Bundes schützen könne; im Uebrigen sei zwischen den Bundesstaaten unverbrüchlicher Friede; ferner hätte der Bundesrath und die zur gemeinsamen Hut Bestellten darauf zu achten, daß in den Bundes- städten weder Hinrichtungen, Verbannungen, Confiscationen gegen die bestehenden Gesetze, noch Theilung des Grundbesitzes, Freilas- sung der Sklaven, Schuldenerlaß, um Neuerungen zu veranlassen, vor- komme; allen an dem Bunde Theilnehmenden sei freie See, und bei Ausstoßung aus dem Bunde keinem erlaubt, Schiffe der Ver- bündeten aufzubringen oder sonst zu behindern; indeß bleibe für Kriegsschiffe jeder andere Hafen, namentlich für die Macedonischen der Piräeus geschlossen 52). So die Hauptpunkte für die inneren Verhältnisse des Bundes; für den Perserserkrieg solle Alexanders unumschränkte Hegemonie anerkannt, und jeder der Bundesstaaten sein Contingent für den Krieg nach dem Aufgebot des Königs zu stellen verpflichtet sein 53).
So hatte Alexander erreicht, was er wollte; es würde von Interesse sein, die Stimmung zu kennen, welche gegen ihn herrschte; jedenfalls war sie nicht so empört und erheuchelt, wie es uns die zweideutige Freiheitsliebe des Demosthenes oder der affectirte Ty- rannenhaß Griechischer Moralisten aus der Römischen Kaiserzeit möchte glauben machen. Theben allein hatte mit Recht den Un- tergang seiner Freiheit zu betrauern; in Athen war die Stimmung der leichtfertigsten Menge, die je geherrscht hat, abhängig von den Demagogen, deren Parthei gerade die Oberhand hatte, und Sparta in seinem dumpfen Hinbrüten war seit lange schon hinter der Ge- schichte und der Bildung der Zeit zurückgeblieben; so viel ist klar, daß der bessere Theil des Griechischen Volkes für den jugendlichen Helden und seine hochherzigen Pläne eingenommen sein mußte; und die Tage, welche Alexander in Korinth zubrachte, schienen den deutlich- sten Beweis dafür zu liefern; denn von allen Seiten waren Künst- ler, Philosophen, Gebildete jedes Alters und Standes dorthin zu- sammengekommen, den königlichen Jüngling zu sehen und zu be- wundern, alle drängten sich in seine Nähe und suchten einen Blick, ein Wort von ihm zu erhaschen; nur ein Sonderling, Diogenes aus Sinope, kümmerte sich nicht um den König und blieb ruhig in
52)Pseudo Demosth. de foed. Alex.
53)Diod.
Bundes ſchützen könne; im Uebrigen ſei zwiſchen den Bundesſtaaten unverbrüchlicher Friede; ferner hätte der Bundesrath und die zur gemeinſamen Hut Beſtellten darauf zu achten, daß in den Bundes- ſtädten weder Hinrichtungen, Verbannungen, Confiscationen gegen die beſtehenden Geſetze, noch Theilung des Grundbeſitzes, Freilaſ- ſung der Sklaven, Schuldenerlaß, um Neuerungen zu veranlaſſen, vor- komme; allen an dem Bunde Theilnehmenden ſei freie See, und bei Ausſtoßung aus dem Bunde keinem erlaubt, Schiffe der Ver- bündeten aufzubringen oder ſonſt zu behindern; indeß bleibe für Kriegsſchiffe jeder andere Hafen, namentlich für die Macedoniſchen der Piräeus geſchloſſen 52). So die Hauptpunkte für die inneren Verhältniſſe des Bundes; für den Perſerſerkrieg ſolle Alexanders unumſchränkte Hegemonie anerkannt, und jeder der Bundesſtaaten ſein Contingent für den Krieg nach dem Aufgebot des Königs zu ſtellen verpflichtet ſein 53).
So hatte Alexander erreicht, was er wollte; es würde von Intereſſe ſein, die Stimmung zu kennen, welche gegen ihn herrſchte; jedenfalls war ſie nicht ſo empört und erheuchelt, wie es uns die zweideutige Freiheitsliebe des Demoſthenes oder der affectirte Ty- rannenhaß Griechiſcher Moraliſten aus der Römiſchen Kaiſerzeit möchte glauben machen. Theben allein hatte mit Recht den Un- tergang ſeiner Freiheit zu betrauern; in Athen war die Stimmung der leichtfertigſten Menge, die je geherrſcht hat, abhängig von den Demagogen, deren Parthei gerade die Oberhand hatte, und Sparta in ſeinem dumpfen Hinbrüten war ſeit lange ſchon hinter der Ge- ſchichte und der Bildung der Zeit zurückgeblieben; ſo viel iſt klar, daß der beſſere Theil des Griechiſchen Volkes für den jugendlichen Helden und ſeine hochherzigen Pläne eingenommen ſein mußte; und die Tage, welche Alexander in Korinth zubrachte, ſchienen den deutlich- ſten Beweis dafür zu liefern; denn von allen Seiten waren Künſt- ler, Philoſophen, Gebildete jedes Alters und Standes dorthin zu- ſammengekommen, den königlichen Jüngling zu ſehen und zu be- wundern, alle drängten ſich in ſeine Nähe und ſuchten einen Blick, ein Wort von ihm zu erhaſchen; nur ein Sonderling, Diogenes aus Sinope, kümmerte ſich nicht um den König und blieb ruhig in
52)Pseudo Demosth. de foed. Alex.
53)Diod.
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Bundes ſchützen könne; im Uebrigen ſei zwiſchen den Bundesſtaaten
unverbrüchlicher Friede; ferner hätte der Bundesrath und die zur
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ſtädten weder Hinrichtungen, Verbannungen, Confiscationen gegen
die beſtehenden Geſetze, noch Theilung des Grundbeſitzes, Freilaſ-
ſung der Sklaven, Schuldenerlaß, um Neuerungen zu veranlaſſen, vor-
komme; allen an dem Bunde Theilnehmenden ſei freie See, und
bei Ausſtoßung aus dem Bunde keinem erlaubt, Schiffe der Ver-
bündeten aufzubringen oder ſonſt zu behindern; indeß bleibe für
Kriegsſchiffe jeder andere Hafen, namentlich für die Macedoniſchen
der Piräeus geſchloſſen 52). So die Hauptpunkte für die inneren
Verhältniſſe des Bundes; für den Perſerſerkrieg ſolle Alexanders
unumſchränkte Hegemonie anerkannt, und jeder der Bundesſtaaten
ſein Contingent für den Krieg nach dem Aufgebot des Königs zu
ſtellen verpflichtet ſein 53).
So hatte Alexander erreicht, was er wollte; es würde von
Intereſſe ſein, die Stimmung zu kennen, welche gegen ihn herrſchte;
jedenfalls war ſie nicht ſo empört und erheuchelt, wie es uns die
zweideutige Freiheitsliebe des Demoſthenes oder der affectirte Ty-
rannenhaß Griechiſcher Moraliſten aus der Römiſchen Kaiſerzeit
möchte glauben machen. Theben allein hatte mit Recht den Un-
tergang ſeiner Freiheit zu betrauern; in Athen war die Stimmung
der leichtfertigſten Menge, die je geherrſcht hat, abhängig von den
Demagogen, deren Parthei gerade die Oberhand hatte, und Sparta
in ſeinem dumpfen Hinbrüten war ſeit lange ſchon hinter der Ge-
ſchichte und der Bildung der Zeit zurückgeblieben; ſo viel iſt klar, daß
der beſſere Theil des Griechiſchen Volkes für den jugendlichen Helden
und ſeine hochherzigen Pläne eingenommen ſein mußte; und die
Tage, welche Alexander in Korinth zubrachte, ſchienen den deutlich-
ſten Beweis dafür zu liefern; denn von allen Seiten waren Künſt-
ler, Philoſophen, Gebildete jedes Alters und Standes dorthin zu-
ſammengekommen, den königlichen Jüngling zu ſehen und zu be-
wundern, alle drängten ſich in ſeine Nähe und ſuchten einen Blick,
ein Wort von ihm zu erhaſchen; nur ein Sonderling, Diogenes
aus Sinope, kümmerte ſich nicht um den König und blieb ruhig in
52) Pseudo Demosth. de foed. Alex.
53) Diod.
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/76>, abgerufen am 23.11.2024.
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