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Droysen, Johann Gustav: Grundriss der Historik. Leipzig, 1868.

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die crude Empirie als Philosophie gelten lässt;" er wirft seinem Autor
"ein wahrhaft vorweltliches Bewusstsein über alles Denken trotz der
Vedas, Cousins und Kants, den einzigen angeführten Nichtengländern"
vor. Wenn er dennoch die von Buckle gefundenen Gesetze "als ein
glänzendes durch und durch wahres Programm des Fortschrittes des
menschlichen Geistes" begrüsst, und von dem "reformatorischen Be-
ruf" spricht, den das Werk auch für Deutschland habe, so setzen uns
solche Aeusserungen in nicht geringe Verlegenheit. Sollen wir, gleich-
sam in einer Antistrophe zu dem früher Gesagten, erklären, dass immer-
hin in der philosophischen Begründung der Buckle'schen Theorie Irriges
und Unzulängliches, "Vorweltliches" in Fülle vorhanden sein könne,
ohne dass darum die reformatorische Bedeutung seines Werkes geringer
erscheine? dass derselben der philosophische Dilettantismus des Ver-
fassers eben so wenig Eintrag thue wie der historische?

Vielleicht, dass Buckle von den schulmässigen "Anticipationen" des
einen und andern Faches frei um so unbefangener die Frage nach
dem Wesen der Geschichte und ihren Gesetzen erörtern, den jedem
gesunden Menschenverstand einleuchtenden Weg zeigen konnte, auf
dem sich "die Geschichte zu dem Range einer Wissenschaft" zu erheben
habe. Er bekennt sich wiederholt dazu, ganz und nur als Empiriker
beobachten und argumentiren zu wollen; und wenigstens die grossen
und einfachen Grundzüge des empirischen Verfahrens sind, so scheint
es, dem nur nicht durch Anticipationen getrübten Blick, dem soge-
nannten gesunden Menschenverstande ohne Weiteres deutlich; und nur
diesen meint der englische Sprachgebrauch, wenn er die Wissenschaften,
deren Lorbeern unsern Forscher nicht ruhen liessen, philosophische
nennt. Buckle sagt: er hoffe "für die Geschichte des Menschen das
oder doch etwas Aehnliches zu leisten, was andern Forschern in den
Naturwissenschaften gelungen ist, und in der Natur sind die scheinbar
unregelmässigsten und widersinnigsten Vorgänge erklärt und als im
Einklange mit gewissen unwandelbaren und allgemeinen Gesetzen nach-
gewiesen worden; wenn wir die Vorgänge der Menschenwelt einer
ähnlichen Behandlung unterwerfen, haben wir sicher alle Aussicht auf
einen ähnlichen Erfolg."

Es ist von Interesse das quid pro quo zu beachten, von dem
Buckle seinen Ausgang nimmt. "Wer an die Möglichkeit einer Wissen-

die crude Empirie als Philosophie gelten lässt;“ er wirft seinem Autor
„ein wahrhaft vorweltliches Bewusstsein über alles Denken trotz der
Vedas, Cousins und Kants, den einzigen angeführten Nichtengländern“
vor. Wenn er dennoch die von Buckle gefundenen Gesetze „als ein
glänzendes durch und durch wahres Programm des Fortschrittes des
menschlichen Geistes“ begrüsst, und von dem „reformatorischen Be-
ruf“ spricht, den das Werk auch für Deutschland habe, so setzen uns
solche Aeusserungen in nicht geringe Verlegenheit. Sollen wir, gleich-
sam in einer Antistrophe zu dem früher Gesagten, erklären, dass immer-
hin in der philosophischen Begründung der Buckle’schen Theorie Irriges
und Unzulängliches, „Vorweltliches“ in Fülle vorhanden sein könne,
ohne dass darum die reformatorische Bedeutung seines Werkes geringer
erscheine? dass derselben der philosophische Dilettantismus des Ver-
fassers eben so wenig Eintrag thue wie der historische?

Vielleicht, dass Buckle von den schulmässigen „Anticipationen“ des
einen und andern Faches frei um so unbefangener die Frage nach
dem Wesen der Geschichte und ihren Gesetzen erörtern, den jedem
gesunden Menschenverstand einleuchtenden Weg zeigen konnte, auf
dem sich „die Geschichte zu dem Range einer Wissenschaft“ zu erheben
habe. Er bekennt sich wiederholt dazu, ganz und nur als Empiriker
beobachten und argumentiren zu wollen; und wenigstens die grossen
und einfachen Grundzüge des empirischen Verfahrens sind, so scheint
es, dem nur nicht durch Anticipationen getrübten Blick, dem soge-
nannten gesunden Menschenverstande ohne Weiteres deutlich; und nur
diesen meint der englische Sprachgebrauch, wenn er die Wissenschaften,
deren Lorbeern unsern Forscher nicht ruhen liessen, philosophische
nennt. Buckle sagt: er hoffe „für die Geschichte des Menschen das
oder doch etwas Aehnliches zu leisten, was andern Forschern in den
Naturwissenschaften gelungen ist, und in der Natur sind die scheinbar
unregelmässigsten und widersinnigsten Vorgänge erklärt und als im
Einklange mit gewissen unwandelbaren und allgemeinen Gesetzen nach-
gewiesen worden; wenn wir die Vorgänge der Menschenwelt einer
ähnlichen Behandlung unterwerfen, haben wir sicher alle Aussicht auf
einen ähnlichen Erfolg.“

Es ist von Interesse das quid pro quo zu beachten, von dem
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[46/0055] die crude Empirie als Philosophie gelten lässt;“ er wirft seinem Autor „ein wahrhaft vorweltliches Bewusstsein über alles Denken trotz der Vedas, Cousins und Kants, den einzigen angeführten Nichtengländern“ vor. Wenn er dennoch die von Buckle gefundenen Gesetze „als ein glänzendes durch und durch wahres Programm des Fortschrittes des menschlichen Geistes“ begrüsst, und von dem „reformatorischen Be- ruf“ spricht, den das Werk auch für Deutschland habe, so setzen uns solche Aeusserungen in nicht geringe Verlegenheit. Sollen wir, gleich- sam in einer Antistrophe zu dem früher Gesagten, erklären, dass immer- hin in der philosophischen Begründung der Buckle’schen Theorie Irriges und Unzulängliches, „Vorweltliches“ in Fülle vorhanden sein könne, ohne dass darum die reformatorische Bedeutung seines Werkes geringer erscheine? dass derselben der philosophische Dilettantismus des Ver- fassers eben so wenig Eintrag thue wie der historische? Vielleicht, dass Buckle von den schulmässigen „Anticipationen“ des einen und andern Faches frei um so unbefangener die Frage nach dem Wesen der Geschichte und ihren Gesetzen erörtern, den jedem gesunden Menschenverstand einleuchtenden Weg zeigen konnte, auf dem sich „die Geschichte zu dem Range einer Wissenschaft“ zu erheben habe. Er bekennt sich wiederholt dazu, ganz und nur als Empiriker beobachten und argumentiren zu wollen; und wenigstens die grossen und einfachen Grundzüge des empirischen Verfahrens sind, so scheint es, dem nur nicht durch Anticipationen getrübten Blick, dem soge- nannten gesunden Menschenverstande ohne Weiteres deutlich; und nur diesen meint der englische Sprachgebrauch, wenn er die Wissenschaften, deren Lorbeern unsern Forscher nicht ruhen liessen, philosophische nennt. Buckle sagt: er hoffe „für die Geschichte des Menschen das oder doch etwas Aehnliches zu leisten, was andern Forschern in den Naturwissenschaften gelungen ist, und in der Natur sind die scheinbar unregelmässigsten und widersinnigsten Vorgänge erklärt und als im Einklange mit gewissen unwandelbaren und allgemeinen Gesetzen nach- gewiesen worden; wenn wir die Vorgänge der Menschenwelt einer ähnlichen Behandlung unterwerfen, haben wir sicher alle Aussicht auf einen ähnlichen Erfolg.“ Es ist von Interesse das quid pro quo zu beachten, von dem Buckle seinen Ausgang nimmt. „Wer an die Möglichkeit einer Wissen-

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Grundriss der Historik. Leipzig, 1868, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_historik_1868/55>, abgerufen am 22.11.2024.