicht ein- gestellt haben, welches den Eindruck einer wirklichen stationären Ruhe hervorruft, während thatsächlich sich ein steter Wechsel der Anordnung im kleinsten Maße offenbart und dadurch Zeugnis von dem Vorhandensein eines stillen Kampfes um den Standort gibt.
Der Ausbreitungstrieb wird auch im Pflanzenreich durch ein bald mehr bald weniger stark entwickeltes Wanderungsvermögen unterstützt. Wandern können alle Pflanzen schon dadurch, dass ihre Ausläufer auf Zoll- oder Fussesweite vom Standort des Mutterstockes weiter- kriechen, dass die Samen beim Herausfallen aus der ge- reiften Kapsel durch den Wind eine kleine Strecke weit fortbewegt werden; diese kleinen Schritte häufen sich in Jahrhunderten und machen schliesslich, wenn die Um- stände der Ausbreitung einer Art sonst günstig sind, meilenweite, länderdurchmessende Strecken aus. Andere Arten und Gattungen sind durch besondere organische Eigenschaften über den Durchschnitt des Wanderungs-
Kampf um den Standort.
Sippen niederen Ranges sind die Unterarten und Arten, Sippen höheren Ranges Gruppen verwandter Arten und Gattungen, Sippen hohen und höchsten Ranges sind die Tribus und Ordnungen (beziehungsweise Unterfamilien und Familien) des natürlichen Systems.
Ausbreitungstrieb, Wanderungsvermögen, Schran- ken der Wanderung. Die Areale der Sippen sind etwas Schwankendes. Eine jede erzeugt unter normalen Ver- hältnissen fortwährend eine grössere Zahl fortpflanzungs- fähiger Individuen; diese Nachkommenschaft sucht die alten Plätze festzuhalten, neue Plätze dazu zu erwerben, aber ihr stehen als Konkurrenten auf demselben Boden andere Sippen mit einem ähnlichen Ausbreitungstrieb hindernd gegenüber, nicht selten auch die notwendig enge Verteilung der Standorte überhaupt. So hat der Aus- breitungstrieb in der sich selbst überlassenen und gleich- bleibenden Natur selten Gelegenheit, im grossen Maßstabe wirksame Ausbreitung zu erzielen, da sich unter gleich- bleibenden äusseren Verhältnissen die Arten mit ihrem gegenseitigen Kampfe in eine Art von Gleichgewicht ein- gestellt haben, welches den Eindruck einer wirklichen stationären Ruhe hervorruft, während thatsächlich sich ein steter Wechsel der Anordnung im kleinsten Maße offenbart und dadurch Zeugnis von dem Vorhandensein eines stillen Kampfes um den Standort gibt.
Der Ausbreitungstrieb wird auch im Pflanzenreich durch ein bald mehr bald weniger stark entwickeltes Wanderungsvermögen unterstützt. Wandern können alle Pflanzen schon dadurch, dass ihre Ausläufer auf Zoll- oder Fussesweite vom Standort des Mutterstockes weiter- kriechen, dass die Samen beim Herausfallen aus der ge- reiften Kapsel durch den Wind eine kleine Strecke weit fortbewegt werden; diese kleinen Schritte häufen sich in Jahrhunderten und machen schliesslich, wenn die Um- stände der Ausbreitung einer Art sonst günstig sind, meilenweite, länderdurchmessende Strecken aus. Andere Arten und Gattungen sind durch besondere organische Eigenschaften über den Durchschnitt des Wanderungs-
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Kampf um den Standort.
Sippen niederen Ranges sind die Unterarten und Arten,
Sippen höheren Ranges Gruppen verwandter Arten und
Gattungen, Sippen hohen und höchsten Ranges sind die
Tribus und Ordnungen (beziehungsweise Unterfamilien
und Familien) des natürlichen Systems.
Ausbreitungstrieb, Wanderungsvermögen, Schran-
ken der Wanderung. Die Areale der Sippen sind etwas
Schwankendes. Eine jede erzeugt unter normalen Ver-
hältnissen fortwährend eine grössere Zahl fortpflanzungs-
fähiger Individuen; diese Nachkommenschaft sucht die
alten Plätze festzuhalten, neue Plätze dazu zu erwerben,
aber ihr stehen als Konkurrenten auf demselben Boden
andere Sippen mit einem ähnlichen Ausbreitungstrieb
hindernd gegenüber, nicht selten auch die notwendig enge
Verteilung der Standorte überhaupt. So hat der Aus-
breitungstrieb in der sich selbst überlassenen und gleich-
bleibenden Natur selten Gelegenheit, im grossen Maßstabe
wirksame Ausbreitung zu erzielen, da sich unter gleich-
bleibenden äusseren Verhältnissen die Arten mit ihrem
gegenseitigen Kampfe in eine Art von Gleichgewicht ein-
gestellt haben, welches den Eindruck einer wirklichen
stationären Ruhe hervorruft, während thatsächlich sich
ein steter Wechsel der Anordnung im kleinsten Maße
offenbart und dadurch Zeugnis von dem Vorhandensein
eines stillen Kampfes um den Standort gibt.
Der Ausbreitungstrieb wird auch im Pflanzenreich
durch ein bald mehr bald weniger stark entwickeltes
Wanderungsvermögen unterstützt. Wandern können alle
Pflanzen schon dadurch, dass ihre Ausläufer auf Zoll-
oder Fussesweite vom Standort des Mutterstockes weiter-
kriechen, dass die Samen beim Herausfallen aus der ge-
reiften Kapsel durch den Wind eine kleine Strecke weit
fortbewegt werden; diese kleinen Schritte häufen sich in
Jahrhunderten und machen schliesslich, wenn die Um-
stände der Ausbreitung einer Art sonst günstig sind,
meilenweite, länderdurchmessende Strecken aus. Andere
Arten und Gattungen sind durch besondere organische
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Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/122>, abgerufen am 24.11.2024.
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