nur durch ihn die Illyrier im Zaume gehalten werden konnten; des- halb hatte Philipp nicht eher geruht, als bis er sein Gebiet bis an den See erweitert hatte; unter den Positionen und Kastellen, welche die einzelnen Gebirgswege beherrschten, war die Bergfestung Pellion die letzte und wichtigste; auf den Vorbergen nach Macedonien zu belegen, die sie im Kreise umgeben, schützte sie auch den Weg, der aus dem Thale des Erigon südwärts zu dem des Haliakmon und in das süd- liche Macedonien führte, und welcher namentlich in der Nähe der Stadt zwischen steilen Felswänden und dem Eordaikus, einem südlichen Nebenflüßchen des Erigon, so eng wurde, daß ein Heer kaum zu vier Schilden hindurchziehen konnte 83). Diese wichtige Position war bereits in den Händen des Illyrischen Fürsten; Alexander rückte in Eilmärschen den Erigon aufwärts, um wo möglich die Festung vor Ankunft der Taulantiner wieder zu nehmen; vor der Stadt angekommen, bezog er am Eordaikus ein Lager, um am folgenden Tage die Mauern Stadt zu berennen. Auch die Illyrier rüsteten sich, besetzten die waldigen Höhen, welche die Stadt rings umgeben, schlachteten zum Opfer drei Knaben, drei Mädchen, drei schwarze Widder, und rückten vor, als wollten sie mit den Macedoniern handgemein werden. Doch sobald diese nahe kamen, verließen die Illyrier ihre feste Stellung, ließen sogar die Schlachtopfer liegen, die den Macedoniern in die Hände fielen, und zogen sich in die Stadt zurück, unter deren Mauern sich jetzt Alexander lagerte, um sie, da er sie nicht durch Ueberrumpelung genommen hatte, mit ei- ner Umwallung einzuschließen und zur Uebergabe zu zwingen. Aber schon am folgenden Tage zeigte sich Glaukias mit einer star- ken Heeresmacht auf den Höhen, und Alexander gab den Gedanken auf, mit seinen gegenwärtigen Steitkräften die Stadt zu nehmen; er mußte sich begnügen, eine Stellung zu nehmen, welche die Ver- einigung beider Heere hinderte. Doch bald trat in der schon ver- wüsteten Gegend Mangel ein; Philotas mit einem Trupp Reuterei zum Fouragiren abgeschickt, wäre fast in die Hände der Taulanti-
83) Das Terrain der Gegend ergiebt sich ziemlich bestimmt aus Ar- rians Erzählung. Die Breite des Weges ist entweder 12 oder, wohl richti- ger, 24 Fuß, je nachdem dem Schilde, d. h. dem Mann, die Breite, die er in Paradestellung oder in geschlossener Reihe einnimmt, gegeben ist.
nur durch ihn die Illyrier im Zaume gehalten werden konnten; des- halb hatte Philipp nicht eher geruht, als bis er ſein Gebiet bis an den See erweitert hatte; unter den Poſitionen und Kaſtellen, welche die einzelnen Gebirgswege beherrſchten, war die Bergfeſtung Pellion die letzte und wichtigſte; auf den Vorbergen nach Macedonien zu belegen, die ſie im Kreiſe umgeben, ſchützte ſie auch den Weg, der aus dem Thale des Erigon ſüdwärts zu dem des Haliakmon und in das ſüd- liche Macedonien führte, und welcher namentlich in der Nähe der Stadt zwiſchen ſteilen Felswänden und dem Eordaikus, einem ſüdlichen Nebenflüßchen des Erigon, ſo eng wurde, daß ein Heer kaum zu vier Schilden hindurchziehen konnte 83). Dieſe wichtige Poſition war bereits in den Händen des Illyriſchen Fürſten; Alexander rückte in Eilmärſchen den Erigon aufwärts, um wo möglich die Feſtung vor Ankunft der Taulantiner wieder zu nehmen; vor der Stadt angekommen, bezog er am Eordaikus ein Lager, um am folgenden Tage die Mauern Stadt zu berennen. Auch die Illyrier rüſteten ſich, beſetzten die waldigen Höhen, welche die Stadt rings umgeben, ſchlachteten zum Opfer drei Knaben, drei Mädchen, drei ſchwarze Widder, und rückten vor, als wollten ſie mit den Macedoniern handgemein werden. Doch ſobald dieſe nahe kamen, verließen die Illyrier ihre feſte Stellung, ließen ſogar die Schlachtopfer liegen, die den Macedoniern in die Hände fielen, und zogen ſich in die Stadt zurück, unter deren Mauern ſich jetzt Alexander lagerte, um ſie, da er ſie nicht durch Ueberrumpelung genommen hatte, mit ei- ner Umwallung einzuſchließen und zur Uebergabe zu zwingen. Aber ſchon am folgenden Tage zeigte ſich Glaukias mit einer ſtar- ken Heeresmacht auf den Höhen, und Alexander gab den Gedanken auf, mit ſeinen gegenwärtigen Steitkräften die Stadt zu nehmen; er mußte ſich begnügen, eine Stellung zu nehmen, welche die Ver- einigung beider Heere hinderte. Doch bald trat in der ſchon ver- wüſteten Gegend Mangel ein; Philotas mit einem Trupp Reuterei zum Fouragiren abgeſchickt, wäre faſt in die Hände der Taulanti-
83) Das Terrain der Gegend ergiebt ſich ziemlich beſtimmt aus Ar- rians Erzählung. Die Breite des Weges iſt entweder 12 oder, wohl richti- ger, 24 Fuß, je nachdem dem Schilde, d. h. dem Mann, die Breite, die er in Paradeſtellung oder in geſchloſſener Reihe einnimmt, gegeben iſt.
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nur durch ihn die Illyrier im Zaume gehalten werden konnten; des-
halb hatte Philipp nicht eher geruht, als bis er ſein Gebiet bis an
den See erweitert hatte; unter den Poſitionen und Kaſtellen, welche
die einzelnen Gebirgswege beherrſchten, war die Bergfeſtung Pellion
die letzte und wichtigſte; auf den Vorbergen nach Macedonien zu
belegen, die ſie im Kreiſe umgeben, ſchützte ſie auch den Weg, der aus
dem Thale des Erigon ſüdwärts zu dem des Haliakmon und in das ſüd-
liche Macedonien führte, und welcher namentlich in der Nähe der Stadt
zwiſchen ſteilen Felswänden und dem Eordaikus, einem ſüdlichen
Nebenflüßchen des Erigon, ſo eng wurde, daß ein Heer kaum zu
vier Schilden hindurchziehen konnte 83). Dieſe wichtige Poſition
war bereits in den Händen des Illyriſchen Fürſten; Alexander rückte
in Eilmärſchen den Erigon aufwärts, um wo möglich die Feſtung
vor Ankunft der Taulantiner wieder zu nehmen; vor der Stadt
angekommen, bezog er am Eordaikus ein Lager, um am folgenden
Tage die Mauern Stadt zu berennen. Auch die Illyrier rüſteten
ſich, beſetzten die waldigen Höhen, welche die Stadt rings umgeben,
ſchlachteten zum Opfer drei Knaben, drei Mädchen, drei ſchwarze
Widder, und rückten vor, als wollten ſie mit den Macedoniern
handgemein werden. Doch ſobald dieſe nahe kamen, verließen die
Illyrier ihre feſte Stellung, ließen ſogar die Schlachtopfer liegen,
die den Macedoniern in die Hände fielen, und zogen ſich in die
Stadt zurück, unter deren Mauern ſich jetzt Alexander lagerte, um
ſie, da er ſie nicht durch Ueberrumpelung genommen hatte, mit ei-
ner Umwallung einzuſchließen und zur Uebergabe zu zwingen.
Aber ſchon am folgenden Tage zeigte ſich Glaukias mit einer ſtar-
ken Heeresmacht auf den Höhen, und Alexander gab den Gedanken
auf, mit ſeinen gegenwärtigen Steitkräften die Stadt zu nehmen;
er mußte ſich begnügen, eine Stellung zu nehmen, welche die Ver-
einigung beider Heere hinderte. Doch bald trat in der ſchon ver-
wüſteten Gegend Mangel ein; Philotas mit einem Trupp Reuterei
zum Fouragiren abgeſchickt, wäre faſt in die Hände der Taulanti-
83) Das Terrain der Gegend ergiebt ſich ziemlich beſtimmt aus Ar-
rians Erzählung. Die Breite des Weges iſt entweder 12 oder, wohl richti-
ger, 24 Fuß, je nachdem dem Schilde, d. h. dem Mann, die Breite, die er in
Paradeſtellung oder in geſchloſſener Reihe einnimmt, gegeben iſt.
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/89>, abgerufen am 23.11.2024.
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