ner gefallen; nur Alexanders schnelles Nachrücken mit einigen leich- ten Corps rettete den wichtigen Transport und dessen Bedeckung. Indeß wurde die Lage des Heeres von Tage zu Tage peinlicher; in der Ebene fast eingeschlossen, hatte er weder Truppen genug, et- was Entscheidendes gegen beide Fürsten zu wagen, noch hinreichend Proviant, um sich bis zur Ankunft der Verstärkungen zu halten; er mußte zurück, aber der Rückzug schien doppelt gefährlich. Klitus und Glaukias hofften nicht ohne Grund, den König auf diesem höchst ungünstigen Boden in ihren Händen zu haben; die überra- genden Berge hatten sie mit zahlreicher Reuterei, mit vielen Wurf- schützen, Schleuderern und Schwerbewaffneten besetzt, die das Heer in jenem engen Wege überfallen und niedermetzeln konnten, wäh- rend die Illyrier aus der Festung dem Heere in den Rücken fielen.
Durch eine kühne Bewegung, wie sie nur ein Macedonisches Heer auszuführen im Stande war, machte Alexander die Hoffnun- gen der Feinde zu Schanden. Während die meisten der Reuterei und sämmtliche Leichtbewaffnete, dem Feinde in der Stadt zugewandt, jede Gefahr von dieser Seite unmöglich machen, rücken die Schwer- bewaffneten mit gefällter Lanze, fast im vollständigen Rechteck von hundertundzwanzig Mann Tiefe und etwas breiterer Fronte, die Flan- ken mit zweihundert Rittern gedeckt, ins Feld mit der größten Stille, damit die Kommando's schnell vernommen werden. Die Ebene ist bogenförmig von Höhen umschlossen, von welchen die Taulantiner die Flanken der vorrückenden Masse bedrohen; aber das ganze Viereck macht plötzlich rechtsum, und bietet dem Feinde die Spitze; wieder ein anderer Haufen der Feinde bedroht die neue Flanke, und von Neuem kehrt sich diese gegen ihn; so abwechselnd, vielfach und mit der größten Präcision eine Stellung mit der anderen tauschend, rücken die Macedonier zwischen den feindlichen Höhen hin. Bei dem Anblick dieser unangreifbaren und mit eben so viel Ordnung als Schnelligkeit ausgeführten Bewegungen wagen die Taulantiner kei- nen Angriff, und ziehen sich von den ersten Anhöhen zurück. Als nun aber die Macedonier den Schlachtgesang erheben und mit den Lanzen an ihre Schilde schlagen, da bricht ein panischer Schrecken über die Barbaren herein, und eiligst fliehen sie über die Höhen nach der Stadt herum. Nur eine Schaar hält noch eine Anhöhe besetzt, über welche der Weg führt; Alexander befiehlt den Ritter-
ner gefallen; nur Alexanders ſchnelles Nachrücken mit einigen leich- ten Corps rettete den wichtigen Transport und deſſen Bedeckung. Indeß wurde die Lage des Heeres von Tage zu Tage peinlicher; in der Ebene faſt eingeſchloſſen, hatte er weder Truppen genug, et- was Entſcheidendes gegen beide Fürſten zu wagen, noch hinreichend Proviant, um ſich bis zur Ankunft der Verſtärkungen zu halten; er mußte zurück, aber der Rückzug ſchien doppelt gefährlich. Klitus und Glaukias hofften nicht ohne Grund, den König auf dieſem höchſt ungünſtigen Boden in ihren Händen zu haben; die überra- genden Berge hatten ſie mit zahlreicher Reuterei, mit vielen Wurf- ſchützen, Schleuderern und Schwerbewaffneten beſetzt, die das Heer in jenem engen Wege überfallen und niedermetzeln konnten, wäh- rend die Illyrier aus der Feſtung dem Heere in den Rücken fielen.
Durch eine kühne Bewegung, wie ſie nur ein Macedoniſches Heer auszuführen im Stande war, machte Alexander die Hoffnun- gen der Feinde zu Schanden. Während die meiſten der Reuterei und ſämmtliche Leichtbewaffnete, dem Feinde in der Stadt zugewandt, jede Gefahr von dieſer Seite unmöglich machen, rücken die Schwer- bewaffneten mit gefällter Lanze, faſt im vollſtändigen Rechteck von hundertundzwanzig Mann Tiefe und etwas breiterer Fronte, die Flan- ken mit zweihundert Rittern gedeckt, ins Feld mit der größten Stille, damit die Kommando’s ſchnell vernommen werden. Die Ebene iſt bogenförmig von Höhen umſchloſſen, von welchen die Taulantiner die Flanken der vorrückenden Maſſe bedrohen; aber das ganze Viereck macht plötzlich rechtsum, und bietet dem Feinde die Spitze; wieder ein anderer Haufen der Feinde bedroht die neue Flanke, und von Neuem kehrt ſich dieſe gegen ihn; ſo abwechſelnd, vielfach und mit der größten Präciſion eine Stellung mit der anderen tauſchend, rücken die Macedonier zwiſchen den feindlichen Höhen hin. Bei dem Anblick dieſer unangreifbaren und mit eben ſo viel Ordnung als Schnelligkeit ausgeführten Bewegungen wagen die Taulantiner kei- nen Angriff, und ziehen ſich von den erſten Anhöhen zurück. Als nun aber die Macedonier den Schlachtgeſang erheben und mit den Lanzen an ihre Schilde ſchlagen, da bricht ein paniſcher Schrecken über die Barbaren herein, und eiligſt fliehen ſie über die Höhen nach der Stadt herum. Nur eine Schaar hält noch eine Anhöhe beſetzt, über welche der Weg führt; Alexander befiehlt den Ritter-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0090"n="76"/>
ner gefallen; nur Alexanders ſchnelles Nachrücken mit einigen leich-<lb/>
ten Corps rettete den wichtigen Transport und deſſen Bedeckung.<lb/>
Indeß wurde die Lage des Heeres von Tage zu Tage peinlicher;<lb/>
in der Ebene faſt eingeſchloſſen, hatte er weder Truppen genug, et-<lb/>
was Entſcheidendes gegen beide Fürſten zu wagen, noch hinreichend<lb/>
Proviant, um ſich bis zur Ankunft der Verſtärkungen zu halten; er<lb/>
mußte zurück, aber der Rückzug ſchien doppelt gefährlich. Klitus<lb/>
und Glaukias hofften nicht ohne Grund, den König auf dieſem<lb/>
höchſt ungünſtigen Boden in ihren Händen zu haben; die überra-<lb/>
genden Berge hatten ſie mit zahlreicher Reuterei, mit vielen Wurf-<lb/>ſchützen, Schleuderern und Schwerbewaffneten beſetzt, die das Heer<lb/>
in jenem engen Wege überfallen und niedermetzeln konnten, wäh-<lb/>
rend die Illyrier aus der Feſtung dem Heere in den Rücken fielen.</p><lb/><p>Durch eine kühne Bewegung, wie ſie nur ein Macedoniſches<lb/>
Heer auszuführen im Stande war, machte Alexander die Hoffnun-<lb/>
gen der Feinde zu Schanden. Während die meiſten der Reuterei<lb/>
und ſämmtliche Leichtbewaffnete, dem Feinde in der Stadt zugewandt,<lb/>
jede Gefahr von dieſer Seite unmöglich machen, rücken die Schwer-<lb/>
bewaffneten mit gefällter Lanze, faſt im vollſtändigen Rechteck von<lb/>
hundertundzwanzig Mann Tiefe und etwas breiterer Fronte, die Flan-<lb/>
ken mit zweihundert Rittern gedeckt, ins Feld mit der größten Stille,<lb/>
damit die Kommando’s ſchnell vernommen werden. Die Ebene iſt<lb/>
bogenförmig von Höhen umſchloſſen, von welchen die Taulantiner<lb/>
die Flanken der vorrückenden Maſſe bedrohen; aber das ganze Viereck<lb/>
macht plötzlich rechtsum, und bietet dem Feinde die Spitze; wieder<lb/>
ein anderer Haufen der Feinde bedroht die neue Flanke, und von<lb/>
Neuem kehrt ſich dieſe gegen ihn; ſo abwechſelnd, vielfach und mit<lb/>
der größten Präciſion eine Stellung mit der anderen tauſchend,<lb/>
rücken die Macedonier zwiſchen den feindlichen Höhen hin. Bei dem<lb/>
Anblick dieſer unangreifbaren und mit eben ſo viel Ordnung als<lb/>
Schnelligkeit ausgeführten Bewegungen wagen die Taulantiner kei-<lb/>
nen Angriff, und ziehen ſich von den erſten Anhöhen zurück. Als<lb/>
nun aber die Macedonier den Schlachtgeſang erheben und mit den<lb/>
Lanzen an ihre Schilde ſchlagen, da bricht ein paniſcher Schrecken<lb/>
über die Barbaren herein, und eiligſt fliehen ſie über die Höhen<lb/>
nach der Stadt herum. Nur eine Schaar hält noch eine Anhöhe<lb/>
beſetzt, über welche der Weg führt; Alexander befiehlt den Ritter-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[76/0090]
ner gefallen; nur Alexanders ſchnelles Nachrücken mit einigen leich-
ten Corps rettete den wichtigen Transport und deſſen Bedeckung.
Indeß wurde die Lage des Heeres von Tage zu Tage peinlicher;
in der Ebene faſt eingeſchloſſen, hatte er weder Truppen genug, et-
was Entſcheidendes gegen beide Fürſten zu wagen, noch hinreichend
Proviant, um ſich bis zur Ankunft der Verſtärkungen zu halten; er
mußte zurück, aber der Rückzug ſchien doppelt gefährlich. Klitus
und Glaukias hofften nicht ohne Grund, den König auf dieſem
höchſt ungünſtigen Boden in ihren Händen zu haben; die überra-
genden Berge hatten ſie mit zahlreicher Reuterei, mit vielen Wurf-
ſchützen, Schleuderern und Schwerbewaffneten beſetzt, die das Heer
in jenem engen Wege überfallen und niedermetzeln konnten, wäh-
rend die Illyrier aus der Feſtung dem Heere in den Rücken fielen.
Durch eine kühne Bewegung, wie ſie nur ein Macedoniſches
Heer auszuführen im Stande war, machte Alexander die Hoffnun-
gen der Feinde zu Schanden. Während die meiſten der Reuterei
und ſämmtliche Leichtbewaffnete, dem Feinde in der Stadt zugewandt,
jede Gefahr von dieſer Seite unmöglich machen, rücken die Schwer-
bewaffneten mit gefällter Lanze, faſt im vollſtändigen Rechteck von
hundertundzwanzig Mann Tiefe und etwas breiterer Fronte, die Flan-
ken mit zweihundert Rittern gedeckt, ins Feld mit der größten Stille,
damit die Kommando’s ſchnell vernommen werden. Die Ebene iſt
bogenförmig von Höhen umſchloſſen, von welchen die Taulantiner
die Flanken der vorrückenden Maſſe bedrohen; aber das ganze Viereck
macht plötzlich rechtsum, und bietet dem Feinde die Spitze; wieder
ein anderer Haufen der Feinde bedroht die neue Flanke, und von
Neuem kehrt ſich dieſe gegen ihn; ſo abwechſelnd, vielfach und mit
der größten Präciſion eine Stellung mit der anderen tauſchend,
rücken die Macedonier zwiſchen den feindlichen Höhen hin. Bei dem
Anblick dieſer unangreifbaren und mit eben ſo viel Ordnung als
Schnelligkeit ausgeführten Bewegungen wagen die Taulantiner kei-
nen Angriff, und ziehen ſich von den erſten Anhöhen zurück. Als
nun aber die Macedonier den Schlachtgeſang erheben und mit den
Lanzen an ihre Schilde ſchlagen, da bricht ein paniſcher Schrecken
über die Barbaren herein, und eiligſt fliehen ſie über die Höhen
nach der Stadt herum. Nur eine Schaar hält noch eine Anhöhe
beſetzt, über welche der Weg führt; Alexander befiehlt den Ritter-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/90>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.