auf, so hatten sich die Illyrier und Taulantiner vereint, und waren mächtig genug, von Pellion aus bis in das Herz Macedoniens vor- zudringen, die wichtige Linie des Erigonstromes zu besetzen, und, während sie selbst die Communication mit der Heimath durch die Pässe oberhalb Pellion offen hatten, den König von den südlichen Landschaften seines Reiches und von Griechenland abzuschneiden, ohne daß Antipater das Feld zu behaupten, oder Alexander selbst mit siche- rem Erfolg die Uebermacht der tapferen Feinde anzugreifen hätte wagen dürfen; ein unglückliches Treffen wäre hinreichend gewesen, in Griechenland, wo bereits gefährliche Bewegungen merkbar wur- den, alles das zusammenstürzen zu lassen, was er und sein Vater mühsam erreicht hatten.
Langarus, der Fürst der Agrianer, der schon bei Philipps Leb- zeiten unzweideutige Beweise seiner Anhänglichkeit an Alexander ge- geben und mit ihm in freundlicher Verbindung gestanden, und des- sen Contingent in dem eben beendeten Feldzuge mit ausgezeichne- tem Muthe gefochten hatte, war gerade damals mit dem Kern seines Kriegsvolkes, trefflich bewaffneten und eingeübten Hypaspisten, dem Könige entgegengekommen; und als nun Alexander, voll Besorgniß über den Aufenthalt, den ihm die Autariaten verursachen könnten, sich nach ihrer Macht und Bewaffnung erkundigte, so berichtete ihm Langarus, er brauche vor diesen Menschen, den schlechtesten Kriegs- völkern im Gebirge, nicht besorgt zu sein; er selbst wolle, wenn der Könige es gestatte, in ihr Land einfallen, so daß sie genug mit sich selbst zu thun haben, und an feindliche Ueberfälle nicht weiter den- ken sollten. Alexander gab gern seine Zustimmung, und Langarus drang plündernd und verwüstend in ihre Thäler ein, so daß sie den Marsch der Macedonier nicht weiter störten. Der König ehrte die Dienste seines treuen Bundesgenossen auf das Ausgezeichneteste, verlobte ihn mit seiner Schwester Kyna, Amyntas junger Wittwe, und lud ihn ein, nach Beendigung des Krieges nach Pella zu kom- men, um die Hochzeit zu feiern. Leider starb Langarus gleich nach dem Zuge auf dem Krankenbette. --
Ueber die Kanalovischen Berge, welche die Wasserscheide der Illyrischen und Macedonischen Ströme bilden, führen die gangbar- sten Pässe in der Nähe des Lychnidischen Sees; der Besitz dieser Gegend war für Macedonien von der größten Wichtigkeit, weil
auf, ſo hatten ſich die Illyrier und Taulantiner vereint, und waren mächtig genug, von Pellion aus bis in das Herz Macedoniens vor- zudringen, die wichtige Linie des Erigonſtromes zu beſetzen, und, während ſie ſelbſt die Communication mit der Heimath durch die Päſſe oberhalb Pellion offen hatten, den König von den ſüdlichen Landſchaften ſeines Reiches und von Griechenland abzuſchneiden, ohne daß Antipater das Feld zu behaupten, oder Alexander ſelbſt mit ſiche- rem Erfolg die Uebermacht der tapferen Feinde anzugreifen hätte wagen dürfen; ein unglückliches Treffen wäre hinreichend geweſen, in Griechenland, wo bereits gefährliche Bewegungen merkbar wur- den, alles das zuſammenſtürzen zu laſſen, was er und ſein Vater mühſam erreicht hatten.
Langarus, der Fürſt der Agrianer, der ſchon bei Philipps Leb- zeiten unzweideutige Beweiſe ſeiner Anhänglichkeit an Alexander ge- geben und mit ihm in freundlicher Verbindung geſtanden, und deſ- ſen Contingent in dem eben beendeten Feldzuge mit ausgezeichne- tem Muthe gefochten hatte, war gerade damals mit dem Kern ſeines Kriegsvolkes, trefflich bewaffneten und eingeübten Hypaspiſten, dem Könige entgegengekommen; und als nun Alexander, voll Beſorgniß über den Aufenthalt, den ihm die Autariaten verurſachen könnten, ſich nach ihrer Macht und Bewaffnung erkundigte, ſo berichtete ihm Langarus, er brauche vor dieſen Menſchen, den ſchlechteſten Kriegs- völkern im Gebirge, nicht beſorgt zu ſein; er ſelbſt wolle, wenn der Könige es geſtatte, in ihr Land einfallen, ſo daß ſie genug mit ſich ſelbſt zu thun haben, und an feindliche Ueberfälle nicht weiter den- ken ſollten. Alexander gab gern ſeine Zuſtimmung, und Langarus drang plündernd und verwüſtend in ihre Thäler ein, ſo daß ſie den Marſch der Macedonier nicht weiter ſtörten. Der König ehrte die Dienſte ſeines treuen Bundesgenoſſen auf das Ausgezeichneteſte, verlobte ihn mit ſeiner Schweſter Kyna, Amyntas junger Wittwe, und lud ihn ein, nach Beendigung des Krieges nach Pella zu kom- men, um die Hochzeit zu feiern. Leider ſtarb Langarus gleich nach dem Zuge auf dem Krankenbette. —
Ueber die Kanaloviſchen Berge, welche die Waſſerſcheide der Illyriſchen und Macedoniſchen Ströme bilden, führen die gangbar- ſten Päſſe in der Nähe des Lychnidiſchen Sees; der Beſitz dieſer Gegend war für Macedonien von der größten Wichtigkeit, weil
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auf, ſo hatten ſich die Illyrier und Taulantiner vereint, und waren
mächtig genug, von Pellion aus bis in das Herz Macedoniens vor-
zudringen, die wichtige Linie des Erigonſtromes zu beſetzen, und,
während ſie ſelbſt die Communication mit der Heimath durch die
Päſſe oberhalb Pellion offen hatten, den König von den ſüdlichen
Landſchaften ſeines Reiches und von Griechenland abzuſchneiden, ohne
daß Antipater das Feld zu behaupten, oder Alexander ſelbſt mit ſiche-
rem Erfolg die Uebermacht der tapferen Feinde anzugreifen hätte
wagen dürfen; ein unglückliches Treffen wäre hinreichend geweſen,
in Griechenland, wo bereits gefährliche Bewegungen merkbar wur-
den, alles das zuſammenſtürzen zu laſſen, was er und ſein Vater
mühſam erreicht hatten.
Langarus, der Fürſt der Agrianer, der ſchon bei Philipps Leb-
zeiten unzweideutige Beweiſe ſeiner Anhänglichkeit an Alexander ge-
geben und mit ihm in freundlicher Verbindung geſtanden, und deſ-
ſen Contingent in dem eben beendeten Feldzuge mit ausgezeichne-
tem Muthe gefochten hatte, war gerade damals mit dem Kern ſeines
Kriegsvolkes, trefflich bewaffneten und eingeübten Hypaspiſten, dem
Könige entgegengekommen; und als nun Alexander, voll Beſorgniß
über den Aufenthalt, den ihm die Autariaten verurſachen könnten,
ſich nach ihrer Macht und Bewaffnung erkundigte, ſo berichtete ihm
Langarus, er brauche vor dieſen Menſchen, den ſchlechteſten Kriegs-
völkern im Gebirge, nicht beſorgt zu ſein; er ſelbſt wolle, wenn der
Könige es geſtatte, in ihr Land einfallen, ſo daß ſie genug mit ſich
ſelbſt zu thun haben, und an feindliche Ueberfälle nicht weiter den-
ken ſollten. Alexander gab gern ſeine Zuſtimmung, und Langarus
drang plündernd und verwüſtend in ihre Thäler ein, ſo daß ſie
den Marſch der Macedonier nicht weiter ſtörten. Der König ehrte
die Dienſte ſeines treuen Bundesgenoſſen auf das Ausgezeichneteſte,
verlobte ihn mit ſeiner Schweſter Kyna, Amyntas junger Wittwe,
und lud ihn ein, nach Beendigung des Krieges nach Pella zu kom-
men, um die Hochzeit zu feiern. Leider ſtarb Langarus gleich nach
dem Zuge auf dem Krankenbette. —
Ueber die Kanaloviſchen Berge, welche die Waſſerſcheide der
Illyriſchen und Macedoniſchen Ströme bilden, führen die gangbar-
ſten Päſſe in der Nähe des Lychnidiſchen Sees; der Beſitz dieſer
Gegend war für Macedonien von der größten Wichtigkeit, weil
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/88>, abgerufen am 23.11.2024.
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