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Droysen, Johann Gustav: Grundriss der Historik. Leipzig, 1868.

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eines Gelübdes an den rettenden Gott, dessen Tempel es schmücken
sollte; es bedurfte der geschickten Hand, um den Zweck und das
Gedankenbild und den Stoff zusammenzuschliessen zu dem vollendeten
Werk. Freilich auch das Erz war nöthig, damit der Adorante gefer-
tigt werde; aber es wäre doch ein übles Stück Civilisation, wenn man
diess wundervolle Kunstwerk nur nach dem Metallwerth schätzen
wollte, wie Buckle mit der Geschichte thut.

Er verfährt um nichts weniger einseitig als diejenigen, -- wie
streng tadelt er sie! -- welche die Geschichte allein aus dem Zweck,
wie etwa die Theologie ihn lehrt oder das gläubige Gemüth ihn ahnet,
erklären; -- oder welche eben so einseitig nur die geschickten Hände,
welche die Arbeit machen, sehen und beobachten, gleich als wenn die
Geschicke nicht ihres Ganges gingen trotz des guten oder üblen Willens
derer, durch welche sie sich vollziehen; -- oder welche ein für alle-
mal mit ihren Vorstellungen von den Dingen, die da im steten Werden
und in steter Selbstkritik sind, mit ihren Doctrinen fertig, immer nur
wissen und besser wissen, wie der Staat, die Kirche, die sociale Ord-
nung u. s. w. hätte werden und sein müssen. Jede dieser Betrach-
tungsweisen für sich ist einseitig, unwahr, verderblich, wenn auch jede
in ihrer Art berechtigt und förderlich ist. "Alles", lehrt jener alte
Philosoph, "was durch Ursache ist, nicht durch sich selbst wie die
Gottheit" enthält jene vier Momente, von denen keins allein und für
sich das Ganze erklären kann und soll. Und genauer, nach jenen vier
Momenten zerlegen wir es uns in unserm Geist, für unsere Betrach-
tung, mit dem Bewusstsein, dass sie in der Wirklichkeit, die wir be-
trachten wollen, völlig eins und von einander durchdrungen sind; wir
scheiden und unterscheiden so mit dem Bewusstsein, dass es nur eine
Hülfe für unsern reconstruirenden Verstand ist, wenn wir so verfahren
während andere Thätigkeiten unserer Seele sofort und unmittelbar
Totalitäten geben und empfangen.

Verzeihe man diese sehr elementaren Erörterungen; dem verwor-
renen Verfahren Buckle's gegenüber durften sie nicht umgangen wer-
den, wenn die Fragen, um die es sich hier handelt, in ein sicheres
Geleis gebracht werden sollen.

Also in der Geschichte kommt es nicht bloss auf den Stoff an,
an dem sie arbeitet. Neben dem Stoff ist die Form; und in diesen

eines Gelübdes an den rettenden Gott, dessen Tempel es schmücken
sollte; es bedurfte der geschickten Hand, um den Zweck und das
Gedankenbild und den Stoff zusammenzuschliessen zu dem vollendeten
Werk. Freilich auch das Erz war nöthig, damit der Adorante gefer-
tigt werde; aber es wäre doch ein übles Stück Civilisation, wenn man
diess wundervolle Kunstwerk nur nach dem Metallwerth schätzen
wollte, wie Buckle mit der Geschichte thut.

Er verfährt um nichts weniger einseitig als diejenigen, — wie
streng tadelt er sie! — welche die Geschichte allein aus dem Zweck,
wie etwa die Theologie ihn lehrt oder das gläubige Gemüth ihn ahnet,
erklären; — oder welche eben so einseitig nur die geschickten Hände,
welche die Arbeit machen, sehen und beobachten, gleich als wenn die
Geschicke nicht ihres Ganges gingen trotz des guten oder üblen Willens
derer, durch welche sie sich vollziehen; — oder welche ein für alle-
mal mit ihren Vorstellungen von den Dingen, die da im steten Werden
und in steter Selbstkritik sind, mit ihren Doctrinen fertig, immer nur
wissen und besser wissen, wie der Staat, die Kirche, die sociale Ord-
nung u. s. w. hätte werden und sein müssen. Jede dieser Betrach-
tungsweisen für sich ist einseitig, unwahr, verderblich, wenn auch jede
in ihrer Art berechtigt und förderlich ist. „Alles“, lehrt jener alte
Philosoph, „was durch Ursache ist, nicht durch sich selbst wie die
Gottheit“ enthält jene vier Momente, von denen keins allein und für
sich das Ganze erklären kann und soll. Und genauer, nach jenen vier
Momenten zerlegen wir es uns in unserm Geist, für unsere Betrach-
tung, mit dem Bewusstsein, dass sie in der Wirklichkeit, die wir be-
trachten wollen, völlig eins und von einander durchdrungen sind; wir
scheiden und unterscheiden so mit dem Bewusstsein, dass es nur eine
Hülfe für unsern reconstruirenden Verstand ist, wenn wir so verfahren
während andere Thätigkeiten unserer Seele sofort und unmittelbar
Totalitäten geben und empfangen.

Verzeihe man diese sehr elementaren Erörterungen; dem verwor-
renen Verfahren Buckle’s gegenüber durften sie nicht umgangen wer-
den, wenn die Fragen, um die es sich hier handelt, in ein sicheres
Geleis gebracht werden sollen.

Also in der Geschichte kommt es nicht bloss auf den Stoff an,
an dem sie arbeitet. Neben dem Stoff ist die Form; und in diesen

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[57/0066] eines Gelübdes an den rettenden Gott, dessen Tempel es schmücken sollte; es bedurfte der geschickten Hand, um den Zweck und das Gedankenbild und den Stoff zusammenzuschliessen zu dem vollendeten Werk. Freilich auch das Erz war nöthig, damit der Adorante gefer- tigt werde; aber es wäre doch ein übles Stück Civilisation, wenn man diess wundervolle Kunstwerk nur nach dem Metallwerth schätzen wollte, wie Buckle mit der Geschichte thut. Er verfährt um nichts weniger einseitig als diejenigen, — wie streng tadelt er sie! — welche die Geschichte allein aus dem Zweck, wie etwa die Theologie ihn lehrt oder das gläubige Gemüth ihn ahnet, erklären; — oder welche eben so einseitig nur die geschickten Hände, welche die Arbeit machen, sehen und beobachten, gleich als wenn die Geschicke nicht ihres Ganges gingen trotz des guten oder üblen Willens derer, durch welche sie sich vollziehen; — oder welche ein für alle- mal mit ihren Vorstellungen von den Dingen, die da im steten Werden und in steter Selbstkritik sind, mit ihren Doctrinen fertig, immer nur wissen und besser wissen, wie der Staat, die Kirche, die sociale Ord- nung u. s. w. hätte werden und sein müssen. Jede dieser Betrach- tungsweisen für sich ist einseitig, unwahr, verderblich, wenn auch jede in ihrer Art berechtigt und förderlich ist. „Alles“, lehrt jener alte Philosoph, „was durch Ursache ist, nicht durch sich selbst wie die Gottheit“ enthält jene vier Momente, von denen keins allein und für sich das Ganze erklären kann und soll. Und genauer, nach jenen vier Momenten zerlegen wir es uns in unserm Geist, für unsere Betrach- tung, mit dem Bewusstsein, dass sie in der Wirklichkeit, die wir be- trachten wollen, völlig eins und von einander durchdrungen sind; wir scheiden und unterscheiden so mit dem Bewusstsein, dass es nur eine Hülfe für unsern reconstruirenden Verstand ist, wenn wir so verfahren während andere Thätigkeiten unserer Seele sofort und unmittelbar Totalitäten geben und empfangen. Verzeihe man diese sehr elementaren Erörterungen; dem verwor- renen Verfahren Buckle’s gegenüber durften sie nicht umgangen wer- den, wenn die Fragen, um die es sich hier handelt, in ein sicheres Geleis gebracht werden sollen. Also in der Geschichte kommt es nicht bloss auf den Stoff an, an dem sie arbeitet. Neben dem Stoff ist die Form; und in diesen

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Grundriss der Historik. Leipzig, 1868, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_historik_1868/66>, abgerufen am 22.11.2024.