Droysen, Johann Gustav: Grundriss der Historik. Leipzig, 1868.b) welche allgemeine Färbung sie durch den damals und dort herr- schenden Vorstellungskreis erhalten hat (z. B. die dämonologische Färbung im fünfzehnten Jahrhundert); c) welche individuelle Färbung dem Darsteller selbst, nach seiner Tendenz, seiner Parteiansicht, seinem Charakter u. s. w. zugehört. §. 34. Nicht das wüste Durcheinander der gleichzeitigen Nachrichten, In der Regel beherrscht die erste historische Zusammen- Im glücklichsten Fall erfolgt sie in der historischen Gegen- §. 35. d. Es fragt sich, ob das Material, wie es vorliegt, noch alle Immer oder fast immer liegen nur Einzelheiten aus den einstigen Die kritische Ordnung hat nicht blos den Gesichtspunkt der Zeit- §. 36. Das Ergebniss der Kritik ist nicht "die eigentliche historische b) welche allgemeine Färbung sie durch den damals und dort herr- schenden Vorstellungskreis erhalten hat (z. B. die dämonologische Färbung im fünfzehnten Jahrhundert); c) welche individuelle Färbung dem Darsteller selbst, nach seiner Tendenz, seiner Parteiansicht, seinem Charakter u. s. w. zugehört. §. 34. Nicht das wüste Durcheinander der gleichzeitigen Nachrichten, In der Regel beherrscht die erste historische Zusammen- Im glücklichsten Fall erfolgt sie in der historischen Gegen- §. 35. d. Es fragt sich, ob das Material, wie es vorliegt, noch alle Immer oder fast immer liegen nur Einzelheiten aus den einstigen Die kritische Ordnung hat nicht blos den Gesichtspunkt der Zeit- §. 36. Das Ergebniss der Kritik ist nicht „die eigentliche historische <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <list> <pb facs="#f0027" n="18"/> <item>b) welche allgemeine Färbung sie durch den damals und dort herr-<lb/> schenden Vorstellungskreis erhalten hat (z. B. die dämonologische<lb/> Färbung im fünfzehnten Jahrhundert);</item><lb/> <item>c) welche individuelle Färbung dem Darsteller selbst, nach seiner<lb/> Tendenz, seiner Parteiansicht, seinem Charakter u. s. w. zugehört.</item> </list> </div><lb/> <div n="4"> <head>§. 34.</head><lb/> <p>Nicht das wüste Durcheinander der gleichzeitigen Nachrichten,<lb/> Gerüchte, Meinungen ist die erste Quelle; es ist nur der sich täglich<lb/> wiederholende atmosphärische Process der aufsteigenden und sich nieder-<lb/> schlagenden Dünste, aus denen die Quellen werden.</p><lb/> <p>In der Regel beherrscht <hi rendition="#g">die erste historische Zusammen-<lb/> fassung</hi> die weitere Ueberlieferung.</p><lb/> <p>Im glücklichsten Fall erfolgt sie in der <hi rendition="#g">historischen Gegen-<lb/> wart</hi> der Ereignisse, die sie behandelt, d. h. bevor die erfolgten Wir-<lb/> kungen derselben die Auffassung von den wirkenden Thatsachen und<lb/> Personen verändert haben, oder durch ein neues epochemachendes Er-<lb/> eigniss eine neue Gedankenwelt erzeugt ist.</p> </div><lb/> <div n="4"> <head>§. 35.</head><lb/> <p>d. Es fragt sich, ob das Material, wie es vorliegt, noch alle<lb/> Momente enthält, von denen die Forschung Zeugniss sucht, oder in<lb/> welchem Maasse es unvollständig ist. Darauf antwortet <hi rendition="#g">die kritische<lb/> Ordnung</hi> des verificirten Materials.</p><lb/> <p>Immer oder fast immer liegen nur Einzelheiten aus den einstigen<lb/> Wirklichkeiten, nur einzelne Auffassungen von dem, was war und geschah,<lb/> noch vor. Jedes historische Material ist lückenhaft, und die Schärfe<lb/> in der Bezeichnung der Lücken ist das Maass für die Sicherheit der<lb/> Forschung.</p><lb/> <p>Die kritische Ordnung hat nicht blos den Gesichtspunkt der Zeit-<lb/> folge zu verfolgen <hi rendition="#g">(Regesten)</hi>. Nach je mannigfacheren Gesichts-<lb/> punkten sie dieselben Materialien zu gruppiren versteht, desto mehr<lb/> feste Punkte werden die sich kreuzenden Linien ergeben.</p> </div><lb/> <div n="4"> <head>§. 36.</head><lb/> <p>Das Ergebniss der Kritik ist nicht „die eigentliche historische<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [18/0027]
b) welche allgemeine Färbung sie durch den damals und dort herr-
schenden Vorstellungskreis erhalten hat (z. B. die dämonologische
Färbung im fünfzehnten Jahrhundert);
c) welche individuelle Färbung dem Darsteller selbst, nach seiner
Tendenz, seiner Parteiansicht, seinem Charakter u. s. w. zugehört.
§. 34.
Nicht das wüste Durcheinander der gleichzeitigen Nachrichten,
Gerüchte, Meinungen ist die erste Quelle; es ist nur der sich täglich
wiederholende atmosphärische Process der aufsteigenden und sich nieder-
schlagenden Dünste, aus denen die Quellen werden.
In der Regel beherrscht die erste historische Zusammen-
fassung die weitere Ueberlieferung.
Im glücklichsten Fall erfolgt sie in der historischen Gegen-
wart der Ereignisse, die sie behandelt, d. h. bevor die erfolgten Wir-
kungen derselben die Auffassung von den wirkenden Thatsachen und
Personen verändert haben, oder durch ein neues epochemachendes Er-
eigniss eine neue Gedankenwelt erzeugt ist.
§. 35.
d. Es fragt sich, ob das Material, wie es vorliegt, noch alle
Momente enthält, von denen die Forschung Zeugniss sucht, oder in
welchem Maasse es unvollständig ist. Darauf antwortet die kritische
Ordnung des verificirten Materials.
Immer oder fast immer liegen nur Einzelheiten aus den einstigen
Wirklichkeiten, nur einzelne Auffassungen von dem, was war und geschah,
noch vor. Jedes historische Material ist lückenhaft, und die Schärfe
in der Bezeichnung der Lücken ist das Maass für die Sicherheit der
Forschung.
Die kritische Ordnung hat nicht blos den Gesichtspunkt der Zeit-
folge zu verfolgen (Regesten). Nach je mannigfacheren Gesichts-
punkten sie dieselben Materialien zu gruppiren versteht, desto mehr
feste Punkte werden die sich kreuzenden Linien ergeben.
§. 36.
Das Ergebniss der Kritik ist nicht „die eigentliche historische
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